Pov Mia
Den restlichen Tag verbrachte ich im klinikeigenen Gemeinschaftsraum. Während ich auf einer aus hartem Leder angefertigten Couch saß, unterhielt ich mich mit Lenya.
Nebenbei wurde ich über mein Leben von ihr ausgefragt, mir wurden sowohl Fragen über mein Alter, meine Hobbys und sämtliche andere Standartfakten. Was ich wirklich an ihr schätzte war, dass sie mich nie fragte, warum ich hier aufhalten musste oder was genau vorgefallen war, damit ich in die Psychatrie musste.Plötzlich näherte sich mein Betreuer und setzte sich neben mich auf das Sofa. "Mia, du musst bitte ins Büro deiner Psychologin gehen.", erklärte er mir ruhig und nahm meine Hände. "Es ist dringend.", fügte er hinzu, als ich meine Kaffeetasse nochmals zur Hand nehmen wollte um auszutrinken.
Teils verwirrt aber auch Neugierig, ob es Neuigkeiten über meine Entlassung gab, spazierte ich auf schnellstem Weg in das besagte Zimmer.
Ich begrüßte Frau Grim, erkannte aber irgendwie, dass sie aufgewühlt war, da sie mir nicht antwortete. Unruhig kramte sie in einigen Ordnern und bemerkte mein kommen überhaupt nicht.
Etwas lauter begrüßte ich sie ein zweites Mal und diesmal sah sie zu mir auf.
"Mia, bitte setz dich.", forderte sie mich auf. "Du musst jetz ganz stark sein, meine Kleine.", sprach sie zu mir und nahm meine Hand.
"Es kam zu einer schwerwiegenden Körperverletzung...", berichtete sie mir mit einem erdrückenden Unterton.Irgendwie verwirrte mich ihre Bekümmertheit, es verletzten sich doch täglich Menschen.
"... in deiner Familie.", beendete sie ihren Satz und versuchte meine Hand zu nehmen.
Mein Herz begann immer und immer lauter zu pochen.
Doch ich entriss sie ihr und es schoss mir durch den Kopf. Wahrscheinlich war mein Vater auf einem seiner Partytrips so betrunken, dass er in eine Schlägerei verwickelt wurde. Aber er konnte nicht einfach für ein paar Wochen weg sein, was sollte ich jetzt tun? Wie würde es meine Mutter aufnehmen? Ich war mir sicher sie würde einen so etwas nicht mehr überleben könnte: Diese ständige schreckliche Angst um jemanden.All diese Gedanken schossen gleichzeitig durch meinen Kopf. Zwar hatte ich vielleicht keine allzu gute Beziehung zu ihm, aber für meine Mutter, war er neben mir alles, was sie hatte.
Panisch sprang ich auf und fasste mit meinen Händen zu meinem Kopf, doch Frau Grim hielt mich davon ab ganz abzuhauen.
Wie um alles in der Welt konnte sie in diesem bescheuerten Moment denn so verdammt ruhig bleiben?
"Ich will, dass du dich setzt, während ich es dir erkläre. Es ist besser für dich.", erklärte sie mir in ruhigen Ton.
Sie wies ebenso ruhig, wahrscheinlich um mich nicht noch mehr zu schocken, auf den Stuhl ihr gegenüber.Ich stackste langsam zum Stuhl zurück und ließ mich mit einem lauten Seufzer fallen. Warum um alles in der Welt musste es gerade mir geschehen?
"Mia, du musst jetzt ganz stark sein.", begann sie ihren Satz, doch wurde von einem lauten Schluchtzer meinerseits unterbrochen. All diese Gefühle gleichzeitig, überrannten mich auf einmal.
"Mia, es geht um deine Mutter. Sie wurde schwer verletzt, Mia.", beendete sie und sah zu mir auf.
"Meine Mutter?", hakte ich schockiert nach. Ich fühlte Tränen nur so über meine Wangen rinnen und ein dicker Klos bildete sich bei mir im Hals. Eigentlich hätte ich nämlich gedacht, es beträfe meinen Vater. Der Mensch, der mir und meiner Mutter jahrelang das Leben schwer machte. Nie mochte ich ihn besonders, aber irgendwie war er sich trotzdem mein Vater.Aber meine Mutter? Wie konnte ihr denn überhaupt etwas geschehen, sie ging doch nie außer Haus? Tausende und Abertausende dieser Fragen schwirrten durch meinen Kopf.
Außer... hatte sie sich etwa selbst verletzt oder noch schlimmer, war er es?
Frau Grim näherte sich mir und nahm mich in den Arm. "Meine Kleine, ich kann verstehen, wie schwer das für dich sein muss.""Können sie nicht!", fuhr ich sie an und sprang auf. Eigentlich wollte ich es überhaupt nicht aussprechen, aber naja, nun war es auch schon zu spät. Außerdem war es mir egal.
"Doch, deine Mutter wurde letzte Nacht ohnmächtig in eurem Haus aufgefunden. Ich kann verstehen, wie schwer das sein muss.", antwortete sie mir mit einer beruhigenden Handbewegung.
"War es...", brachte ich nur heraus, der Rest verstummte in meinen Tränen."Nein, es war höchstwahrscheinlich keine Selbstverschuldung. Die Beamten sagten, sie würden noch genauer forschen um rauszufinden was genau geschah, aber bisher denken sie es wäre Körperveletzung gewesen.", erklärte sie und sah zu mir auf.
"Sie wurde ohnmächtig geschlagen?!", schrie ich fassungslos auf. Bei dem Gedanken daran, dass meine Mutter hilflos von einem Fremden angefasst wurde, gefrohr mir das Blut in den Adern.
"Ja. Und damit kommen wir auch zu dir. Ich soll dich fragen, ob es jemanden gibt, der eure Familie nie mochte, beziehungsweise ob sie mit jemanden Streit hatte.", schilderte sie mir kurz.Wer um alles in der Welt würde denn meiner Mutter etwas Böses wollen? Niemand. Warum denn auch? - Den lieben, langen Tag verbrachte sie im Haus, unternahm nie irgendwas und naja ich kannte sie auch nicht anders.
Immernoch von dem Fakt dieser plötzlichen Nachricht schockiert, ließ ich mich wieder zurück auf meinen Stuhl fallen.
Erschöpft versuchte ich einmal wieder meine Gedanken zu sortieren: Wer mochte meine Mutter nicht? Wer stritt sich denn mit ihr?
In diesem Moment fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Aber nein, er würde ihr doch nichts... oder etwa doch?Fragend schaute ich zu Frau Grim, doch diese entgegnete nur:" Ich glaube ich weiß an wen du denkst, du hast ihn ja in deinen Sitzungen auch mal erwähnt, aber eine solche Anschuldigung, würde ihn definitiv vor Gericht bringen, wenn nicht sogar ins Gefängnis.", als würde sie meine Gedanken lesen können.
Nein. Nein! Es war definitiv nicht meine Aufgabe darüber zu urteilen, was ein mieser Mensch mein Vater nun war, oder auch nicht.
Plötzlich nahm ich verzweifelte Blicke meiner Psychologin auf, die ich bisher noch nicht bemerkt hatte. War etwa meine Reaktion auf diese Nachricht über meiner Mutter nicht angemessen?War mir etwa Gefühlskälte ins Gesicht geschrieben und ich konnte kein Mitleid empfinden? Was war eigentlich falsch mit mir?
Meine Mutter, alles was ich in meinem Leben hatte war plötzlich schwer verletzt und ich konnte nicht einmal anständig darüber nachdenken?Geschweige denn sie irgendwann einmal besuchen? Was wenn sie ihren Verletzungen erliegen würde... genauso wie Vincent... nein, das wollte ich mir nicht einmal ausmalen.
Frau Grim erklärte mir, ich könnte auf mein Zimmer gehen, um nochmals alles zu verarbeiten und sie würde nachher nochmals vorbeischauen. Stumm nickte ich und verließ mit gesenktem Kopf den Raum.
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When I fall apart || ABGESCHLOSSEN
Teen FictionMias Leben war noch nie wirklich leicht für sie auf dieser Welt gewesen: Aufgrund ihrer stetigen Verträumtheit, ihrer Kreativität und dem frühen Tod eines ihrer Familienmitglieder, wurde sie bereits in Kindesjahren extrem gemobbt, was dann auch Spur...