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John

Gestern Abend haben wir etwas getan, dass wir seit Monaten nicht mehr gemacht hatten und wir waren wie Kaninchen. Ich konnte mich nicht einmal mehr daran erinnern, wann wir das letzte Mal miteinander geschlafen hatten, aber allem Anschein nach hatten wir beide es nötig. Lag es an den Hormonen, dass Brooke scheinbar gar nicht genug bekommen konnte?

Irgendwann in den frühen Morgenstunden beendeten wir unser Tun und seitdem schlief sie wie ein Stein, während mein Kopf nicht richtig zur Ruhe kam. Mein Plan hätte nach hinten losgehen können, immerhin hatte ich Brooke jahrelang damit aufgezogen, dass sie nur eine Assistentin war. Der neue Posten, welchen sie nach ihrer Auszeit bekam, schien sie jedoch nicht zu stören. Im Gegenteil. Sie war dankbar für das Vertrauen und hatte es mehrmals gesagt, nachdem sie verstanden hatte, was für eine Chance ich ihr gab.

Brooke war aber nicht dumm. Sie wusste auch, dass ich es nicht ganz uneigennützig entschieden hatte. Ich wollte keinen Fremden mit etwas so Wichtigem beauftragen und vor allem wollte ich niemand Außenstehenden in der Leitung haben. Trotz Aufsichtsrat war und wird diese Firma in Familienbesitz bleiben und Brooke war meine Familie.

Es wäre gelogen, wenn ich nicht zugeben würde, dass ich es genoss, wenn sie so nah bei mir lag. Meistens klammerte sie sich nachts an dieses Kissen, welches aussah wie eine übergroße, dicke Schlange. Scheinbar half es ihr beim Schlafen, da der Bauch sonst im Weg war. Nun war ich der Ersatz für dieses und sie schlang ihren rechten Arm und das rechte Bein um mich, während ihr Kopf auf meinem Oberarm ruhte.

„Nur Psychopathen schlafen mit einander zugewandten Gesichtern", vernahm ich ein Flüstern und ich hob vorsichtig meinen Kopf, um auf die digitale Anzeige des Weckers zu sehen. Es war beinahe acht Uhr und ich wusste, dass das Baby auf Toilette wollte. Es war noch nicht mal auf der Welt und funktionierte bereits pünktlich wie ein Uhrwerk.

„Es ist schwer woanders hinzusehen, wenn du dich so an mich presst", gab ich zu, unternahm jedoch nichts, um an der Situation etwas zu ändern. „Soll ich uns etwas zu essen machen?"

Brooke schüttelte ihren Kopf und streckte sich, nur um sich kurz darauf aufzusetzen. „Ich habe keinen Hunger." Kaum hatte sie ausgesprochen, legte sie ihre Hände auf den kleinen Bauch.

In vier Tagen wäre sie im sechsten Monat, aber ich würde den Teufel tun und ihr sagen, dass ich darüber Bescheid wusste. Es wurmte mich auch noch nicht zu wissen, was es denn nun werden würde. Brooke beteuerte ebenfalls noch nichts zu wissen und mir blieb nichts anderes, als abzuwarten. Ich konnte ja kaum mit ihr zu einer der Untersuchungen gehen. Aber meiner Meinung nach war sie viel zu dünn. Etwas mehr auf der Hüfte würde ihr sicherlich guttun.

Gerade als ich dazu ansetzen wollte, ihr zu sagen, dass ich uns trotzdem etwas zum Frühstück vorbereiten wollte, konnte man hören, wie die Haustür laut ins Schloss fiel.

Brooke sah mich an und verkroch sich dann wieder unter die Decke, während ich derjenige war, welcher sich aufsetzte. Kurz überlegte ich, wie schnell es mir möglich wäre, zur Tür zu sprinten, um diese zu verschließen.

„Schlaft ihr noch?" Es war meine Mutter, welche plötzlich die Schlafzimmertür aufriss. Ich hatte tatsächlich vergessen, ihr den Schlüssel wegzunehmen. „Warum liegt ihr noch rum?"

„Mom!", fuhr ich sie an. „Raus hier!"

Anstatt unsere Privatsphäre zu achten, immerhin waren wir unter der Decke nackt, ging sie einfach zum Fenster und zog die Vorhänge zur Seite, um kurz darauf das Fenster zu öffnen. „Die Luft hier drin ist ja kaum auszuhalten."

„Mom!", rief ich erneut aus und kam mir vor wie ein Teenager, der noch zu Hause bei seinen Eltern wohnte. „Könntest du bitte den Raum verlassen?"

„Habe ich euch unterbrochen?" Sie schien wirklich nicht zu bemerken, was sie falsch gemacht hatte und somit starrte sie mich einige Zeit an, bis der Groschen fiel. „Um Himmels willen. Könnt ihr euch nicht etwas anziehen?"

„Du bist einfach in unsere Wohnung gekommen", rechtfertigte ich mich und beschloss schnellstmöglich die Schlösser auszuwechseln. „Würdest du bitte im Wohnzimmer warten?"

Sie verließ unser Schlafzimmer aber nicht, ohne noch einmal zum Besten zu geben, dass es an mir ja nichts gäbe, dass sie nicht kannte. Immerhin waren sie und Dad auch mal jung und scheinbar in ihrer Schwangerschaft mehr als aktiv. Konnte sie nicht einmal still sein? Es gab nicht wirklich viel, das mir peinlich war. Diese Situation zählte jedoch eindeutig dazu. Brooke, die sich noch immer unter der Decke versteckte, schüttelte sich regelrecht vor Lachen.

„Zumindest du hast deinen Spaß", meinte ich, nachdem ich die Decke leicht anhob und nach ihr sah. „Vermutlich haben wir nicht mehr als fünf Minuten. Du solltest ins Bad gehen und dich fertigmachen."

„Und du?", fragte sie mich mit hochroten Wangen.

Ich zuckte mit den Schultern. „Ich werde mir etwas anziehen und ihr einen Kaffee machen. Irgendwas will sie von uns, sonst wäre Mom nicht einfach so hier aufgetaucht." Langsam stieg ich aus dem Bett und ging in den begehbaren Kleiderschrank, um mir etwas Bequemes anzuziehen. Auf eine Dusche würde ich warten müssen, bis unser Besuch gegangen war. „Lass dir bitte nicht allzu viel Zeit", rief ich ins Badezimmer, aber vermutlich hörte sie mich unter der Dusche gar nicht.

Meine Mutter hatte es sich bereits im Wohnzimmer gemütlich gemacht und saß da, als wäre dieser unglaublich peinliche Moment niemals geschehen. „Ich habe mir einen Kaffee gemacht", rief sie, während ich auf dem Weg in die Küche war. Scheinbar mussten wir dringend über Grenzen sprechen und wie man diese nicht überschritt. „Braucht Brooke noch lange?"

„Du bist also nicht meinetwegen hier." Meine Feststellung bedurfte eigentlich keinem Kommentar. Natürlich war sie wegen Brooke so früh hier. Seitdem sie schwanger war, ging es eigentlich nur um sie und das Baby. „Wenn du wieder wegen einer Kinderzimmereinrichtung hier bist, muss ich dich leider enttäuschen."

Brooke hatte das Zimmer bereits eingerichtet, zumindest das Nötigste war vorhanden. Windeln und den ganzen anderen Kram würde sie wohl erst kurz vor der Geburt besorgen. Es war einfach gehalten. Weiße Möbel, hellgraue Wände und anscheinend hatte sie eine Vorliebe für Winnie Pooh. Es hingen einige Bilder im Retrostil an den Wänden. Ich ließ ihr weiterhin freie Hand und Brooke fragte mich nur nach meiner Meinung, wenn sie Angst hatte, dass es zu teuer werden könnte.

Mom zuckte mit den Schultern. „Ich weiß. Es gab eine kleine Diskussion, da wir für Maddie und Tate die Einrichtung bezahlt hatten. Am Ende einigten wir uns darauf, dass dein Vater und ich einen Fond einrichten."

Ich fragte gar nicht weiter nach. Vermutlich würde unser Kind nie arbeiten müssen. Genauso wenig wie Thalias und Matthews Kinder. „Und, warum bist du dann hier?"

Bekleidet mit einer bequemen Hose und einem Shirt, welches im Grunde mir gehörte, kam nun Brooke zu uns und setzte sich an die Kücheninsel. Ihre dunkeln Haare, welche morgens immer in sämtliche Richtungen abstanden, hatte sie zu einem Zopf gebunden und aufmerksam sah sie zwischen mir und meiner Mutter hin und her.

„Ich habe euch etwas mitgebracht." Freudig klatschte Mom in ihre Hände und ging zurück in den Flur. Als sie wieder zu uns kam, hielt sie ein zusammen gerolltes Stück Papier in ihren Händen. „Das ist für euch. Vielleicht hilft es ja." Sie überreichte Brooke die Rolle und strahlte dabei bis über beide Ohren.

Brooke breitete das Papier auf dem Tresen aus und sah gleich darauf zu Mom. „Ein Stammbaum?"

„Er reicht knapp 300 Jahre zurück. Die letzten Namen, die eingetragen wurden, sind die von Maddison und Tate. Deiner steht schon neben dem von John." Mit ihrem Finger zeigte sie auf alle möglichen Namen, während Brooke ihren Erklärungen lauschte.

„Ich versteh nicht, wie uns das helfen soll." Natürlich faszinierte mich die Chronik meiner Familie, aber ich verstand nicht, warum Mom jetzt damit kam.

„Mein Enkel braucht einen Namen. Vielleicht findet ihr hier etwas Passendes."

Ihre Stirn lag in Falten, als Brooke zu mir und danach zu Mom sah. „Enkel? Wir wissen noch nicht, was es wird."

„Mädchen saugen einen aus", lachte Mom. „Ich weiß, wovon ich spreche. Thalia hat mir einiges an Falten beschert und du bist einfach noch viel zu hübsch. Es kann also nur ein Junge werden."

Die Assistentin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt