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3 Wochen später
John

„Dein Pokerface war gut, aber du konntest keinem von uns etwas vormachen."

Matthew war nicht der Einzige, der mich den ganzen Abend schon damit aufzog, dass ich bereits am frühen Morgen nicht dazu in der Lage war, mir meine Krawatte zu binden. Geschweige denn mir meine Schuhe vernünftig anzuziehen und von den unterschiedlichen Farben meiner Socken wollte ich nichts mehr hören. An jedem anderen Tag hätte ich es damit abgetan, dass ich einfach mit dem falschen Fuß aufgestanden war, aber ich war tatsächlich aufgeregt. Man heiratete nicht jeden Tag und ich hatte das für mich nie vorgesehen.

Dad saß vor mir auf einem Stuhl und schien seinen Spaß an den andauernden Sticheleien zu haben. „Du kommst auch noch in diese Situation", gab er knapp von sich und gönnte sich daraufhin einen Schluck Wein.

Natürlich warteten er und Mom schon eine sehr lange Zeit darauf, dass Matthew und Thalia endlich heirateten. Doch scheinbar hatten die beiden es nicht so eilig und waren zufrieden mit ihrem aktuellen Lebensstil. Ich konnte kaum von ihnen verlangen, nun ebenfalls zu heiraten. Zumal sich meine Schwester standhaft weigerte, solange sie ihre zusätzlichen Kilos nicht abgenommen hatte und erst recht wollte sie nicht mehr stillen. Eigentlich brachte sie eine ganze Latte an Anforderungen hervor, da sie ihren großen Tag so perfekt wie möglich verbringen wollte.

Manchmal war es schon seltsam, wie unterschiedlich wir doch waren. Während sie groß feiern wollte, war ich mit meiner kleinen Hochzeit sehr zufrieden. Brooke war aufgeregter als ich und hatte in der vergangenen Nacht kaum ein Auge zu gemacht. Das gipfelte darin, dass sie unter unserem Ehezertifikat mit Elliott unterschrieb und der Standesbeamte das Dokument neu drucken musste. Zumindest nahmen wir es alle mit Humor, auch wenn sie am liebsten im Boden versinken wollte.

„Da bin ich wieder." Brooke kam zurück zu uns und nahm neben mir Platz. Das Baby schien ihr heute auf der Blase zu liegen, denn beinahe im Stundentakt musste sie sich entschuldigen. „Habe ich etwas verpasst?" Fragend sah sie in die Runde, bevor ihr Blick auf mir ruhen blieb.

„Nicht wirklich", antwortete ich. „Matthew zieht mich noch immer auf. Mom weint die ganze Zeit und Thalia vermisst die Kinder."

Mom hatte nach wie vor ein Taschentuch, welches sie heute scheinbar gar nicht aus der Hand legen wollte, fest umgriffen und tupfte sich damit vorsichtig die Tränen ab. „Ich bin einfach so glücklich", japste sie und ließ sich von Dad trösten.

Meine Schwester hingegen sah mich an, als würde sie mir jeden Moment ins Gesicht springen wollen. „Ich war noch nie von ihnen getrennt. Natürlich vermisse ich sie."

„Dafür scheint Matthew die Ruhe selbst zu sein", merkte ich an.

Er ließ sich wirklich durch nichts aus der Fassung bringen und genoss den Abend, ohne ständig auf sein Handy zu starren. Es konnte aber auch daran liegen, dass er sich absolut bewusst darüber war, wo und bei wem seine Kinder waren. Seine Eltern würden sich schon melden, wenn etwas mit den Kindern wäre, meinte er vor einigen Stunden. Doch ich glaubte, dass da noch mehr war. Vermutlich genoss er es heimlich, Thalia mal wieder nur für sich zu haben. Auch wenn diese ständig ihre Schwiegereltern anrief, um zu fragen, ob alles in Ordnung sei.

„Kannst du noch etwas aushalten? Wir fahren nachher gleich ins Hotel und dann kannst du dich selbst davon überzeugen, dass es ihnen gut geht." Mit seiner rechten Hand griff Matthew nach ihrem Handy und nahm es Thalia weg, nur um es in der Innentasche seines Sakkos zu verstauen. Deren entsetzter Blick brachte uns alle zum Lachen.

Brooke hielt ihren Bauch vor Lachen, während sich das Paar ein Wortgefecht lieferte, welches seinesgleichen suchte. Ich konnte nicht anders als sie anzusehen, meine Frau. Noch konnte ich gar nicht begreifen, dass wir nun verheiratet waren.

„Du starrst", flüsterte sie mir zu und stützte ihren Kopf auf ihrer Handfläche ab.

„Willst du mir wieder einen Vortrag über Psychopathen halten?", fragte ich und beugte mich leicht zu ihr. „Dabei habe ich nur daran gedacht, wie schön du heute bist." Jetzt war ich derjenige, welcher flüsterte und ihr mit meinen Worten eine leichte Röte in die Wangen stiegen ließ.

Ich gab es Brooke gegenüber nicht offen zu, genauso wenig, wie sie es mir gegenüber tat, denn ich glaubte fest daran, dass es in ihrem Inneren nicht anders war, aber tatsächlich hatte sie sich in mein Herz geschlichen. Ein Leben ohne sie konnte ich mir kaum noch vorstellen.

Es war perfekt. Dieser Tag, der gemeinsame Abend im Restaurant, umgeben von unserer Familie, das Essen, welches für ein paar Kilo mehr auf der Waage sorgte. Nichts wollte ich ändern. Bis wir von einem Klatschen unterbrochen wurden, Brooke regelrecht verängstigt wegzuckte und die Situation am Tisch sich schlagartig änderte.

„Es enttäuscht mich, dass ich nicht eingeladen war. Dabei dachte ich, dass wir eine besondere Beziehung zueinander haben." Ben trat an unseren Tisch und legte seine Hände auf Brookes Schultern. „Haben dir meine Geschenke gefallen?"

Sie sah mich leicht von der Seite an und in Brookes Augen spiegelte sich blanke Panik wider.

„Wir haben dich nicht eingeladen." Dad war der Erste, der seine Stimme wiedergefunden hatte und war dabei, sich zu erheben.

„Du solltest sitzen bleiben." Ben löste eine Hand von Brookes Schultern und griff an seinen Rücken, nur um ihr kurz darauf ein Messer an den Hals zu halten.

„John", flüsterte sie und griff unter dem Tisch nach meiner Hand.

„Ich muss schon sagen, dass ihr Frauen mich enttäuscht habt", begann er seinen Monolog und deutete auf Thalia. „Ich dachte immer, du wärst perfekt, aber nun bist du verdorben. Du hast Kinder mit einem anderen Mann, dabei hättest du diese genauso gut mit mir haben können. Doch scheinbar bist du wirklich nur eine kleine Schlampe."

Es kostete Matthew einiges an Überwindung, ruhig zu bleiben und sich nicht auf Ben zu stürzen, aber so lange dieser die Klinge seines Messers an Brookes Hals hielt, wagte es niemand von uns ihm ins Wort zu fallen, noch sich zu bewegen.

„Und du hast dich nie für meine Geschenke bedankt." Nun wandte er sich meiner Frau zu. „Aber vermutlich wusstest du nicht einmal davon, denn John hat sie vor dir versteckt. Er ist nicht gut für dich, aber ich werde dich vor ihm beschützen." Während er sprach, streichelte er mit dem Daumen seiner linken Hand über ihren Hals. „Aber dafür muss ich dich retten. Sonst bist du genauso beschmutzt wie Thalia und wir wollen ja nicht, dass du unbrauchbar bist."

Es passierte unglaublich schnell und das Nächste, was ich mitbekam, war Matthew, der sich auf Ben stürzte. Gemeinsam mit Dad beugte ich mich über Brooke, während wir mit Servietten versuchten, das Blut zu stoppen, welches aus der Stichwunde in ihrem Bauch kam. Beinahe unaufhaltsam trat es aus der Wunde und die Servietten waren innerhalb kürzester Zeit rot verfärbt.

„John", flüsterte sie und war kaum noch dazu in der Lage, ihre Augen offenzuhalten. „Das Baby."

Diejenigen unter euch, die mir schon länger folgen, wissen, was nun kommt. Nächste Woche erwartet euch das Finale und dieses erfolgt wie immer als Lesenacht. Wann und zu welcher Uhrzeit wir genau starten, werde ich im Laufe der Woche noch bekannt geben. Bis dahin viel Spaß.
❄️

Die Assistentin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt