16

2.1K 133 30
                                    

Brooke

„Die Aufgaben waren nicht zu schaffen." Ich lachte, während John vor mir auf dem Stuhl saß und ich versuchte zu retten, was zu retten war. Dass ich ihm jemals in meiner Küche die Haare schneiden würde, hätte ich nie angenommen.

„Das war auch so beabsichtigt. Ich wollte sehen, wie sie unter Stress arbeiten."

Vor zwanzig Minuten kam er hier an und bei seinem Anblick trieb es mir die Tränen in die Augen. Vor Lachen. Sein Bart war kürzer. Er hatte ihn nicht ganz abrasiert und wenige Millimeter stehen lassen, was wirklich eine Verbesserung war. Aber seine Haare. Scheinbar hatte er selbst versucht, sie zu schneiden, und es war mehr als schiefgelaufen.

Ich schickte ihn ins Badezimmer, damit er sich die Haare waschen konnte und in der Zwischenzeit suchte ich nach einer Schere, die dazu geeignet war, Haare zu schneiden, um das Ganze nicht noch schlimmer zu machen.

„Wer ist deiner Meinung nach geeignet?", fragte er mich, während ich vorsichtig schnitt. Ich wollte es zumindest grade schneiden. „Mir war die Blondine ganz sympathisch."

„Natürlich war sie das. Du hättest nur einmal mit dem Finger schnippen müssen und sie hätte sich vor dir auf dem Tisch gerekelt." Mir kam es mutig vor, dass er sie in meiner Gegenwart so offen erwähnte, wo ich doch mit einer Schere an seinem Nacken hantierte. „Sie ist raus. Abgesehen von der fehlenden Sympathie hat sie nicht eine einzige Aufgabe erledigt."

„Dann soll es so sein", meinte er belanglos. „Die anderen beiden waren aber auch nicht herausragend. Sollen wir die Stelle erneut ausschreiben?"

„Ich glaube nicht, dass das nötig sein wird." Ich schnitt erneut und war mit meinem bisherigen Ergebnis recht zufrieden. „Miles hat als Einziger die Aufgabe mit der höchsten Priorisierung erledigt."

John bewegte sich nicht viel, während ich mit seinen Haaren beschäftigt war, aber ein leichtes Kopfnicken seinerseits bekam ich mit. „Das stimmt. Aber findest du nicht, dass er etwas zu jung ist?"

„Ist das nicht gut?", fragte ich ihn und legte die Schere zur Seite. Mit meinen Händen griff ich dann in sein Haar und zog leicht daran, um zu prüfen, ob es auf beiden Seiten dieselbe Länge hatte. „Ich kann mir vorstellen, dass man ihn noch gut formen kann."

„In welcher Hinsicht möchtest du ihn denn formen?"

Der Unterton in seiner Stimme entging mir nicht und ich griff erneut zur Schere, um noch einige Verbesserungen vorzunehmen. „Beruflich, du Lüstling und diesen Unterton kannst du lassen. Ich denke, wir beide vertreten in dieser Hinsicht denselben Standpunkt."

„Berufliches und privates trennen", meinte er. „Es wäre mit zu viel Aufwand und Drama verbunden, wenn eine private Beziehung in die Brüche geht und man sich weiterhin den Arbeitsplatz teilen muss."

„Bekomme ich für Miles grünes Licht?", fragte ich ihn. „Etwas mehr Testosteron würde der Firma ganz guttun."

Belustigt schnaufte John auf. „Ich dachte, ich sorge schon für genug?"

„Du sorgst in erster Linie für Drama. Bridget hat mir heute ausdrücklich klargemacht, dass du ihr vorbehalten bist. Immerhin ist sie schon seit Jahren an dir dran und wird sich von niemanden verdrängen lassen."

„Erinner mich nicht an diese Frau."

„Warum denn nicht, Johnny?", gab ich gespielt naiv von mir. „Sie hat dich anvisiert und wartet nur noch auf ihre Gelegenheit."

„Ich warte nur auf die passende Gelegenheit, um sie feuern zu können. Aber bisher hat sie sich immer aus der Schlinge gewunden." John klang genervt und ich konnte ihn verstehen. Auch Thalia kam nie mit ihr klar und Nora, welche Bridgets Schwester war, war auch nicht gut auf sie zu sprechen. „Wo hast du eigentlich gelernt Haare zu schneiden?"

Ich zuckte mit den Schultern und prüfte mein Werk. „Ich schätze, man bringt es sich selbst bei, wenn man in Armut aufwächst. Meine Mutter hat sich wenig um mich gekümmert und ab und zu brauchte ich einen Haarschnitt. Aber meine ersten Versuche waren alles andere als glorreich."

Ein letztes Mal fuhr ich mit meinen Händen durch seine Haare, um sicherzugehen, dass ich nichts übersehen hatte. Ich hatte wirklich nur ein wenig abgeschnitten und er wirkte nun nicht mehr so verwahrlost wie die letzten Tage.

„Ich bin fertig."

In dem Moment, in welchen ich meine Hände von ihm nahm, griff er nach diesen. „Mach weiter."

Verdutzt sah ich auf ihn herab. „Ich soll mehr abschneiden?"

„Nein", sprach er ruhig. „Du sollst weiter mit deinen Fingern durch meine Haare. Das ist schön."

Natürlich war es ein schönes Gefühl. „Ich genieße es auch bei jedem Friseurbesuch, wenn sie mir die Kopfhaut massieren." Oder wenn ich einen Partner hatte und dieser mit meinem Haar spielte. Es war einfach zu lange her, dass mich jemand auf diese Weise berührt hatte. Also beschloss ich John diesen Gefallen zu tun und spielte noch etwas mit einigen Strähnen. Natürlich nur, um unseren momentanen Waffenstillstand zu untermauern. „Sie sind noch lang genug. Ich könnte dir kleine Zöpfe flechten."

„Nie im Leben." Zwar lachte er, doch ich war mir sicher, dass John aus der Haut fahren würde, wenn ich ihm die Haare flechten würde.

Eine gewisse Zeit war es still zwischen uns, bis er erneut das Wort ergriff. „Ich habe mich nie bei dir entschuldigt."

„Wofür genau?"

„Für deinen ersten Arbeitstag", gab er kleinlaut von sich. „Ich habe mich mehr als unangemessen verhalten."

„Das stimmt. Eigentlich hatte ich vor dir eine Ohrfeige zu verpassen, aber es war mein erster Tag und ich wollte es mir nicht sofort mit der Geschäftsleitung verscherzen." Ich hatte ja keine Ahnung, dass John Teil eben dieser war. „Aber es ist schon so viele Jahre her, dass ich es nicht mehr schlimm finde. Du hast es ja nie wieder getan."

„Das ist alles, aber nicht egal!" John erhob sich von seinem Stuhl und vor lauter Schreck trat ich einen Schritt zurück. „Es sollte dir nicht egal sein und es tut mir wirklich leid, wie ich mich damals verhalten habe."

Ich sah ihn an und wäre es nicht John gewesen, hätte ich mich vermutlich verängstigt in eine Ecke gekauert. „Du bist mir näher als jeder andere Mann und ich behaupte, dass wir uns gegenseitig besser kennen, als es einige vermuten würden. Wenn du mir sagst, dass es dir leidtut, dann nehme ich deine Entschuldigung an. Aber du wirst es nie wieder tun. Da bin ich mir sicher. Immerhin haben wir beiden unseren Standpunkt mehr als einmal deutlich gemacht."

„Welchen Standpunkt?", fragte er und zog seine Stirn kraus. Es sah lustig aus, wie er mit verwuschelten, nassen Haaren vor mir stand und ein Handtuch über seine Schultern lag.

„Na, dass wir beide keinerlei körperliches Interesse füreinander empfinden", erklärte ich ihn. „Für mich siehst du vom Kopf abwärts aus wie Ken."

John nahm sich das Handtuch von seinen Schultern und hing es über die Lehne des Stuhls, auf welchen er bis vor wenigen Augenblicken noch gesessen hat. „Wie Barbies schwuler Freund also?" Seine Stimme war tief und rau, während er auf mich zuging.

Mit jedem Schritt, den er auf mich zukam, machte ich einen zurück, bis ich gegen die Arbeitsplatte stieß. „Was wird das?"

Meine Lieben.
Es wird dieses Jahr nur noch ein Kapitel aus dem Leben unserer Lieblingsassistentin geben und dieses wird nächsten Mittwoch erscheinen. Ab 1.12. gibt es mein Adventskalender und wer nicht auf Spoiler steht, sollte ihn besser nicht lesen.
❄️

Die Assistentin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt