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Brooke

„Bist du krank?" Beinahe entsetzt sah ich John an, der zufrieden an meinem Schreibtisch lehnte und Miles hinterher sah, welcher regelrecht durch den Flur in Richtung des Fahrstuhls zu schweben schien.

„Was meinst du?" Das Lächeln, welches er in seinem Gesicht trug, hätte mir beinahe Angst machen können. „Ich habe dem Jungen einen Gefallen getan und seinen Job für fünf Jahre gesichert."

Ich nahm mir meine Sachen und beschloss zu gehen. „Du bist doch betrunken. Das tue ich mir nicht an. Ich wünsche dir noch einen schönen Abend." Ich verließ mein Büro, wurde aber von John verfolgt.

„Bist du böse auf mich?", fragte er und schien sich keinem Fehler bewusst zu sein. „Ich dachte, du magst den Jungen."

„Das hat doch gar nichts damit zu tun", fuhr ich John an und blieb stehen, um mich zu ihm umzudrehen. „Hast du denn keinen Bezug zu Geld? Du kannst nicht einfach Miles Kredit zahlen."

Er schien meine Worte nicht so recht zu verstehen. „Warum nicht? Er hat zugestimmt, den abgeänderten Vertrag zu unterzeichnen. Miles verdient zwar dadurch etwas weniger, muss sich aber keine Gedanken mehr darüber machen, wie er die Summe schnellstmöglich zurückzahlt. Sollte er kündigen oder sonstigen Mist bauen, muss er nicht nur die Summe auf einen Schlag zurückzahlen, es wird sogar eine Strafgebühr fällig. Somit sind wir auf der sicheren Seite."

„Ich das überhaupt legal?" John schien seinen Verstand zu verlieren und ich war überhaupt nicht gewillt ihn dabei zu unterstützen oder sein Handeln gutzuheißen.

„Zur Hölle, Brooke! Was ist dein Problem?", fuhr er mich an. „Es ist ein Vertrag. Zwischen ihm und mir. Du solltest nicht vergessen, dass ich über dir stehe und somit die Entscheidungen treffe. Wenn es dir nicht passt, dann versuche zumindest einmal nicht alles zu kommentieren und halte deinen Mund."

Seine Worte verletzten mich und in meinem Stolz beschloss ich, seiner Anweisung folge zu leisten. Mit meiner Handtasche in der einen und meinem Mantel in der anderen Hand verließ ich mein Büro. Sollte dieser arrogante Kerl doch machen, was er wollte. Es war mir egal. Am Ende des langen Flures betätigte ich den Knopf für den Fahrstuhl.

„Jetzt sei doch nicht beleidigt", rief er mir hinterher. Doch ohne mich noch einmal zu ihm umzudrehen, erhob ich meine rechte Hand, um John meinen Mittelfinger zu präsentieren. Dann betrat ich den Fahrstuhl, der glücklicherweise genau im richtigen Moment eintraf.

Doch gerade als ich dachte, ich wäre ihm entkommen, hörte ich, wie die sich schließenden Türen durch etwas blockiert wurden und sich erneut öffneten.

„Ich muss noch etwas aus meinem Büro holen, danach können wir fahren." Er sprach mit einer Ruhe und Gelassenheit, dass selbst ich beinahe vergaß, in welcher Art er bis eben mit mir gesprochen hatte. „Den Fahrer habe ich für heute abbestellt."

„Du brauchst mich nicht zu fahren." Mein Stolz verbot es mir, mich jetzt wieder von ihm einlullen zu lassen. „Ich nehme mir ein Taxi und fahre selbst nach Hause." Meine Worte hatten noch nicht einmal ganz meinen Mund verlassen, als ich seine Präsenz dich hinter mir spürte.

„Wir fahren nicht zu dir", flüsterte er in mein Ohr, während er sich zu mir nach untern beugte. „Aber bevor du gleich wieder in die Luft gehst, wir fahren auch nicht zu mir. Ich werde meine Sachen holen und dann gehen wir etwas essen."

Mein Blick, welchen ich ihm entgegenwarf, als ich meinen Kopf in seine Richtung drehte, muss eine Mischung aus Skepsis und Misstrauen widergespiegelt haben, denn genauso fühlte ich mich. „Willst du mich verarschen? Warum sollte ich mit dir essen gehen?"

John entfernte sich von mir. „Du wirst hier warten, bis ich wieder zurück bin. Dann werden wir etwas essen und dabei werde ich dir die Videos und Bilder zeigen, die Mom mir von meiner bezaubernden Nichte und meinem charmanten Neffen geschickt hat."

Mit einem Schlag war meine schlechte Laune dahin und ein Gefühl von Freude und Erleichterung durchflutete mich. „Die Babys sind da?" Meine Stimme muss mehrere Oktaven höher als üblich gewesen sein und John sah mich nur an und lächelte.

„Du wartest hier", wies er mich an und ich verschwendete keinen Gedanken mehr daran, ihn einfach stehenzulassen, um mich alleine auf den Weg nach Hause zu machen.

Viel zu sehr wollte ich wissen, wie es Thalia und ihren Kindern ging. Also wartete ich die wenigen Minuten, bis er erneut zu mir in den Fahrstuhl kam. Ich fühlte mich wie ein kleines Kind zu Weihnachten und wollte am liebsten sofort mit meinen Fragen anfangen, damit ich die Antworten bekam, auf die ich so brannte. Doch ich musste mich gedulden. Ich kannte John lange genug, um zu wissen, dass er mir keine Frage beantworten würde, bis wir im Restaurant waren. Tatsächlich vermutete ich, dass er es sehr genoss, mich im Unklaren zu lassen.

Die Zeit, bis wir in dem Restaurant ankamen, und es war wirklich eine lange Autofahrt, verlief schweigend. Nur einmal unterbrach ich die Stille und wollte eine Frage stellen. Doch er schüttelte nur mit seinem Kopf und meinte, ich müsse mich in Geduld üben. John hatte einen zufriedenen Gesichtsausdruck, der nur in seltenen Momenten fast belustigt wirkte. Meist dann, wenn ich ungeduldig auf dem Beifahrersitz hin und her rutschte. Ich war eindeutig viel zu neugierig und es zerfraß mich beinahe nicht zu wissen, was er bereits wusste.

In meinem Kopf hatte ich mir bereits eine Liste mit den Fragen zusammengestellt, mit welchen ich ihn bombardieren würde, sobald er mir die Gelegenheit dazu gab. Am meisten jedoch war ich auf die Namen der Zwillinge gespannt. Thalia hatte mehr als einmal deutlich gemacht, dass sie von der Tradition, den Namen es Großvaters weiterzugeben, wenig bis gar nicht angetan war.

Als ich endlich das Gebäude, welches unser Ziel darstellte, in wenigen Metern Entfernung erblickte, gab es für mich beinahe kein Halten mehr. John hatte noch nicht einmal den Motor abgestellt, nachdem er einen Parkplatz gefunden hatte, als ich bereits ausstieg und zum Restaurant lief.

„Würdest du vielleicht auf mich warten?"

John rief nach mir und ich blieb abrupt stehen. Alleine am Tisch würde ich wohl keine Antworten bekommen. Es blieb mir nichts anderes übrig, außer auf meinen Begleiter zu warten, und wenn er sich noch länger Zeit gelassen hätte, wäre ich wohl vor Neugier gestorben.

„Du lässt dir doch absichtlich so viel Zeit", sprach ich, als er bei mir ankam. „Wenn ich das vorher gewusst hätte, hätte ich Thalia angerufen."

John lächelte mich an. „Das hättest du nicht. Du würdest sie nie so kurz nach der Geburt anrufen." Er öffnete mir die Restauranttür und ließ mich eintreten. „Du hättest Angst, dass du sie stören würdest."

Er hatte nicht unrecht. Obwohl ich mehr Angst davor hätte, die Babys zu wecken, wenn ich sie anrufen würde. Es wäre mit einem Baby schon anstrengend. Kaum auszudenken wie es mit Zweien sein musste.

Die Assistentin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt