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John

„Du musst hier nicht warten."

„Das müsstest du auch nicht." Dad saß gemeinsam mit mir vor dem Krankenzimmer, in welchem Brooke gerade mit den Officern des Police-Departments sprach. „Als du mich vorhin angerufen hast, war es wie damals."

Er musste nicht laut aussprechen, was er meinte. Als ich Brooke ins Gesicht sah, fühlte ich mich ebenfalls in die Vergangenheit versetzt. Nur, dass sie nicht so übel zugerichtet wurde wie Thalia damals. Einer der Officer, welcher bei Brooke die Befragung durchführte, war ebenfalls damals bei Thalia.

„Weiß noch jemand von dem Vorfall?"

Dad schüttelte seinen Kopf. „Nicht einmal deiner Mutter habe ich davon erzählt und Thalia wird erst recht nichts erfahren. Vorerst zumindest. Es würde sie zu sehr aufregen und ich möchte nicht, dass sie sich oder den Zwillingen unnötigen Stress aussetzt."

„Du empfindest es als unnötig?", empörte ich mich.

„Nicht im Geringsten, und es tut mir leid, dass meine Wortwahl scheinbar unglücklich gewählt war. Doch du weißt selbst, wie lange deine Schwester mit den Folgen zu kämpfen hatte und sie soll nicht erneut in dieses Loch fallen."

„Matthew wird auf sie achten. Er bewacht sie mit Argusaugen und lässt niemanden in ihre Nähe, der nicht zur Familie oder ihren Freunden gehört." Das Verhältnis zwischen ihm und mir war anfangs nicht das beste, doch ich zweifelte nie daran, dass er Thalia die Welt zu Füßen legen würde.

„Irgendwann findest du auch eine Frau, welche du vor allem und jedem schützen willst."

Jetzt fing er schon wieder damit ein. „Ich denke nicht, dass es eine solche Frau gibt."

Die Tür zu Brookes Zimmer wurde geöffnet und einer der Officer bat meinen Dad hinein. Bevor er durch die Tür ging, sah er mich noch einmal an. „Ich denke schon, dass es diese Frau gibt. Irgendwann wirst du sie erkennen." Dann trat er hindurch und schloss die Tür hinter sich.

Die nächsten Minuten verbrachte ich alleine mit meinen Gedanken. Ich war ein Lebemann und genoss mein Singledasein. Ein Leben wie Thalia und Matthew oder meine Eltern es führten, kam nicht für mich infrage. Als ob ich mich freiwillig an eine Frau binden würde und dann noch, so Gott es will, für den Rest meines Lebens. Ich war doch nicht komplett bescheuert. Es gab genug Frauen, welche denselben Lebensstil pflegten, wie ich es tat und ich war sehr glücklich darüber.

Wie lange ich alleine auf dem Stuhl im Flur saß, wusste ich nicht. Doch ich hing meinen eigenen Gedanken nach und diese fuhren regelrecht Achterbahn. Denn nachdem ich mir selbst eingeredet hatte, dass mein Leben der Hammer war, kam mir Brooke in den Sinn. Ihr Leben verlief so viel anders als meines. Auch an Thalia musste ich denken, denn nach dem Angriff damals wollte sie den Rest ihres Lebens alleine verbringen. Doch unsere Eltern und die von Matthew hatten andere Pläne. Niemals hätte ich gedacht, dass die Chemie zwischen den beiden passen würde.

Als ich daran dachte, wie ich meine kleine Schwester damit aufzog, dass ihre Beziehung wie eine im achtzehnten Jahrhundert arrangiert wurde, musste ich grinsen. Thalia war so wütend auf mich und warf mir immer wieder gemeine Sachen an den Kopf. Meist verbal und wenn doch mal ein Gegenstand geflogen kam, konnte ich von Glück sprechen, dass sie so warf, wie sie kochte. Katastrophal.

Ich wurde erst aus meinen Gedanken gerissen, als die Tür zu meiner Rechten regelrecht aufgerissen wurde und mein Dad mit seinem Smartphone in der Hand herausgestürmt kam.

„Was ist los?", fragte ich und sprang auf. „Ist etwas passiert?"

Dad sah aus, als hätte er einen Geist gesehen. „Ich muss mit Matthew telefonieren. Er muss sie hier wegbringen."

Ich griff nach seinem Arm. „Ich verstehe dich nicht. Was ist passiert?" Ich versuchte ihn zu beruhigen und eine Antwort von ihm zu bekommen, welche ich auch verstand. Doch ein dunkles Gefühl überkam mich.

„Er ist wieder da." Es war beinahe ein Flüstern, doch verstand ich seine Worte ganz genau. „Ben ist wieder da."

Immer und immer wieder hallten seine Worte in meinem Kopf. Das Monster war also tatsächlich zurück. „Wusste Brooke davon? Steckt sie mit ihm unter einer Decke?"

Dad ließ seine Hand, mit welcher er noch immer das Smartphone umklammerte, sinken und sah mich entsetzt an. „Was? Nein!"

„Bist du dir sicher?"

„Sie sitzt dort drin und weint sich die Augen aus. Brooke hatte zu keiner Zeit auch nur die geringste Ahnung davon, was dieser Mann geplant hat! Sieh dir an, was er mit ihr getan hat. Meinst du eine Frau, welche nur den geringsten Funken an Selbstachtung besitzt lässt sich so etwas freiwillig antun?"

Ich wusste nicht, wann er mich das letzte Mal so angeschrien hatte, aber es verfehlte seien Wirkung nicht. Auch wenn wir uns nicht sonderlich nahe standen, Brooke würde sich nicht freiwillig schlagen lassen. Sie war für Ben vermutlich einfach nur ein Mittel zum Zweck, um an Thalia heranzukommen.

„Geh. Sprich mit Matthew und erkläre ihm alles. Ich sehe nach Brooke." Die Officer traten ebenfalls aus ihrem Zimmer und verabschiedeten sich mit den Worten, dass sie sich melden würden, wenn sie etwas herausgefunden hätten.

Kaum hatten die Officer und Dad den Flur verlassen, klopfte ich an der Tür und trat in den Raum. Es schmerzte sie so zu sehen. Brooke hatte die Beine angewinkelt, ihr Gesicht in ihren Händen vergraben und weinte.

Ich ließ ihr Zeit und setzte mich wieder auf den Stuhl, auf welchem ich bereits einige Stunden verbracht hatte.

„Es tut mir leid", japste sie. „Ich wusste es nicht."

„Ich glaube dir." Das tat ich wirklich.

„Wenn ich gewusst hätte, wer er ist und was er getan hat, hätte ich mich niemals auf ihn eingelassen." Sie sah mich nicht an, während sie sprach. Vermutlich hatte sie ein schlechtes Gewissen, neben der Schmach wegen dem, was ihr angetan wurde. „Ich kann Thalia nie wieder unter die Augen treten."

„Sie wird es verstehen", versuchte ich sie zu beruhigen, und es entsprach vermutlich der Wahrheit. Thalia mochte Brooke, und wenn man ihr die Situation erklären würde, würde sie diese mit Sicherheit verstehen.

Brooke hob ihren Kopf und stumme Tränen liefen ihre Wangen hinunter. „Was soll ich jetzt machen?"

„Wir machen weiter. Das haben wir immer getan und genau das wirst du auch tun. Aber zuerst solltest du aufhören zu weinen."

Fragend legte sie ihren Kopf zu Seite.

Eine Spitze konnte ich mir dann doch nicht verkneifen. „Du bist hässlich, wenn du weinst."

Die Assistentin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt