Stegis Worte eben haben Tim die Fassung verlieren lassen

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Vor dem Gespräch hatte er komischerweise gar keine Angst. Oder sie kam erst später. Er hatte sich ja selbst bei Tobi geziert. Wenn er diesen hinter sich hatte, würde er sich schon ein paar Worte abringen können. Hoffentlich. Aber das war seine Familie, die waren froh, wenn er schon bei einem Alpha unterkam, der ihn nicht schlug, oder wie ein Sklave behandelte. Tim war ihnen da nur recht. Geregelte Zukunft, Rang und Namen in ihrem Rudel, was wollte man mehr. Einen besseren Schwiegersohn konnten sich seine Eltern doch gar nicht wünschen. Jetzt schob er diese Gedanken erstmal beiseite und konzentrierte sich auf die Kuchengabel, die ihm an die Lippen gehalten wurde. Von niemand anderem als Tim. Man konnte das hier wirklich als Glück bezeichnen. Grinsend schnappte er sich den Kuchen von der Gabel und küsste Tim dann mit vollem Mund auf die Wange. „ Ich liebe dich Tim.", flüsterte Stegi laut genug, dass es alle drei hörten. Da war es. Das erste ich liebe dich von Stegi Seite aus. Vor Freude wäre Tim fast geplatzt. Diese Worte bedeuteten ihm unglaublich viel, gerade weil er wusste, dass es hundert Prozent ernst gemeint war. Stegi sagte es von sich aus und er erwiderte es nicht nur, um Tim zu zeigen, dass er ihm was bedeutete. Es war der größte Vertrauensbeweis zwischen ihnen. Der Beweis, dass Stegi ihm voll und ganz vertraute. Der Beweis, dass er ihm verziehn hatte. Alles was war und was noch kommen würde. Tim liefen die Tränen in Sturzbächen von den Wangen. Solche Worte und das an seinem Geburtstag. Wie konnte es sein, dass er diesen Jungen mit jeder Sekunde noch mehr liebte, in der er bei Stegi war? Das war schon fast ungesund. Aber Stegi war sein ein und alles. Nie hatte er jemand anderen gewollt und er wollte auch nie jemand anderen. Was er wollte war zu hundert Prozent Stegi. „ Tim hör auf zu weinen, sonst heul ich gleich mit. Es ist doch alles gut.", versuchte Stegi ihn zu beruhigen. Er hatte nicht den blassesten Schimmer, warum Tim gerade in Tränen ausbrach. „ Keine Sorge Freudentränen. Du bist so süß und merkst es nicht mal. Womit hab ich dich nur verdient?", wollte Tim wissen und küsste ihn zärtlich auf die Stirn. Stegi war das aber nicht genug. So zog er Tim zu sich und küsste ihn richtig. Scheiß drauf, dass ihn ein Großteil der Oberstufe sah und was sie sich dachten. Die wichtigsten Menschen standen hinter ihm und würden es immer tun, egal was er tat. Das hatte er mittlerweile gelernt. Sanft strich Stegi ihm die Tränen aus dem Gesicht und sah ihm tief in die Augen. „ Auch wenn du scheiße gebaut hast, warst du mir immer wichtig. Du bist das beste, was mir in meinem Leben passieren konnte Tim. Danke. Für alles was du getan hast und das du es mit mir ausgehalten hast. Das du nicht aufgegeben hast an uns zu  glauben. Und ich kann diese drei Wörter nicht oft genug sagen. Nicht so oft, wie du es verdient hättest." Stegi war bewusst, was er da sagte. Sein Geständnis an Veni war der letzte Schalter gewesen, den er umkehren musst, um diese Worte aufrichtig und ehrlich an Tim zu richten und sie hundert Prozent ernst zu meinen. Fest zog Tim ihn in seine Arme und heulte in sein Shirt. Stegi hatte ihn noch nie so viel weinen gesehen, abgesehen von der Beerdigung seines Adoptivvaters. Bei ihrer Trennung hatte er ihn zwar fast nie heulen sehen, aber die Tage nach ihrem Streit, wo Tim zum ersten Mal wieder in der Schule war, hatte er total rote und verquollene Augen. Die Augenringe hatten ihm bis zum Kinn hängen müssen, doch die hatte er abgedeckt gehabt. Es sah schlimmer aus, als Stegi sich gefühlt hatte. „ Stegi hör auf zu reden. Sonst heult Tim den ganzen Tag, oder erleidet noch nen Zuckerschock, oder etwas in der Art.", meinte Rafi schelmisch grinsend. Wahrscheinlich hatte er damit recht. Aber er wollte gerade am liebsten in die ganze Welt hinaus schreiben, dass er Tim liebte. Jetzt war eh alles egal, es zählte nur noch ihr kleines wir. Stegi, Tim und Veni und Tobi. Wie hatte er es auch nur einen Moment ohne Tim ausgehalten, geschweige den mehrere Jahre. Der Gedanke schien ihm so unwirklich. „ Ok, was haben wir den bitte verpasst? Muss ja heftig sein, wenn Tim heulen in Stegis Armen liegt.", begrüßte Fredi sie. Hinter ihm konnte er auch Pat ausmachen. Er hatte ehrlich gesagt nicht gedacht, dass sie hier noch auftauchen würden. Unbedeutend zuckte Stegi mit den Schultern. Sie konnten ruhig ein bisschen raten. Der blonde forderte die beiden aber stumm dazu auf, sich zu ihnen zu setzten. Sie waren immer noch irgendwo Freunde, wenn auch lang nicht so fest wie damals. „ Leude jetzt sagt schon, weshalb heult Tim. Das letzte mal hab ich ihn heulen sehen, als er und Stegi sich getrennt hatten.", wollte Pat neugierig wissen. Was einfaches konnte es ja nicht sein. So einfach brachte man Tim nicht zum heulen. Wie gesagt, das letzte Mal, dass Stegi zumindest Spuren von Tränen sah, war nach ihrer Trennung. Wobei halt. Als er sich im Wald hatte runterstürzen wollen, hatte Tim ebenfalls geheult. Den Gedanken verwarf er aber ganz schnell wieder. Daran sollte er nicht mehr denken. „ Darf ich?", fragte Tobi und sah dem Omega dabei in die Augen. Dieser nickte nur. Sollte Tobi ruhig. Sie würden es eh irgendwann erfahren. Allerspätestens wenn sich die Presse auf sie stützte und kein Detail ihrer Story ausließ. „ Ums kurz zu fassen, Tim und Stegi haben den horizontalen Tango getanzt und Stegis Worte eben haben Tim die Fassung verlieren lassen." Möglichst unschuldig versuchte Stegi zu lächeln, doch die Wortwahl ließ ihn lachen. Die beiden Beta starrten ihn dafür ungläubig an. „ Wait ihr habt miteinander, also ihr seid gebunden?" Nickend lehnte Stegi seinen Kopf leicht zur Seite und entblößte so das kleine Zeichen, welches seinen Rang zeigte. Alles außer Omega kennzeichnete ihm unter anderem als gebunden. Wenn möglich wurden ihre Blicke jetzt noch ungläubiger. Sein Rang war ja auch noch mal was besonderes. Er löste sich von Tim, wischte ihm die letzten Tränen weg und küsste ihn noch mal kurz beruhigen.

Teil 1 Bis zum letzten Atemzug// Auf der StraßeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt