▪︎Kapitel 9▪︎ Fine

57 5 0
                                    

PoV Mia

Letztendlich schloss ich mit Ben sogar eine Wette ab, dass sie wahrscheinlich eine ziemliche Zicke war und sich sofort Sinas Gruppe anschließen würde.

Nachdem der heute Schultag zuende war, waren wir alle sehr gespannt, welche neue Person jetzt morgen in meiner Klasse sitzen würde.
Ehrlich gesagt ging es mir inzwischen wieder etwas besser und ich zeichnete lieber, als meinen eigenen Körper zu verunstalten. Bisher verstand ich nie, warum Menschen sich selbst verstümmeln mussten. Nein, ich fand es sogar ekelerregend und respektlos den Menschen gegenüber, denen sie wirklich wichtig waren.

Wie zum Teufel bin ich überhaupt auf die Idee gekommen, es ausprobieren zu wollen. Was hab ich schon für Probleme?
Naja bis auf den Tod einer geliebten Person habe ich doch nicht mal welche. Also warum um alles in der Welt denke ich über so etwas nach?
Zuhause angekommen, ging ich sofort in mein Zimmer. Eigentlich sollte ich so langsam eine Kleinigkeit essen, tat es aber trotzdem nicht und ignorierte mein Hungergefühl.

Wieder einmal war ich in meiner Gedankenwelt, abgeschottet von allem anderen und begann zu zeichnen. Ehrlich gesagt hatte ich weder einen Plan was ich da zeichnete noch wie lange ich mich damit beschäftigte.
Als ich aufsah war ich etwas schockiert von mir selbst: Diesmal sah man auf meiner Zeichnung wieder eine Fee, aber keine glückliche, wie ich sie sonst immer liebte zu zeichnen. Nein ganz und gar nicht: Es war eine Schattenkreatur, verwundet, mit gebrochenen Flügeln und obendrein einer Klinge in ihrer Hand.
Schockiert und fast in Trance knüllte ich das Papier zusammen und warf es in den Mülleimer, der neben meinem Schreibtisch stand.

Mein Blick wanderte nach rechts und ich erblickte wieder die Schere. Eine Zeit lang starrte ich auf das Metall. Ich sah es einfach nur an, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Plötzlich platzte Benjamin in mein Zimmer. "Was machst du denn hier? Was ist los?", fragte ich ihn verwundert, da wir uns eigentlich nicht einmal verabredet hatten.
"Dir geht es nicht gut, das ist los. Schieß los, was ist passiert?", versuchte er mich zum Sprechen zu bewegen und setzte sich zu mir auf mein Bett.
Da ich gerade eigentlich nicht wirklich wusste was ich empfand, noch warum, noch wie brach ich in Tränen aus. Alles wurde mir zu viel. Wirklich alles.

Leise versuchte er mich mit einem "Lass alles raus, ist okay.", zu beruhigen und legte einen Arm um meine Schulter.
Mein ganzer Körper zitterte und ich weinte einfach einige Minuten. Alles überforderte mich gerade, wirklich alles. Ehrlich gesagt wusste ich gerade nicht mehr wohin mit mir selbst.
Irgendwie ging es mir schlecht, aber dann auch wieder nicht. Ich hatte doch nicht einmal eine Berechtigung dazu, so traurig zu sein.
Nach einem langen Schweigen, redete er wieder behutsam auf mich ein, dass er für mich da wäre, wenn ich ihn brauchte und mir immer bei meinen Problemen zuhören würde.
"Ich... ich weiß einfach nicht was mit mir los ist. Es darf mir nicht schlecht gehen, eigentlich habe ich nicht einmal Probleme.", schniefte ich stotternd dahin.

"Woher hast du denn diesen Unsinn. Mia, wenn es dir mies geht dann geht es dir mies und hör bitte auf die Streitereien deiner Eltern als nicht problemwürdig zu betiteln.", antwortete er mir sanft, aber man spürte trotzdem einen Nachdruck in seinem ersten Satz.
"Woher weißt du...?", fragte ich ihn verwundert, da ich ihn eigentlich nicht über die Alkoholsucht meines Vater erzählte.
"Ich hab gesehen, dass es dir nicht gut geht. Ich musste herausfinden, was mit dir los war. Also hab ich etwas nachgeforscht.", gab er etwas missmutig zu.

Ich nickte nur mit dem Kopf und legte ihn zurück auf seine Schulter.
Eigentlich war ich es überhaupt nicht gewöhnt, dass sich Menschen um mich kümmerten.
Aber irgendwie fühlte ich mich in der Gegenwart meiner Freunde enorm geborgen und einfach beschützt, vor allem Unheil dieser Welt.
Benjamin und Felix bedeuteten mir alles, sie waren wie meine zwei großen Brüder. Sie waren meine neue Familie, da meine reale Familie immer noch dem seinem Tod nachhing und im Prinzip durch diesen zerbrach.

Niemals könnte ich diese beiden Menschen aus meinem Leben streichen und wer weiß, vielleicht wäre ich ohne sie schon überhaupt nicht mehr am Leben.
Sie versuchten mich in jeder Lebenslage zu beschützen und für mich da zu sein, was ich ihnen wirklich sehr hoch anrechnete, da ich eigentlich noch nie eine einfache Person war.
"Soll ich übernacht bleiben?", riss mich Benjamins Stimme aus meinen Gedanken. Ehrlich gesagt wollte ich nicht, dass er sich so für mich aufopferte. Obwohl ich es sehr lieb von ihm fand.

"Nein, mir gehts schon gut.", versuchte ich ihm zu erklären, aber die Tränen, die mir in die Augen stiegen verrieten mich. Sie verrieten mein Inneres, mein Herz, welches gerade schmerzte wie ich es zuvor noch nie spürte.
"Also bleib ich hier.", bestimmte er, wofür ich ihm aber sehr dankbar war, da ich somit wenigstens nicht mehr die Möglichkeit hatte mich selbst zu verletzen oder daran zu denken.
"Du hast heute noch nichts gegessen, oder?", fragte er mich plötzlich und stand auf. "Warte ich hol dir schnell etwas."

Ohne auf meine Antwort zu warten, ging er in die Küche und holte ein belegtes Brot und einen Müsliriegel. Behutsam setzte er sich wieder neben mich und hielt mir beides hin.
"Du musst etwas Essen, bitte.", gab er mir klar und deutlich, aber trotzdem mit einem liebevollen Unterton zu verstehen.
Ihm zuliebe biss ich einige Male vom Brot ab, rührte aber den Müsliriegel nicht an.

"Ich bin stolz auf dich. Danke, dass du etwas gegessen hast.", erklärte er mir und seine rehbraunen Augen glitzerten etwas vor Stolz.
Er stellte das Telller weg und holte sich einige Kissen und eine Decke, um sich auf meiner Couch einzuquartieren.
"Gehts dir etwas besser?", fragte er mich besorgt, bevor er das Licht ausknipste. "Ja, es wird scho wieder. Danke, dass du immer für mich da bist.", antwortete ich ihm und Tränen tropften über meine Wangen.

"Nicht weinen Prinzessin, du musst jetzt schlafen, wir müssen morgen wieder in die Schule.", erklärte er ruhig, knipste das Licht aus und legte sich auf die Couch.

When I fall apart || ABGESCHLOSSENWo Geschichten leben. Entdecke jetzt