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2 Wochen später
Brooke

„Du bist hässlich, wenn du weinst."

Dieser dämliche Idiot. Was fiel ihm eigentlich manchmal ein? In dem Moment, in welchem er mir offenbarte, dass ich hässlich wäre, fuhr ich regelrecht aus der Haut. Eigentlich wollte ich ihm danach aus dem Weg gehen, aber es gelang mir nicht. Ich würde erst in drei Tagen wieder zur Arbeit erscheinen und arbeitete so lange von zu Hause aus. John kam jeden zweiten Tag vorbei. Er brachte mir Unterlagen und nahm die von mir abgearbeiteten Dinge mit.

Seltsamerweise war es zwischen uns sehr entspannt und egal, was er tat oder sagte, ich wollte ihm nicht mehr jedem Moment an die Kehle springen. Tatsächlich war er regelrecht nett zu mir, auf seine eigene Art und Weise.

„Du scheinst immer fleißiger zu werden." John sah auf den Stapel an Papieren, welche er heute mitnehmen würde.

„Ich bin immer fleißig."

Er sah mich mit seinem Ich-bin-hier-der-Boss Blick an, welchen ich ihm in der Vergangenheit so einige Male aus dem Gesicht wischen wollte. „Ich habe dir übrigens etwas zu essen mitgebracht." Er zeigte auf die Tüte, welche er auf meiner Kommode platziert hatte. „Dad meinte, ich sollte dir etwas Abwechslung gönnen. Sonst ernährst du dich vermutlich nur vom Chinesen um die Ecke."

„Dann richte Norman meinen Dank aus."

„Ey! Ich habe dir das Essen gebracht", empörte er sich.

„Weil dein Vater es dir aufgetragen hat", berichtigte ich ihn und konnte es mir nicht verkneifen, ihm meine Zunge herauszustrecken.

John verschränkte die Arme vor seiner Brust. „Muss ich dich daran erinnern, dass ich dein Vorgesetzter bin?"

„An wen muss ich mich dann wenden, wenn ich mich darüber beschweren will, dass mein Vorgesetzter mich als hässlich bezeichnet?"

„Brooke." Er senkte seinen Kopf und stieß hörbar Luft aus. Obwohl ich es nicht beabsichtigt hatte, schien ich einen wunden Punkt getroffen zu haben. John wollte sich scheinbar erklären, als ich ihn unterbrach.

„Ich weiß, warum du das gesagt hast und ich bin dir dankbar dafür, dass du mich auf andere Gedanken bringen wolltest. Aber jeder andere Mann hätte es auf eine andere Art und Weise gemacht." Auch wenn mich sein Kommentar ärgerte, wusste ich, dass er es nicht wirklich böse meinte. So war er eben.

„Ich bin nicht wie jeder andere Mann." Scheinbar hatte er schlagartig sein Selbstbewusstsein wiedererlangt und ich bereute sofort, dass meine Aussage der Grund dafür war.

„Leider." Ich sah in die Tüte, welche er auf meinen Wohnzimmertisch gestellt hatte und entdecke das Logo vom ThePalm.

„Ich hoffe, du magst es. Um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung davon, was du am liebsten magst."

„Eiscreme!" Mein Mund war schneller als mein Verstand und seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte er mit dieser Antwort nicht gerechnet.

John schien sich plötzlich unwohl zu fühlen. „Leider befindet sich keine Eiscreme darin. Brauchst du denn welche? Ich könnte dir schnell welche besorgen. Es macht mir nichts aus."

„Das musst du nicht."

„Bist du dir sicher? Ich würde es machen. Soll ich dir noch etwas anderes kaufen?"

Was war nur plötzlich mit ihm los? Er schien regelrecht flüchten zu wollen. „Warum solltest du für mich einkaufen gehen?"

„Naja", stammelte er vor sich hin. „Wenn du gewisse Sachen brauchst, dann..."

Mir dämmerte, worauf er hinaus wollte. „Denkst du etwa, dass ich meine Periode habe?"

„Bitte, sag es nicht."

„Was? Periode?"

John war es mehr als unangenehm. „Ich will es nicht hören."

In meinem Kopf reifte ein Plan und vermutlich war meine Zeit gekommen, mich für seine Aussage im Krankenhaus zu revanchieren. „Aber es ist doch nichts dabei. Es ist völlig natürlich, dass am Ende des Zyklus gewisse Dinge den Körper verlassen. Das bisschen Blut..."

„Brooke! Ich bitte dich", jammerte er und hielt sich die Ohren zu. „Du bekommst alles, was du willst, nur hör auf davon zu reden."

„Du bist wirklich nicht wie andere Männer." Mehr konnte ich nicht sagen, denn es klingelte an meiner Tür.

Mein Herz setzte einen Moment aus, denn der Einzige, der mich in den letzten zwei Wochen besuchen kam, war John. Außer ihm wusste nur Norman Bescheid und alle anderen dachten, ich hätte eine Viruserkrankung. Meine Wunden im Gesicht waren beinahe komplett verheilt und man musste schon genau hinsehen, um die letzten Blessuren zu erkennen. Ich war ständig auf der Hut und sah mich, sobald ich außerhalb meiner Wohnung war, immer wieder um. Unter keinen Umständen wollte ich Ben in die Arme laufen. Zu groß war meine Angst vor ihm.

John schien mein plötzliches Unbehagen zu spüren. „Erwartest du Besuch?"

Ich schüttelte meinen Kopf und scheinbar waren weder mein Körper, noch mein Verstand, zu mehr in der Lage. Plötzlich tauchten all die Bilder vor meinem inneren Auge auf. Wie er über mir stand und immer wieder zuschlug.

„Warte hier. Ich gehe nachsehen, wer es ist." Vorsichtig griff John mich an meinen Schultern und ich konnte nicht verhindern, dass ich unter seiner Berührung zusammenzuckte. In seinem Blick lag etwas Weiches und ich entspannte mich. Er meinte es gut mit mir und er war nicht Ben.

John ließ mich stehen und ging von meinem Wohnzimmer aus in den Flur. Ich verstand nicht, was er mit der Person am anderen Ende meiner Haustür zu besprechen hatte und es dauerte gefühlt Stunden, bis er zu mir zurückkam. In seiner rechten Hand trug er einen riesigen Strauß Blumen.

Sein Gesichtsausdruck war angespannt, als er den Strauß an mich weiterreichte. „Ein Bote war da und meinte, der hier wäre für dich. Weiter hat er nichts gesagt."

„Ich mag keine Rosen", gab ich von mir und entdecke eine kleine Karte, welche zwischen den einzelnen Blüten drapiert war.

„Wer hätte das gedacht." John sah skeptisch auf die Blumen hinab.

„Warum kannst du nicht einmal still sein?" Ich war angespannt und ließ es nun an ihm aus.

Er zog seine linke Augenbraue in die Höhe und bekam dieses Grinsen, welches seine Grübchen zum Vorschein brachte. „Das sagt genau die Richtige."

Egal wie alt er war, er würde wohl nie erwachsen werden und irgendwie fand ich diesen Gedanken gar nicht schlimm. Es war eben seine Art und ich wollte und würde diese niemals ändern. Er wollte mich nur auf andere Gedanken bringen.

Nachdem ich die Karte aus dem Strauß herausgezogen und geöffnet hatte, landete dieser auch schon auf dem Boden.

Wir sollten das Vergangene ruhen lassen und noch einmal von Neuem beginnen.
Ben

Die Assistentin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt