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Brooke

Ich komme heute später. Muss noch zu einem Meeting mit meinem Boss. Sei nicht böse.

Ich hoffte wirklich, dass er es verstehen würde. Eigentlich wollten mein Freund und ich heute Abend ins Kino gehen, aber Norman, mein Chef, hatte mich zum Feierabend noch einmal in sein Büro bestellt, um etwas mit mir zu besprechen. Vor ein paar Monaten hätte ich noch keine Ahnung gehabt, was ich getan haben könnte, um in sein Büro zitiert zu werden, aber mittlerweile wusste ich, dass es nur an John liegen konnte.

Was hatte ich diesem Mann getan, um so von ihm behandelt zu werden? Früher sind wir gut miteinander ausgekommen, während er mittlerweile scheinbar versuchte, mir das Arbeiten hier zu vermiesen. Er hatte eine klare Meinung zu mir, denn er nannte mich nie beim Namen. Immer, wenn wir zwei aufeinandertrafen, nannte er mich: Assistentin.

Bevor Thalia nach D.C. ging hätte er durchaus recht damit gehabt, aber nun war ich diejenige, die eine Assistentin hatte. Doch scheinbar war es ihm egal.

Ich wusste, dass ich gute Arbeit leistete und wenn ich mir doch einmal unsicher war, rief ich Thalia an und fragte sie nach ihrer Meinung. Immerhin war meine Position einmal ihre und sie hatte weitaus mehr Erfahrung in der Branche als ich. So war es auch bei dem aktuellen Medikament, welches unter Johns Leitung entwickelt wurde. Die Tests verliefen ohne nennenswerte Komplikationen, aber normalerweise dauerte es im Schnitt zwei Jahre, bis wir ein Medikament an die Öffentlichkeit brachten. John hatte für seines gerade einmal sechs Monate benötigt und das machte mich stutzig.

Obwohl sie schwanger war und mitten in einem Umzug steckte, rief ich Thalia an, um mir ihre Meinung dazu anzuhören, und sie war ganz auf meiner Seite. Sie wollte John eine E-Mail schreiben. Entweder hat er sie nicht gelesen oder sie hat es vergessen. Sie meinte zwar, dass sie nicht viel vergisst, gab aber zu, dass es durchaus Situationen gab, in welcher die sogenannte Schwangerschaftsdemenz gnadenlos zuschlug.

Ich beneidete Thalia um ihren Verlobten und ihre Schwangerschaft. Nicht, dass ich unbedingt ein Baby brauchte, aber mein Freund hatte mir bereits klargemacht, dass er die nächsten fünf Jahre nicht vorhatte, Kinder in die Welt zu setzen und sein Augenmerk auf seiner beruflichen Karriere lag. Wir waren aber auch erst ein paar Monate zusammen.

Ich habe ihn zufällig vor dem Bürogebäude, in welchen ich arbeitete, kennengelernt und wir kamen ins Gespräch. Anfangs hatte er noch großes Interesse daran gezeigt und mir viele Fragen über mein Aufgabenbereich und meine Kollegen gestellt, aber das hatte sich mittlerweile gelegt und er fragte nur noch gelegentlich nach der Familie St.James.

Ich arbeitete meine letzten Aufgaben für diesen Tag ab, bevor ich mich auf den Weg zu Norman ins Büro machte. Obwohl ich wusste, dass ich nichts falsch gemacht hatte, fühlte sich mein Magen an, als würde man ihn zusammendrücken. Irgendwann würde John dafür sorgen, dass ich ein Magengeschwür bekam und er wäre der Grund dafür. Vermutlich hätte er sogar seine Freude daran.

„Was hast du denn diesmal fabriziert?"

Diese Stimme würde ich unter Hunderten erkennen. Während ich auf den Fahrstuhl wartete, welcher mich in die Chefetage bringen würde, musste ich dieser absolut nervigen Person begegnen. Mit aufgesetztem Lächeln drehte ich mich um und sah falsche Wimpern und eine Unmenge an Make-up.

„Solltest du nicht unten am Empfang sitzen und dir deine Nägel lackieren?"

Bridget grinste mich beinahe diabolisch an. „Ich muss aus dem Lager Kopierpapier holen und da habe ich dich sofort erkannt. Deinen walk of shame wollte ich mir nicht entgehen lassen. Johnny hat es sich scheinbar zur Aufgabe gemacht dich loszuwerden. Zumindest haben es alle in der Kantine mitbekommen, dass du seine Arbeit boykottierst."

Daraufhin brauchte ich nichts mehr zu erwidern. Es war eigentlich klar, dass er mit seiner Meinung nicht hinterm Berg halten und mich vor allen bloßstellen würde. Ich wandte Bridget meinen Rücken zu und betätigte erneut den Knopf des Fahrstuhls. Warum brauchte dieses verfluchte Ding nur so lange?

Als endlich das erlösende Ping ertönte, hechtete ich regelrecht hinein und drückte mehrmals den Knopf für die Chefetage. Bloß schnell weg. Ein Gespräch mit Norman war mir alle Male lieber, als mich weiter mit Bridget auseinandersetzen zu müssen. Während sich die Tür schloss, erkannte ich, dass sie noch immer im Gang stand und mir mit ihrem Mittelfinger winkte. Blöde Kuh!

Während der Fahrstuhl sich in Bewegung setzte, wiederholte mein Kopf immer wieder, dass ich nichts falsch gemacht hatte. Wie ein Mantra wiederholte ich es wieder und wieder. Keine zwei Minuten später stand ich bei Norman vor dem Büro und klopfte an dessen Tür.

Ich hatte nichts falsch gemacht.

„Herein", ertönte aus dem Inneren und ich atmete ein letztes Mal tief ein. Dann drückte ich die Klinke nach unten und betrat das Büro.

„Da bist du ja, Brooke", begrüßte Norman mich und zeigte auf den freien Stuhl, welcher an der gegenüberliegenden Seite seines Schreibtisches stand. „Setz dich."

Scheinbar hatte er hervorragende Laune und sein Lächeln nahm mir meine Aufregung. Ich nahm auf dem Stuhl platz und faltete meine Hände in den Schoss.

„Du kannst dir wahrscheinlich denken, warum du hier bist", begann er das Gespräch.

Gerade als ich mich rechtfertigen wollte, hob er seine Hand und ich beschloss, dass es wohl besser war zu schweigen.

„Lass es uns etwas einfacher machen. Ich weiß, dass John vermutlich seine Ohren überall hat. Deswegen werde ich gleich etwas lauter, damit er denkt, dass ich dich zurechtweise." Selbst jetzt verschwand sein Lächeln nicht. „Aber sei dir sicher, dass du nichts falsch gemacht hast. Die Studie läuft noch mindestens ein Jahr und da kann er sich auf den Kopf stellen wie er will. Bereit?"

Nun musste auch ich lächeln und nickte ihm stumm zu. Die nächsten zehn Minuten schrie Norman alles Mögliche, während ich mir das Lachen verkneifen musste. Aber zumindest erfuhr ich, dass Thalia einen Sohn und eine Tochter bekommen würde und er unheimliche Angst vor seiner nächsten Kreditkartenabrechnung hatte, da Josephine wohl sofort zum Einkaufen aufgebrochen war, als sie davon erfuhr.

„HAST DU VERSTANDEN?", waren die letzten Worte, die er mir entgegenschrie und erneut nickte ich ihm zu, ohne einen Ton von mir zu geben. „Dann kannst du nun gehen."

Ich verabschiedete und erhob mich, um endlich Feierabend machen zu können. Bei der Tür angekommen, rief er noch einmal meinen Namen und ich drehte mich zu ihm.

„Du bist wirklich gut in deinem Job. Nicht einmal von John lässt du dich aus dem Konzept bringen. Mit der nächsten Lohnabrechnung bekommst du eine Gehaltserhöhung."

Die Assistentin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt