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John

„Das hat sie nicht wirklich gesagt!" Thalia lachte. Dabei klang die wie eine Hexe und schien sich gar nicht mehr beruhigen zu wollen. Nichts erinnerte mich an das glockenklare Lachen, welches sie früher hatte.

Wir telefonierten seit ungefähr dreißig Minuten miteinander und natürlich hatte ich ihr davon berichtet, was zwischen mir und Brooke vorgefallen war. Mal wieder.

„Ich bin dein Bruder und du solltest auf meiner Seite sein."

Ihr Lachen war plötzlich verstummt. „Du hast ihr indirekt gesagt, dass du sie als Frau nicht attraktiv findest und wunderst dich darüber, dass sie dir die Tür vor der Nase zuschlägt? Du bist damit zu weit gegangen. Am besten entschuldigst du dich bei ihr."

„Nie im Leben!", empörte ich mich. „Sie ist doch selbst daran schuld."

„Keine Frau möchte solche Worte hören."

Egal was meine Schwester sagte oder welche Argumente sie vorbrachte, ich würde mich nicht bei Brooke entschuldigen. „Ich habe meinen Standpunkt klargemacht und dieser wird sich nicht ändern. Wenn ich könnte, würde ich sie aus der Firma werfen. Noch nie hat es jemand gewagt, so mit mir zu sprechen."

Scheinbar hatte ich etwas Amüsantes gesagt, denn Thalia begann wieder zu lachen und erneut musste ich an die Hexe des Westens denken. Seit wann lachte sie denn so? Lag das an der Schwangerschaft? Man konnte ja fast Angst bekommen.

„Du wirst sie nicht entlassen. Dafür ist sie zu wichtig", brachte sie die Tatsache auf den Punkt.

„Nur, weil wir momentan keine andere Option haben. Aber ich könnte ihre Stelle ausschreiben lassen."

„Eigentlich meinte ich damit nicht die Firma", stöhnte Thalia ins Telefon. „Du bist manchmal schwer vom Begriff."

„Was hast du eben gesagt?"

„Egal. Irgendwann kommst du schon noch darauf. Was macht Brookes Wohnung? Wie weit sind die Renovierungsarbeiten?"

Da war sie wieder. Die Lüge, welche wir Thalia erzählt haben, damit sie nicht von Ben und dessen Übergriff auf Brooke erfährt.

„Anscheinend sind nur Stümper am Werk. Es wird wohl noch etwas dauern, bis sie wieder in ihre Wohnung kann."

„Dann bleibt sie eben in meiner. Ist ja nicht so, als hätte ich vor, so schnell wieder zu Besuch zu kommen." Während sie sprach, stöhnte sie ins Telefon.

„Ist alles in Ordnung?" Ich machte mir Sorgen um meine kleine Schwester und ihre ungeborenen Kinder. Eine Zwillingsschwangerschaft war immer mit Risiken verbunden und nur weil sie bei Matthew in den besten Händen war, hieß es nicht, dass ich mir keine Gedanken machte.

„Um ehrlich zu sein, machen die zwei es mir heute echt schwer. Ich weiß nicht, was sie da drin veranstalten, aber es tut wirklich weh."

„Ist das normal?" Ich hatte wirklich keine besondere Ahnung von Schwangerschaften und Thalia war erst am Ende des sechsten Monats.

„Ich habe morgen einen Termin bei meinem Arzt. Vielleicht sind sie heute einfach nur sehr mobil oder veranstalten einen Boxkampf da drin. Dennoch möchte ich es abklären lassen." Kurz war die still, bevor sie weiter sprach. „Aber um ehrlich zu sein habe ich öfters mal Schmerzen. Doch die Ärzte haben bisher nichts gefunden."

Wie konnte sie, als erwachsene Frau, nur so sein? „Vermutlich weiß Matthew nichts davon, oder?"

„Er würde mich ans Krankenbett fesseln und unter ständige Beobachtung stellen", sprach sie. „Du weißt doch, wie er ist. Nicht einmal der Kater darf auf meinem Bauch liegen."

Die nächste Stunde verbrachte Thalia damit, mir ihr Leid zu klagen und mein schlechtes Gewissen nagte schrecklich an mir. Matthew wachte mit Adleraugen über sie und sie hatte das Gefühl, unter ständiger Beobachtung zu stehen. Vermutlich lag sie damit nicht einmal verkehrt. Er hatte mit Sicherheit Vorkehrungen in dieser Hinsicht getroffen, auch wenn Ben sich noch immer hier umhertrieb und Thalia nicht aufgespürt hatte.

Der Gedanke daran, dass er es irgendwie schaffen könnte, eine der beiden in seine schmutzigen Finger zu bekommen, machte mich unglaublich wütend. Es war diese rasende und verzweifelte Wut, denn ich konnte nicht alles beeinflussen.

Allen voran Brooke mit ihrem Dickschädel und ihren Stimmungsschwankungen machte es mir schwer. Sie war einfach ein Buch mit sieben Siegeln und schien es sich einzig und allein zur Aufgabe gemacht zu haben, mich in den Wahnsinn zu treiben.

„Bist du noch da?" Thalias Stimme riss mich irgendwann aus meinen Gedanken und mir wurde bewusst, wie viel ich von ihrem Monolog verpasst hatte.

„Ja, ich bin noch dran."

„Und was soll ich deiner Meinung nach tun?"

Verdammt! Sie hatte irgendetwas gefragt und ich konnte ihr nicht antworten, weil ich nicht zugehört hatte. „Ähm" begann ich zu stottern und versuchte mich irgendwie aus dieser Situation zu retten. „Ich kann dir leider nicht weiterhelfen."

„Du hast mir nicht zugehört!", beschwerte sie sich und ich konnte es nicht einmal abstreiten. „Geh doch einfach zu Brooke und entschuldige dich!"

„Warum sollte ich das tun? Ich habe nichts falsch gemacht! Wie ich ihr bereits gesagt habe, wenn sie mit der Wahrheit nicht umgehen kann, sollte sie nicht danach fragen."

Meine Schwester murmelte irgendetwas in ihr Telefon, das ich nicht direkt verstand. Also fragte ich nach, was sie eben gesagt hatte und ihre Antwort hatte es in sich.

„Du solltest der Wahrheit langsam ins Auge sehen!", fuhr sie mich regelrecht an. „Du bist es gewohnt, dass alles Weibliche mit dir zusammen sein will. Sie fallen vor dir regelrecht auf die Knie, wollen dir gefallen und tun immer das, was du von ihnen verlangst. Kein Wunder, dass du so von dir eingenommen bist. Brooke ist anders und das war sie von Anfang an. Sie will dir nicht gefallen und vor dir auf dem Boden kriechen. Als sie damit begann für uns zu arbeiten, begegnete sie jedem der es verdiente auf Augenhöhe und du stellst keine Ausnahme dar."

„Jetzt beruhige dich." Ich klang wie ein beleidigter Junge, aber sie war noch nicht fertig.

„An ihrem ersten Tag hast du ihr einen Klaps auf den Po gegeben und Brooke hat dir sofort die Grenzen aufgezeigt. Danach hast du sie stets ignoriert und das hat funktioniert. Solange bis ich gegangen bin und du dich unweigerlich mehr mit ihr beschäftigen musstest. Es ist ein Wunder, dass sie dir noch nicht die Augen ausgekratzt hat, denn an ihrer Stelle hätte ich es getan. Sieh zu, dass du dich bei ihr entschuldigst. Nicht nur für deine verletzende Aussage heute. Fang am besten am Anfang an."

Ich schwieg, während Thalia mir weiterhin den Kopf wusch. Ihre Worte trafen mich, denn sie hatte recht. Ich war ein Arschloch und das nicht nur in Bezug auf Brooke.

Die Assistentin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt