▪︎Kapitel 5▪︎ What?

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PoV Mia

Naja also jetzt war ich wirklich überfordert mit allem. Warum wollte sie etwas mit mir zutun haben? So eine hübsche, nahezu perfekte Person.

So ganz konnte ich es noch nicht fassen: Das hübscheste Mädchen, das ich jemals traf sprach mit mir und machte mich noch nicht als erstes fertig. Für meine Figur, meine Kleidung, ja sogar mein Verhalten gegenüber anderen Menschen.
Warum war sie so unheimlich lieb zu mir?

"Gehts dir gut? Du siehst so nachdenklich aus?", fragte sie mich als wir uns gerade verabschieden wollten. Ihr Gesicht veränderte sich vom Grinsen zu einem ernsteren Gesichtsausdruck. Was war jetzt los? Sie kannte mich obendrein noch nicht einmal und sorgte sich um mich?
Wie konnte ein Mensch so ein Engel sein? Und warum um alles in der Welt wollte sie etwas mit dem unscheinbarsten Mädchen auf dieser zu tun haben?

All diese Fragen kreisten durch meinen Kopf, doch totzdem antwortete ich nur :"Ne, alles gut, danke der Nachfrage." und lächelte nun auch verlegen.
"Du bist echt nett. Ich freu mich schon auf nächste Woche.", verabschiedete sie sich mit leicht seuselnder Stimme und ging weg. Ich rief ihr noch ein leises "Tschüss", hinterher, dachte aber, dass sie es sowieso nicht hören würde. Doch als sie wegging drehte sie sich noch einmal um und winkte mir zum Abschied.

Verdammt. Was war da gerade geschehen? Warum nahm sie gerade mit mir, einem niemand, Kontakt auf?
Noch nie gehörte ich zu den "coolen". Ich war eher immer die Komische, der Außenseiter, das Dritte Rad am Wagen, wie auch immer man es nennen wollte. Auf jeden Fall übernahm diesen Part immer ich.
Diese Menschen, die Hübschen, waren die, die mich am meisten fertig machten. Mich aufgrund seines Todes nicht mehr ernst nahmen.

Er war immer für mich da. Stehts an meiner Seite. Immer. Zu jeder Zeit.
Und jetzt war er einfach weg. Für immer und Ewig. An einem fernen Ort? Oder doch im Himmel?
Ich wusste es einfach nicht und konnte es irgendwie immernoch nicht fassen, dass er einfach weg war.
Seitdem mochte mich niemand mehr. Mein Beschützer war einfach weg.
Er verließ mich.

Mein Zwillingsbruder starb vor einigen Jahren, an Leukämie. Seitdem war Vincent einfach weg. Ich vermisste ihn so extrem. Warum musste das geschehen?
Ich konnte es nicht verstehen. Aber was ich wusste war, dass mein Leben seitdem steil bergab ging. Die Menschen, die wir beide mochten, hassten mich plötzlich.
Wahrscheinlich weil ich nicht so wie er war. Nein. Ich war anders, ich bin anders.

Und das konnten sie niemals akzeptieren. Sie konnten mich niemals akzeptieren. Warum denn nicht? Was hatte ich ihnen denn getan?
Und warum konfrontierte dieses Universum mich jetzt wieder damit? Mit ihr. Einem Menschen, der nicht perfekter sein könnte. Sie war das Gegenteil von mir: Früher wurde ich oftmals wegen meinem Gewicht aufgezogen. Sie machten mich dermaßen fertig deshalb. So dass ich letztendlich beschloss abzunehmen.
Anfangs freute mich noch jedes Kilo, dass ich verlieren konnte. Aber je länger ich Gewicht verlor, desto dicker fühlte ich mich.

Letztendlich versetzte es mich in eine Essstörung, aus der ich bis heute noch kläglich versuchte zu entkommen. Das Zeichnen war ein Aspekt, der mich selbst in diesen schweren Zeiten am Leben hielt. Mehrfach rettete es mich vor dem völligen Durchdrehen.
Deshalb hatte ich eine leichte Abneigung gegen hübsche Menschen. Ich wollte sie wirklich nicht haben, aber leider traf ich in meinem Leben bisher nur solche, die mich fertig machten. Mich ausschlossen, verletzten, systematisch mobbten.

"Schatz, was ziehst du denn für ein langes Gesicht? War es nicht schön?", begrüßte mich meine Mutter besorgt Zuhause. Sofort setzte ich mein Lächeln auf und antwortete ihr :"Nein, alles super! Den Kurs heute fand ich extrem gut und ich würde es gerne öfters machen."
"Das freut mich. Wirklich.", entgegnete sie und ging in die Küche, um mir mein Essen zu bringen.
"Hast du jemanden kennengelernt?", fragte sie plötzlich aus der Küche.
"Naja, mehr oder weniger.", antwortete ich, da ich eigentlich erst einmal nicht darüber sprechen wollte, sondern es erst selbst verarbeiten wollte.
"Was heißt das?", entgegnete sie mir verwirrt und setzte sich zu mir. "Waren sie mies zu dir?", fügte sie noch eine Spur besorgter hinzu.
"Nein, nein, das nicht. Ich habe ein Mädchen kennengelernt. Sie war wirklich sehr nett zu mir, aber...", platzte es schließlich nur so aus mir heraus.

"Aber?", hakte sie nach. Da ich wirklich nicht mehr darüber reden wollte, himmelte ich sie mit einem "Ist jetzt auch egal.", ab und verließ die Küche. Ich schritt, ohne mich umzudrehen die Treppen nach oben und legte mich auf mein Bett.
Nach einigen Minuten sinnlosen an die Decke starren, zog ich meine Bleistifte und einem Block unter meinem Bett hervor und legte sie vor mich.

Ich setzte den Stift an und ließ meinen Gedanken freihen Lauf. Die Zeit rann nur so an mir vorbei, aber ich war so in mein Werk vertieft, dass ich erst gegen halb drei morgens merkte, dass ich immer noch zeichnete.
Als ich aufblickte, sah ich zwei Elfen. Umeinander fliegen und ihre langen Kleider verschwammen innenander. Trotzdem hatte die eine Elfe einen gebrochenen Flügen und sah etwas heruntergekommen aus und die andere war einfach wunderschön. Von Kopf bis Fuß.

Irgendwie fand ich es dann doch etwas seltsam, dass ich irgendwie immer an dieses Mädchen denken musste und meine Gedanken sich auf nichts anderes mehr konzentrieren konnten.
Irgendwie verstand ich immer noch nicht, wie ein so perfekter Mensch etwas mit mir unternehmen wollte.
Schließlich hatte sie sich sogar darüber gefreut mich in der nächsten Woche wiedersehen zu können.
Natürlich freute ich mich ebenfalls darauf und würde es auch toll finden sie vielleicht auch außerhalb des Tanzkurses zu treffen.

Aber dafür kannten wir uns irgendwie noch nicht gut genug. Oder hatte sie es nur aus reiner Nettigkeit vorgeschlagen? Aber dann wäre sie nicht so enorm enthusiastisch gewesen. Oder etwa doch? Ich wusste es einfach nicht.

Ich für meinen Teil würde sie gerne wieder treffen. Äußerst gerne.
Ich betrachtete meine Zeichnung nochmals mit einem Lächeln auf den Lippen und strich über die beiden Elfen.
Was genau wollte ich eigentlich von ihr? Auf jeden Fall wollte ich sie besser kennenlernen und vielleicht sogar ein Teil meines Lebens werden lassen. Mit diesem Gedanken und einem Lächeln auf den Lippen schlief ich ein.

When I fall apart || ABGESCHLOSSENWo Geschichten leben. Entdecke jetzt