Regeln des Rudels

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Tim ließ sich neben ihm nieder und sah ihn prüfend an. Sofort schüttelte er den Kopf. Ihm ging es gut. Trotzdem wanderte Tims Blick über seinen Körper. Als suche er nach sichtbaren Verletzungen, die Stegi ihm verschwieg, oder nach nonverbalen Signalen. Er konnte nicht glauben, dass sie sich wirklich an Tobi vergriffen hatten. Zuletzt war Tobi mit fast sechzehn so angepackt worden. Also schon über zwei Jahre in der Vergangenheit liegend. Nach ihrer Bindung hatte er Tobi nur noch ein Mal aus so einer Situation retten müssen. Veni und Tobi waren frisch gebunden und das hatte keiner gewusst. Zwar hatte er alles abbekommen, aber das war ok gewesen. Für Tobi hätte er alles getan. Schließlich war Tobi immer noch das wichtigste in seinem Leben. „ Kann mir mal wer sagen, was hier los war? Ihr Jahrgang bringt echt nur ärger.", maulte die Beta und sah sich um. Nicht das jetzt auch noch. Hatte sie nicht schon alles gesehen? „ Die beiden haben sich über zwei gebundene Omega hergemacht.", erklärte zu Stegis Überraschung ein Alpha. Entweder er wollte einfach die Wahrheit sagen, oder Stegis Worte hatten etwas bewirkt. Glauben tat er das weniger, da er immerhin ein Omega war, aber Wunder gab es immer. Schließlich gab es auch Veni, den er Anfangs auch nicht gemocht hatte. Und er war ja auch gebunden. Vielleicht ließ diese Welt doch mehr als zwei gute Alpha zu. Egal was es war, Stegi war froh drum. Scheinbar gab es doch noch Alpha mit ein bisschen Verstand. „ Ich sehe hier nur Tobi als gebundenen Omega." Autsch. Indirekt sagte sie damit, dass es ok war, wenn sie sich an Stegi vergriffen hätten. Das sie bei ihm absolut nichts dagegen unternommen hätte. Einfach weil er so geboren war. So viel zur Gleichberechtigung. Stegi kotzte es an. Was konnte er den bitte dafür. Das schlimmste war, das hier sagte eine Lehrerin, kein Alpha in ihrem Alter. Wieso musste das Leben so unfair sein. Man hätte ihn da nicht weg geholt. Und das kam von einer Lehrerin. Stegi lag schon ein kratzbürstiger Kommentar auf der Zunge, doch Tim kam ihm zuvor. „ Ihnen ist bewusst dass sie damit sagen, dass es ok wäre, wenn der Alpha Stegi angepackt hätte? Sie sollten mit gutem Beispiel voran gehen. Diesem Wahnsinn ein Ende bereiten. Wenn sich alle bloß auf diesen alten Regeln stützen, wird sich nie etwas ändern. Nur weil es immer so war, heißt das nicht, dass man sich darauf ausruhen und stützen kann. Wie kann es sein, dass man einen ungebundenen Omega anpacken darf? Im heutigen Zeitalter sollte so etwas verboten gehören. Stegi ist ein Wolf wie jeder andere hier. Er kann sich nicht aussuchen, als was er geboren wird. Wie kann man jemandem Leid zufügen, wegen etwas, worüber derjenige überhaupt keinen Einfluss hat. Und nur zu ihrer Info, Stegi ist mein Omega und wie sind gebunden. Ihn hätte man auch nicht anpacken dürfen. Wenn sich dann bitte alle die nur glotzen verziehen würden, wäre ich sehr dankbar." So ziemlich alle starrte Tim verblüfft an. Nach einigen Sekunden verzogen sich die meisten dann zum Glück. Stegi hätte es nicht länger ausgehalten. Auch für Tobi, der sich in solchen Situationen nicht sehr wohl fühlte durfte es eine Erleichterung sein. Ihre Lehrerin sah sie vollkommen verdattert an. Fassungslos von dem was sie gerade gehört hatte. Ungläubig, dass er sich so stark in seinem Meinungsbild hatte verändern lassen. Stegi lächelte zufrieden und gab Tim einen kurzen Kuss. So etwas in der Art hatte er auch sagen wollen, nur hatte Tim es viel besser und präziser auf den Punkt gebracht. Doch mit der Kernaussage stimmte es überein. Seine Variante wäre vielleicht mit etwas mehr Beleidigungen gespickt und lang nicht mehr so freundlich. Hätte er auch machen können, aber dass war nicht sein Stil. Funktioniert hatte es außerdem eh noch nie. Tim hatte halt gelernt, sich angemessen, aber scharf auszudrücken. Schnell jedoch waren seine Gedanken wieder bei Tobi, der immer noch ein wenig weinte. Sanft legte er eine Hand auf Tobis Rücken. Eigentlich wollte er ihm beruhigend über den Rücken streichen aber Tobi drückte sich von seinem Alpha weg und griff nach Stegis Hand. Seine war total kalt. „ Tut mir leid, dass heut so ein Drama an deinem Geburtstag ist." Och Tobi nicht deswegen. Es war doch alles ok. Ihm ging es gut und auch Tobi selbst war heil da raus gekommen. Es gab keinen Grund sich zu entschuldigen.  „ Gott Tobi mach du dir keine Vorwürfe. Du hast schon alles abbekommen. Ruh dich aus, oder kuschel weiter mit Veni. Ich hab Tim, der mich beschäftigt.", beruhigte Stegi den Omega. Tobi war der Wahnsinn. Sich ernsthaft die Schuld dafür zu geben. Klar für einen Alpha durfte er wie ein Duftbaum riechen, aber lang nicht so stark, da er gebunden war. Wenn wurden die Alpha auf Stegi aufmerksam und hatten ihm dann vorgezogen, weil er willenlos war. Zumindest durch die Läufigkeit bedingt. Sonst würde Tobi das wohl nie machen. Generell würde er nie auf die Idee kommen, Veni zu betrügen. Er drückte Tobis Hand noch mal und ließ ihn dann in Ruhe. Als Stegi den Blick schweifen ließ, hatten so gut wie alle sich verzogen. Ihre Lehrerin stand immer noch da, schien sich mittlerweile mal gefangen zu haben. Stegi warf ihr einen vernichtenden Blick zu und küsste Tim dann noch mal provokant. Tim schien zuerst überrascht, vertiefte dann aber den Kuss. Leidenschaftlich und süß zugleich. Stegi spielte kurz mit seiner Zunge, als sie keine Anstalten machte sich dort weg zu bewegen. Endlich zog sie ab. Sie lösten den Kuss und ihre Blicke trafen sich. „ Haben die dich wirklich nicht angepackt Stegi? Sei ehrlich, du musst nicht lügen, weil es dir peinlich ist." Sofort schüttelte Stegi den Kopf. „ Alles gut haben die nicht.", beteuerte der blonde nochmals, als Tim ihn misstrauisch ansah. Dieses schlug in ein mildes Lächeln um und er wuschelte Stegi durch die blonden Haare. Missmutig wischte er Tims Hand aus seinen Haaren und murrte leicht. „ Tut mir leid, dass wir nicht schneller da waren. Ich dachte in zwanzig Minuten kann zwei gebundenen Omega mal nichts passieren. Aber nein, natürlich nicht." Jetzt machte sich Tim auch noch Vorwürfe. Na ganz klasse. Wenn war es seine Schuld, aber er konnte auch nichts dafür.

Teil 1 Bis zum letzten Atemzug// Auf der StraßeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt