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John

Als ich erwachte, brauchte ich einen Moment, um zu realisieren, dass ich nicht in meiner Wohnung auf meinem Sofa lag.

Warum schlief ich auf dem Sofa? Noch dazu in einer Wohnung, welche nur meine war? Es dauerte nochmals etwas, bis ich mitbekam, dass ich zugedeckt worden war.

Brooke saß an meinem Fußende und aß die Eiscreme, welche Mom und Dad mitgebracht hatten, während im Fernseher irgendein Film lief, der mich nicht interessierte. Sie hingegen verfolgte ihn gespannt und bemerkte dadurch nicht, dass ich sie beobachtete.

„Wie kannst du etwas essen, nachdem was Mom uns vorhin vorgesetzt hat?", fragte ich und amüsierte mich darüber, wie Brooke erschrak.

„Du bist wach", stellte sie fest.

„Zumindest bin ich nicht gestorben." Ich setzte mich auf und mein Magen fühlte sich an, als würde er noch immer rebellieren.

Brooke griff nach etwas, was vor ihr auf dem Tisch lag. „Die habe ich vorhin im Schrank gefunden."

Sie reichte mir ein Tablettenblister und nach einem Blick auf die Rückseite erkannte ich, dass es sich um ein Mittel zur Beruhigung für den Magen handelte.

„Ich denke, dass sie von Thalia sind." Während sie sprach, sah sie wieder auf den Fernseher und aß.

Ein hoch auf meine Schwester. Sie kannte genauso gut wie ich, die nicht vorhandenen Kochkünste unserer Mutter. Als Mom vorhin auf die Idee kam, mal eben etwas für uns alle zu kochen, haben Dad und ich noch versucht, sie davon abzuhalten. Brooke hingegen verstand nicht, warum wir das taten. Bis sie beim gemeinsamen Essen den ersten Bissen nahm. Ihr Blick sprach Bände.

Nach dem Essen hatten meine Eltern sich verabschiedet, während ich mit meinem Magen darum kämpfte, das zu mir Genommene drin zu behalten.

„Hat dein Vater einen Magen aus Stahl? Er hat nicht eine Miene verzogen."

„Diese Frage habe ich mir selbst oft genug gestellt. Ich bin mit ihrem Essen aufgewachsen und vertrage es bis heute nicht." Ich drückte eine Tablette aus dem Blister und nahm diese, ohne etwas zu trinken, ein.

Es war verrückt. Ich konnte nicht so recht nachvollziehen, wie Brooke und ich es geschafft hatten, in den letzten Wochen so vertraut miteinander umzugehen.

„Was geht dir durch den Kopf?", fragte sie. Scheinbar konnte sie mich wie ein Buch lesen.

„Wenn wir am Montag auf der Arbeit sind, darf das alles hier keinerlei Einfluss auf uns haben", machte ich meinen Standpunkt klar. „Ich bin noch immer dein Vorgesetzter."

Entsetzt sah sie mich an. „Soll das etwa heißen, dass wir unsere Pausen nicht miteinander verbringen?"

Ich sah Brooke an und wusste nicht so recht, wie ich ihr das erklären sollte.

Doch sie lächelte nach einigen Sekunden und nickte mit ihrem Kopf. „Keine Sorge. Ich habe nicht vor, zum Gesprächsthema zu werden, weil ich dir andauernd am Hintern hänge. Bridget würde vermutlich die Meute anführen, welche mich mit Fackeln aus der Firma jagt."

„Ich glaube, damit könntest du recht haben", bekräftigte ich ihre Aussage und nutzte die Situation, um ein weiteres Thema anzusprechen. „Du musst dir übrigens eine neue Assistentin suchen."

„Warum?"

„Weil ich deine gefeuert habe. Sie war nicht tragbar. Während deiner Abwesenheit hast du deine Arbeiten erledigt, obwohl es ihre Aufgabe war. Wenn man sie gesucht hat, war sie bei unserer Freundin am Empfang. Die Angestellten haben sich mehrfach über sie beschwert."

„Als ob es nicht ausreichen würde, wenn du von ihr genervt wärst", sprach Brooke ruhig. „Du bist dir über deinen Ruf doch mit Sicherheit bewusst."

Was sollte das denn heißen? „Ich nehme an, dass jeder seinen Chef auf irgendeine Art und Weise nicht ausstehen kann."

„Also Norman ist der Beste und ich glaube kaum, dass du jemand finden wirst, der ihn nicht mag."

Das tat sie doch mit Absicht. Natürlich konnte ich meinem Vater nicht das Wasser reichen. Dafür waren wir viel zu verschieden und er hatte schon immer diese ruhige und ausgeglichene Art, für welche er von allen Seiten bewundert wurde. Das musste Brooke mir aber nicht noch unter die Nase reiben.

„Und du bist auch nicht für dein ruhiges Wesen bekannt." Ich war lauter als gedacht, doch sie ließ sich davon nicht beeindrucken.

„Aber ich gehe mit jedem respektvoll um", verteidigte sie sich. „Es sei denn, derjenige benimmt sich von vornherein wie ein Arsch."

„Nennst du mich etwa Arsch? Denkst du etwa, dass man so mit seinem Vorgesetzten spricht?"

Dieses Gespräch lief in eine Richtung, die ich nicht beabsichtigt hatte. Aber so waren Brooke und ich und das würde sich, trotz momentaner Waffenruhe, wohl auch nie ändern.

„Denk doch was du willst." Brooke stand auf und ich tat es ihr gleich.

Während sie in die Küche ging und vermutlich ihre Eiscreme zurück ins Gefrierfach legte, faltete ich die Decke zusammen, nur um sie gleich darauf auf das Sofa zu feuern.

„Du hörst doch eh nur, was du willst", stocherte sie weiter und ich musste mich zusammenreißen, um nicht auszuflippen. „Hör zu", begann sie, während sie noch immer in der Küche war. „Ich bin dir wirklich dankbar, aber du weißt selbst, dass wir nicht miteinander klarkommen, sobald es auch nur irgendwie in die berufliche Richtung geht. Ein falsches Wort und einer von uns geht an die Decke", rief sie mir zu.

„Und daran bin ich schuld?"

„Daran sind wir beide Schuld. Du respektierst mich nicht, zumindest nicht auf beruflicher Ebene und ich weiß selbst, dass ich zu stur bin, um wortlos klein beizugeben."

Sie hatte recht. Es gab nichts, was ich sagen konnte, um sie vom Gegenteil zu überzeugen, denn alles, was die sagte, entsprach der Wahrheit. Aber eine Sache war da noch.

„Es gibt etwas, das ich gestehen muss", meinte ich ruhig und sah sie an, als sie wieder zurück ins Wohnzimmer kam.

„Und das wäre?" Brooke war ebenfalls ruhig und schien regelrecht entspannt zu sein. Sie vertraute mir scheinbar und das bewunderte ich an ihr. Viele andere Frauen, die in ihrer Lage waren, würden sich mir wohl nicht so entgegenstellen.

„Ich mag es, wenn wir diese Wortgefechte haben", gestand ich. „Auch wenn es mich in den Wahnsinn treibt."

Brooke sah mich mit großen Augen an. „Wie bitte?"

„Ich mag es. Alle anderen ziehen die Köpfe ein und sehen zu, dass sie schnell verschwinden. Du hingegen gibst nicht klein bei und hast genug in deinem Kopf um mir auf Augenhöhe zu begegnen. Auch, wenn du so klein bist."

„Natürlich kannst du mir kein Kompliment machen, ohne dass du in irgendeiner Weise einen dummen Spruch von dir gibst."

„Und du kannst es nicht einmal unkommentiert hinnehmen."

Die Assistentin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt