Ich kann das nicht

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Stegi hatte dank Tim nur die halbe Packung mit ihm verputzt, da Tim sie ihm einzeln vor die Lippen gehalten hatte. Dabei hatte er es sich nicht nehmen lassen, dass ein oder andere zwischen seine Lippen zu klemmen, sodass Stegi ihn küssen musste, um es zu bekommen. Dem machte das jedoch wenig aus. Er hatte Tim, eine geregelte Zukunft und landete nicht auf der Straße. Was wollte er gerade mehr? Und selbst wenn Tim ihm los werden wollte, dann war es halt so. Es würde aufs selbe hinauslaufen, wie ohne Bindung.

Als sie langsam zurück wollten, stellte Stegi peinlich berührt fest, dass sich weiße Schlieren über ihre beiden Oberkörper zogen. Die Röte schoss zurück auf seine Wangen. Tim holte lächelnd aus seiner Tasche Taschentücher, befreite sie von den weißen Schlieren. In unglaublichem Tempo zog Stegi sich seine Sachen wieder an und räumte dann ihr Zeug in die Tasche. „ Na dann lass uns mal zurück zu den anderen, mein kleiner gebundener Omega." „ Noch mal und du kriegst eine geklatscht.", murrte der blonde und sah den anderen warnend an. Auch wenn er das hier, mehr oder weniger freiwillig gemacht hatte, er wollte es nicht ständig auf die Nase gebunden bekommen. Es war immer noch komisch für ihn und wohlfühlen tat er sich dabei auch nicht wirklich. Gebunden sein hieß für einen Omega totale Abhängigkeit, dass was er immer so sehr verachtet hat. Und jetzt war er selbst einer von ihnen, weil er sich nicht auf der Straße durchschlagen wollte und sich von seinem Alpha mit falschen Versprechungen hatte locken lassen. Was war nur aus dem kleinen rebellischen Omega, der er vor dieser Klassenfahrt gewesen war? Mein Gott er hatte sich zu sehr einlullen lassen. Das war doch nicht mehr er selbst. Wie hatte er sich bloß auf einen Alpha einlassen können, die waren doch alle gleich. Und das würde er früher oder später zu spüren bekommen. Warum konnte sein Hirn bei so was nicht einmal klar denken? Verdammt er hatte gerade mit einem Alpha geschlafen und das freiwillig. Das war doch nicht mein ernst? Ich kann das hier nicht. Ohne zu wissen wohin, rannte er los. Hauptsache weg. Das sich ein leichter Schmerz, ausgehend von seinem Arsch in ihm breit machte, ignorierte er so gut es ging. Leider vergaß er, dass er hier nicht vor Tobi oder so weg rannte, sondern vor einem deutlich sportlicheren Alpha, der ihn schnell eingeholt hatte und zum stehen bleiben zwang. „ Was ist den jetzt los?", fragte Tim und zog ihn beruhigend in seine Arme. „ Ich kann das nicht Tim. Ich bin gerade zu dem geworden, was ich am meisten verachte. Willenlos und abhängig von einem Alpha wie dir.", rief Stegi und schluchzte ein Mal laut auf. „ Hey Stopp mal. Du bist nicht nicht abhängig und schon gar nicht willenlos. Wenn du mit der Schule fertig bist, wolltest du doch eh studieren und nebenbei Geld verdienen. Wo machst du dich bitte von mir abhängig, außer in den nächsten vier Monaten? Komm bitte mal runter und schlaf ne Nacht drüber. Es ist ungewohnt für dich, gib dem einfach Zeit. Wenn's dich beruhigt, kann ich dir auch noch hundert mal versprechen, dass ich dich NIEMALS zu etwas zwingen werde und ich nicht zulasse, dass du auf der Straße landest." „ Ach ihr Alpha versteht das doch überhaupt nicht. Du könntest mich jede Sekunde auf die Straße setzen, weil dir irgendwas nicht passt und dann steh ich ohne alles da.", fauchte Stegi und drückte Tim von sich weg. Der brünette seufzte resigniert. „ Dir ist bewusst, dass ich dich immer noch liebe? Seit der sechsten Klasse und ich hab nie damit aufgehört. Selbst wo du mich ignoriert hast und ich schon gar keine Hoffnung mehr hatte, dich jemals wieder als meinen Freund zurück zu gewinnen. Ich würde dich nie im Leben zu etwas zwingen oder dich auf die Straße setzen. Eher würde ich sterben wollen, als das es dir schlecht geht. Begreif doch bitte, dass nicht jeder Alpha dich ausnutzen will." Tim probierte das ganze sanft, aber mit so viel Nachdruck und Ernsthaftigkeit zu sagen, wie es nur ging, damit Stegi merkte, dass er es wirklich ernst meinte. Stegi drückte sich schluchzend an Tim, um halt zu finden. Er wusste nicht mehr, was er glauben sollte und Tim verwirrte ihn nur noch mehr. Dieser strich ihm gerade beruhigend über den Rücken. Stegi konnte das beim besten Willen nicht, egal wie schön es der Alpha redete. Irgendwann würde Tim ihn sacken lassen, oder beginnen, ihn aus zu nutzen. Warum lag er dann jetzt wieder weinend in seinen Armen? Ganz einfach, weil er es brauchte. Er hatte sich schon zu sehr an seine Nähe in den letzten Tagen gewöhnt. „ Ok, was würde es für dich leichter machen?" Er wusste mit Stegi gerade nicht weiter. Dass es kompliziert werden würde, war von Anfang an klar, doch dass es so schnell so ausartete, hatte er nicht erwartet. „ Die Gewissheit, n Dach überm Kopf zu haben, wenn du mich los werden willst.", nuschelte Stegi, obwohl das nicht das einzige war. Der Alpha selbst war das Problem und das würde es immer bleiben. „ Ok, dass regeln wir ganz einfach, wenn wir zurück sind. Wir suchen uns ne kleine Wohnung, wo wir beide wohnen, die auf deinen Namen geht. Wenn ich mich je von dir trennen, was ziemlich unwahrscheinlich ist, dann kann ich dich da nicht rausschmeißen. Geht es dir damit besser?", wollte Tim wissen. „ Tim es geht nicht darum, dass.", versuchte Stegi schluchzend zu erklären. Tim hatte ihn verletzt und auch wenn Stegi ihm wieder vertraute, konnte der Alpha es jederzeit wiederholen. „ Du beruhigst dich jetzt erstmal und schläfst ne Nacht drüber. Und wenn dann immer noch nicht alles ok ist, setzen wir uns morgen zusammen und regeln das.", unterbrach er den blonden sanft, aber bestimmt. Damit musste Stegi sich zufrieden geben, da Tim ihm mit einem Blick deutlich machte, dass er jetzt nicht drüber diskutieren würde. Tim wischte eine Träne von Stegis Wange, griff dann nach der Hand des anderen, um ihn Richtung Herberge zu ziehen. Stegi ließ es widerstandslos über sich ergehen. Er hatte ja keine andere Wahl. Wieder in der Herberge, steuerte Stegi auf das Zimmer seiner Freunde zu und Tim folgte ihm. Kaum waren sie im Zimmer, viel Tobi Stegi um den Hals. „ Wo wart ihr bitte? Keiner geht an sein Handy und ihr seid seit Stunden spurlos verschwunden.", gab Tobi besorgt von sich. „ Wir waren draußen. Du musst dir keine Sorgen um mich machen. Ich kann gut auf mich selbst aufpassen.", hauchte der kleinere in die Umarmung. „ Du bist ungebunden. Ich hab allen Grund mir sorgen zu machen." Ungebunden, wie passend. Er schluckte schwer, sagte aber nichts, da es anscheinend niemandem auffiel. „ Du bist der beste Tobi. Aber mach dir nicht all zu viele Gedanken um mich, ich komm schon irgendwie zurecht." Der brünette verstärkte die Umarmung noch einmal, ehe er den anderen los ließ. „ Sag trotzdem bescheid, wenn du raus gehst." „ Mach ich.", versprach der blonde. „ Ok wenn das geklärt ist, was wollen wir jetzt machen?", fragte Veni, der wie Tim nur teilnahmslos im Raum gestanden war. „ Also ich hätte ein paar Karten dabei, wenn wer Bock hat.", kam es von einem der Betten. „ Klar doch. Besser als rumsitzen und nichts tun." Die Person die im Bett lag, entpuppte sich als einer der Alpha. Er holte ein paar Karten aus seinem Koffer und begann diese zu mischen. „ Wollt ihr im stehen spielen, oder setzt ihr euch endlich ihn?" Die vier ließen sich im Kreis nieder, wobei Stegi sich neben Tim und Tobi setzte, jedoch mit so viel Abstand zu dem Alpha wie nur irgendwie möglich. Das er dabei schon fast halb auf Tobi drauf saß, störte keinen der beiden. Rafi merkte es natürlich, dass Stegi auf Abstand ging und seufzte innerlich. Wie konnte man den blonden bloß davon überzeugen, dass Alpha ihm nicht grundsätzlich schaden wollten und er Tim vertrauen konnte? So schwer konnte das doch gar nicht sein. Sie hoben alle ihre Karten auf, welche der Alpha mittlerweile ausgeteilt hatte und sortierten diese nach Farbe und Muster. Naja alle bis auf Stegi. Der versuchte verzweifelt die letzte Karte vom Boden auf zu heben. Wer kannte es nicht, diese eine Karte die regelrecht am Boden festklebte, die man einfach nicht hoch bekam. Er versuchte die Karte schon mit einer anderen an zu heben, doch sie rutschte immer wieder weg und blieb am Boden kleben. Tim griff irgendwann nach der Karte und hob sie ohne Mühe vom Boden auf und reichte sie Stegi. Der Omega nickte dankend und begann dann endlich zu sortieren. „ Was spielen wir eigentlich für ein Spiel? Sieht für mich nach Rome aus?", fragte Tobi, was der Alpha mit einem ist es auch kommentierte. „ Kennt jeder die Regeln, oder soll ich sie noch mal erklären?" Alle vier verneinten die Aussage, wobei Tim noch nachfragte, ob man mit dreißig oder vierzig Punkten raus kommen konnte. Beides Varianten, die er schon gespielt hatte. Dreißig Punkte waten manchmal zu einfach und vierzig Punkte in einer Reihe meist zu schwer. Oder aber er war einfach zu unfähig dazu. Meist bekam er es nur spät oder gar nicht hin. Die Spiele hatte er so fast immer verloren. „ Lass mal mit vierzig spielen. Die Runden können ja schon n wenig dauern. Wir haben ja keinen Zeitdruck. Tim du fängst an." Der brünette murrte über seine Karten und legte eine pick zwei ab. Stegi zog eine Karte vom Stapel, grinste kurz und legte eine Karo neun ab. Tobi musterte kurz seine Karten, zog dann aber eine Karte vom Stapel, schaute wieder kurz auf seine eigenen und legte die Karte dann gleich auf den Stapel zur Karo neun. „ Legt ihr jetzt alle nur so n scheiß ab, den keiner gebrauchen kann?", fragte Veni und zog eine Karte vom Stapel, die er ohne groß nach zu denken wieder ablegte. „ Sei froh, ich hab nur so ne scheiße auf der Hand, also beschwer dich nicht.", murrte Tim. Er griff dankbar nach der Karte, die der Alpha ablegte. Eine Herz sechs. Hatte er zumindest mal fünf, sechs, sieben zusammen in einer Reihe. Wenn man von der drei mal absah. Dafür schmiss er die Karo vier weg. Stegi zog einen Karte, begann ungläubig zu lachen und legte diese zusammen mit der Pick zehn, Karo zehn, und Kreuz zehn vor sich auf dem Boden ab. „ Ja ne is klar Stegi.", meinte Tobi nach einem Blick auf seine Karten, wo absolut nichts zusammen passte. „ Ich bin noch nicht fertig Tobi.", grinste der blonde und sortierte seine Karten noch mal ein bisschen um, ehe er sie alle vor sich auf dem Boden ablegte. Er stieß ein erfreutes langgezogenes ja aus, welches jedoch halb in seiner Delfinlache unter ging. An sich fand Tim das nicht lustig, auch wenn er dadurch seine schlechten Karten los war. Aber ihm kam genau in diesem Moment ein Zitat in den Sinn, welches ihn schmunzeln ließ. Pech in der Liebe, Glück im Spiel. Stimmte so nicht ganz. Zumindest von Stegis Seite. „ Wenn das schon so los geht, hab ich schon keinen Bock mehr weiter zu spielen.", gab Tobi leicht genervt von sich und schmiss seine Karten auf den Haufen. „ Lass mich doch auch mal Glück haben.", grinste der blonde und streckte dem anderen die Zunge raus. Dieser erwiderte die Geste, wisperte ein:„ Es sei dir gegönnt, aber wir spielen noch ein paar Runden, da kann das wieder ganz anders aussehen." Stegi nahm die Karten auf und begann sie zu mischen. Wortlos griff Tim nach der anderen Hälfte der Karten, die der blonde nicht mit seinen kleinen Händen mischen konnte und begann sie ebenfalls zu mischen. Stegi lächelte ihm kurz zu, wand seinen Blick dann den Karten zu, die er reihum austeilte. Seine Hände waren flink, sodass er keine dreißig Sekunden brauchte. Die anderen nahmen derweil ihre Karten auf und sortierten. „ Man könnt ihr mal nicht komplette Rotze austeilen?", murrte nun auch Veni genervt. Verständlich, wenn die Karten bei zwei losgingen und bei acht aufhörten. Leider nur nicht in einer Reihe. Tobi drückte ihm einen kurzen Kuss auf und schon waren die schlechten Karten wieder vergessen. Das Spiel ging dieses Mal etwas länger, wobei Tobi die Runde für sich entscheiden konnte, was er dem anderen Omega unter die Nase rieb. Sie spielten noch ein ganzes Paar Runden, wobei jeder mal gewann, sodass es ziemlich ausgeglichen war. Mit der Zeit hatte Stegi sich etwas weiter zu Tim gesetzt, damit er nicht so nah an Tobi gequetscht saß, was Tim mit Freude bemerkte. Nach weiteren fünf Runden wurde der Omega langsam müde, konnte dem Spielgeschehen kaum mehr folgen. Oftmals sah er Kombinationen nicht, vergaß Karten an zu legen, oder merkte gar nicht erst, dass er dran war. Seine Augen wurden schwerer und er merkte selbst, wie er sie immer länger geschlossen hielt. Der Tag heute war einfach viel zu anstrengend für ihn gewesen. Er war irgendwann wegen dieser mangelnden Konzentration ausgestiegen, saß aber noch in der Runde, um mehr oder weniger den Gesprächen zu zuhören. Sein Kopf den er auf seiner Hand abstützte, rutschte immer wieder ab, fiel nach unten, wodurch er wieder kurz wach war und die Augen versuchte offen zu halten. Sekunden später vielen sie ihm schon wieder zu. „ Hey, kuschel dich doch an mich. Du siehst aus, als ob du jede Sekunde im sitzen einschläfst.", hauchte Tim ihm auf einmal ins Ohr. Verhemmt schüttelte er den Kopf. „ Warum nicht, bei Veni hast du doch auch kein Problem. Nicht jeder Alpha will dir potentiell schaden Stegi." Das war ja schon irgendwo süß, dachte der blonde und tief in sich wusste er auch, dass er Tim vertrauen konnte. Nur hielt ihn etwas davon ab, von dem er selbst nicht mal wusste, was es war. „ Ich geh rüber und leg mich hin.", gähnte Stegi und machte anstalten auf zu stehen. „ Ganz sicher nicht. Nur weil du gebunden bist, lassen die dich nicht in Ruhe. Du gehst nicht rüber zu ungebundenen Alpha ins Zimmer.", flüsterte er und hielt den blonden sanft am Handgelenk fest, damit er gar nicht erst die Möglichkeit bekam, rüber zu gehen. Stegi lächelte darüber, dass Tim sich darum wirklich Gedanken machte. Das bekräftigte nur, dass es Tim ja scheinbar ernst mit ihm meinte. Und ob er nun in ein paar Tagen oder Monaten auf der Straße saß, war dann auch egal. Versuchen konnte man es. Also kuschelte sich Stegi an dem Alpha, sodass sein Kopf halb auf dessen Schoß lag und er sich an ihm lehnen konnte. „ Schlaf gut kleiner.", murmelte der Alpha und legte eine Karte auf den Stapel, da er ja immer noch spielte. Stegi schloss die Augen, die er kaum mehr zwei Sekunden offen halten konnte, schaffte es aber nicht ein zu schlafen. Seine Gedanken ließen ihm keine Ruhe, aber sie waren alle positiv, daher störte es ihn nicht. Ruhe und Entspannung konnte er auch in diesem Zustand finden.

Teil 1 Bis zum letzten Atemzug// Auf der StraßeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt