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Brooke

„Es kann doch nicht so schwer sein, dieses Schwein zu fassen!" John lief aufgebracht in meinem Wohnzimmer auf und ab und schrie ins Telefon.

Wir hatten uns mit der Ausrede von Nora verabschiedet, dass es einen dringenden Notfall in der Firma gab. Zum Glück kaufte sie uns diese Lüge ab und fragte nicht weiter nach. John hatte mich mit einem Umweg von fast einer Stunde in meine neue Wohnung gefahren und sich darum gekümmert, dass mein Wagen zur Firma gebracht wurde. Dort würde er bis auf Weiteres in der Tiefgarage stehen, damit Ben keinen weiteren Anhaltspunkt auf meinen Aufenthaltsort bekommen konnte.

„Sie sollen ihre verdammte Arbeit machen!", schrie John weiter und schien vollends in seinem Element zu sein. Auf Arbeit war er die letzten Wochen regelrecht zahm mir gegenüber, was aber nicht hieß, dass wir uns nicht weiterhin unsere Wortgefechte lieferten. Er wirkte einfach etwas netter, zumindest mir gegenüber.

Ich stand in der Küche und bereitete einen Kaffee für ihn zu. Das war alles, was ich in diesem Moment machen konnte. Am liebsten würde ich mich verstecken, aber im Grunde tat ich es schon. Während also die Maschine vor mir die Bohnen mahlte, versuchte ich den Krach aus dem Nebenraum auszublenden.

Hätte ich mich doch nur nie auf Ben eingelassen. Dann würde mein Leben weiterhin seinen gewohnten Gang gehen. Stattdessen musste ich meine Freunde belügen und war von John und dessen Familie abhängig. Es lag einzig und allein an ihrem Wohlwollen, dass Ben mich noch nicht in die Finger bekommen hatte.

Meine Gedanken nahmen mich so ein, dass ich einen Schreck bekam, als Johns Hand neben meinem Körper erschien und nach der Tasse griff. Ich hatte nicht einmal mitbekommen, dass der Kaffee fertig war.

„Träumst du?" John setzte sich an den kleinen Küchentisch und nahm einen Schluck. Er trank seinen Kaffee immer schwarz, während in meinen Milch und drei Löffel Zucker mussten damit ich ihn herunterbekommen konnte. „Du siehst müde aus", stellte er fest.

Ich fühlte mich auch so. Die Angst raubte mir den Schlaf und wenn ich doch mal mehr als vier Stunden am Stück schlafen konnte, machten mir meine Träume zu schaffen. Dabei war ich an diesem Ort sicher. Niemand kam in dieses Gebäude, wenn er nicht erwünscht war, und doch war ich auch hier ständig auf der Hut.

„Was sagen die Officer? Gibt es etwas Neues?" Ich ging nicht auf seine Frage ein, denn meinen Gemütszustand wollte ich nicht weiter vor ihm offenlegen. John wusste bereits mehr als jeder andere und trotzdem war es seltsam, dass gerade er derjenige war, der mich scheinbar besser verstand als jeder andere.

Er lehnte sich in die Stuhllehne und atmete tief durch. „Was glaubst du denn? Scheinbar arbeiten dort nur Stümper."

„Ich denke, du unterschätzt Ben. Er hat es damals geschafft, nicht für eine Tat zur Verantwortung gezogen zu werden, und vielleicht versucht er diesmal dasselbe." Ben war nicht dumm und dessen war ich mir durchaus bewusst. Das machte ihn so gefährlich.

John schien über meine Worte nachzudenken und nach einer Weile nickte er stumm. Dabei sah er auf seine Tasse. Vielleicht hatten meine Worte ja bewirkt, dass er nicht weiter darauf eingehen wollte.

Für heute hatte ich genug von Ben und den damit verbundenen Problemen. Aber die Stille zwischen John und mir konnte ich auch nicht ertragen. „Wirst du auch zu Thalia und John reisen?", fragte ich und er sah mich fragend an. „Also wenn die Zwillinge auf die Welt kommen?"

„Ja, aber etwas später. Ich freue mich, aber Mom und Dad sind schon da und Matthews Eltern werden mit Sicherheit auch ständig anwesend sein. Da will ich nicht auch noch stören."

„Deine Einstellung finde ich gut. Sie sollten zuerst ihren Alltag finden", bekräftigte ich ihn.

„Und so lange kann ich ein Auge auf die Situation hier haben. Vielleicht tut sich ja mal etwas."

Ein Auge auf die Situation haben? Wenn ich genauer darüber nachdachte, hatte er sich wirklich geändert. Er war nicht mehr in irgendwelchen Newsfeeds zu sehen, weil er mit anderen schwerreichen, verwöhnten Millionären irgendwelche Clubs besuchte und es dort ordentlich krachen ließ. Aber was machte er dann?

„Darf ich dich etwas fragen? Aber es ist persönlich."

Während John darüber nachzudenken schien, war es unheimlich still in der Wohnung. Einzig das Geräusch des Uhrzeigers war zu hören. Dafür, dass es hier vor technischem Schnickschnack nur so wimmelte, hatte Thalia die Wohnung in einem Stil eingerichtet, der nicht gegensätzlicher sein könnte. Ich hatte sie vor ein paar Tagen am Telefon gefragt, was das für ein Stil war, und sie lachte nur und meinte Boho. Aber es passte auch zu ihr. Alles wirkte geerdet und war in warmen Tönen gehalten.

Thalia hatte mir zwar zugesagt, dass ich gerne etwas verändern dürfte, aber mir gefiel es so, wie es war. Es reichte mir schon, meine persönlichen Gegenstände hier zu haben. Wie konnten die beiden nur so verschieden sein?

„Na frag", meinte John irgendwann und es gab kein Zurück mehr.

Ich nahm all meinen Mut zusammen, denn ich übertrat nun eine Grenze, die John vor etwa zwei Wochen in einem Anflug wovon auch immer aufgestellt hatte. Wir sollten uns nicht nach dem Liebesleben oder den familiären Umständen des anderen erkundigen.

„Hast du eine Freundin?"

John sah mich an, als wäre ich ein rosa Nashorn, welches ihm gegenüber sitzt. „Bitte was?", fragte er und blinzelte mehrmals. „Wie kommst du denn darauf?"

„Na, du bist nicht mehr auf Partys oder in Clubs unterwegs. Auch sonst wirkst du ruhiger."

„Ich bin damit beschäftigt, den Mann hinter Gitter zu bringen, der meine Schwester fast getötet und dich ebenfalls geschlagen hat", meinte er ruhig. „Da habe ich eben andere Dinge zu tun." Er schwieg, bevor er etwas unglaublich Dummes sagte und sein überhebliches Ego zum Vorschein kam. „Bitte sag mir nicht, dass du dich in mich verliebt hast. Auch, wenn ich es dir nicht verübeln könnte. Viele Frauen fühlen sich von mir angezogen."

Ich schüttelte meinen Kopf. „Keine Sorge. Ich bin dir zwar dankbar, aber du bist nicht mein Typ."

Seine Haltung veränderte sich. Scheinbar hatte ich etwas gesagt, was er nicht hören wollte. „Gut", meinte er kühl. „Du bist auch die letzte Person auf diesem Planeten, neben der ich morgens aufwachen will. Schon in der Früh mit dir konfrontiert zu sein würde meine Laune erheblich verschlechtern." Damit ging er zu weit.

„Ich möchte, dass du gehst."

„Bist du jetzt sauer auf mich? Nur weil ich die Wahrheit sage?"

Ja, ich war sauer und ich wollte ihn nicht mehr sehen. „Ich bin müde, habe Kopfschmerzen und möchte mich hinlegen. Würdest du jetzt bitte gehen?"

Anstandslos erhob er sich und ging zur Wohnungstür. „Ich hoffe, deine Laune ist in der Firma wieder besser." Er schien genauso beleidigt zu sein wie ich. „Wenn du mit der Wahrheit nicht umgehen kannst, solltest du nicht danach fragen. Mit deinen Stimmungsschwankungen wirst du nie einen Mann finden."

„Ich hoffe, du stirbst allein!" John hatte die Wohnung noch nicht einmal richtig verlassen, als ich ihm die Worte hinterherrief und die Tür zuschlug. Wie ich es hasste von diesem dummen Idioten abhängig zu sein.

Die Assistentin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt