1993"Hast du von Clarke gehört?" fragt Will als er nach Hause kommt.
Unser Junge hat vor wenigen Wochen, im Alter von 18 Jahren, die Schule abgebrochen und ist nach Hollywood gegangen, voller Träume und dem Wunsch, Schauspieler zu werden. Mein Mann hat mit allen Mitteln gegen diese Entscheidung gekämpft. Er will, dass aus unserem Sohn mal etwas wird, dass er sich ein gewisses Minimum an Bildung zulegt, um im Leben bessere Chancen zu haben. Ich habe zunächst Will unterstützt, aber als ich verstanden habe, dass Clarke sich von seinem Vorhaben nicht abbringen lassen würde, habe ich ihm etwas Geld mitgegeben und ihm alles Gute gewünscht. Mit Will habe ich ebenfalls versucht zu reden, aber er hat es leider doch nicht rechtzeitig eingesehen. Jetzt haben mein Sohn und mein Mann eine eher nüchterne Beziehung. Zumindest im Moment. So, wie ich die beiden kenne, werden sie das allerdings früher oder später wieder geregelt kriegen.
Zurück zu Wills Frage: "Nein, Schatz, ich habe leider nichts von ihm gehört. Er meinte aber, er meldet sich diese Woche nochmal. Vielleicht ja morgen."
Mein Mann nickt und seufzt. Er gibt mir einen Kuss und setzt sich anschließend auf einen Küchenstuhl. "Vielleicht. Hat er dir erzählt, wie seine Karriere so läuft?"
"Nur sehr vage. Ich vermute, er hat Startschwierigkeiten. Das soll vorkommen." antworte ich.
Trish kommt in die Küche. "Hallo Dad. Wie sieht's aus, gibt's gleich Essen?"
"Gleich, Schatz. Deck doch schonmal den Tisch." kriegt sie zur Antwort. Sie nickt und macht sich an die Arbeit.
Meine Tochter ist mittlerweile zu einer sehr hübschen jungen Frau herangewachsen. Sie hat braune Haare, genau wie ich. Außerdem grüne Augen und eine Körpergröße von ungefähr 1,70 m. Patricia ist fast das genaue Gegenteil von ihrem Zwillingsbruder. Sie ist vorsichtig, vernünftig und ehrgeizig. Sie ist in der Schule immer gut gewesen, besonders in Physik. In vier Wochen ist die Schulabschlussfeier.
Unser gemeinsames Abendessen als Familie wird von einem Läuten an der Tür unterbrochen. Trish geht nachsehen, wer das sein könnte und als sie zurückkommt, hat sie einen leicht missbilligenden Ausdruck im Gesicht. Eine Sekunde später erfahren mein Mann und ich, warum.
"Clarke!"
Unser Sohn kommt zögerlich ins Zimmer. Sein Anblick ist eine Freude für mich. Er sieht seiner Schwester durchaus ähnlich. Er hat dunkelblonde Haare und grüne Augen. Außerdem ist er sehr schlank und wirkt momentan etwas verlegen. Hinter ihm kommt eine junge Frau mit ihm ins Zimmer.
Will und ich sehen uns an. Na, auf diese Erklärung bin ich wirklich mal gespannt.
***
"Hollywood war anders, als ich gedacht hatte." erzählt Clarke. "Ich habe nebenbei als Kellner gearbeitet, um durchzukommen. In der Bude, wo ich gewohnt habe, wohnten auch viele andere Leute, die gerade versucht haben, Karriere zu machen. Da habe ich auch Irene kennengelernt." Mein Sohn greift die Hand seiner Freundin und schenkt ihr ein leichtes Lächeln. Ich nehme mir einen Moment um die Freundin meines Sohnes genauer zu betrachten. Sie ist sehr dünn, blond und wirkt mit ihren ebenfalls blonden Wimpern und ihren Sommersprossen ein wenig blass. Was persönliche Urteile angeht, werde ich mich zurückhalten, bis ich sie besser kennenlerne.
"Es freut uns, dass du jemanden gefunden hast, der zu dir passt. Und Irene, schön, dich kennenzulernen. Aber das erklärt nicht wirklich, warum ihr beide hier plötzlich unangekündigt hereigeschneit kommt. Und versuch bloß nicht zu behaupten, du hättest Heimweh. Die Ausrede hat nicht funktioniert als du dich vor der Klassenfahrt ins langweilige Moor drücken wolltest und sie wird auch jetzt nicht funktionieren." Ich sehe meinen Sohn auffordernd an.
Er seufzt. "Was ich zu sagen versuche, Mom, ist, dass Irene und ich Hollywood satthaben. Ich würde gerne wieder hier wohnen. Wir beide wollen das. Zumindest bis wir eine Bleibe für uns gefunden haben. Wir würden uns Jobs suchen und hier niederlassen."
"Das klingt durchaus vernünftig, mein Junge. Aber irgendwie überhaupt nicht nach dir." kommentiert Will und sieht unser Kind mit zwei fast sichtbaren Fragezeichen in den Augen an.
Clarke und Irene tauschen einen Blick. Sie wirken verlegen, Irene sogar noch mehr als Clarke. In meinem Kopf drehen sich Zahnräder wie bei einem Uhrwerk und versuchen zu entschlüsseln, was mit den beiden los ist. Da hebt Irene ihren Blick. Zaghaft sieht sie mich an. Der Blick in ihren Augen kommt mir vage bekannt vor... wenn man da jetzt die Beschämtheit und die Schüchternheit rausnehmen würde sagt dieser Blick doch eigentlich...
Und plötzlich weiß ich, was hier los ist.
"Du bist schwanger." sage ich zu Irene. Ich lasse es absichtlich nicht wie eine Frage klingen. Irene sieht mich für einen Moment erschrocken an, dann wird sie puterrot im Gesicht und sieht weg. Clarke starrt auf seine auf dem Tisch gefalteten Hände. Keiner der beiden widerspricht mir.
Will seufzt. "Auch das noch."
"Na, das hast du ja toll hingekriegt, Bruderherz!" kommentiert Patricia, "Erst Schule abbrechen und da das offenbar noch nicht genug war, auch noch gleich deine Freundin schwängern."
"Deine schwesterliche Unterstützung ist äußerst rührend." bemerkt Clarke, etwas murmeld und immernoch verlegen.
Ich entscheide, das eine weitere Ladung Kritik in dieser Situation begrenzt hilfreich sein wird. "Also gut, herhören bitte: wir werden jetzt zwei weitere Teller holen, Clarke und Irene werden zusammen mit uns zu Abend essen und anschließend werden wir uns alle ins Wohnzimmer setzen und über die Situation reden. Damit wir entscheiden können, was als Nächstes passiert. Jetzt gerade haben diese beiden hohlen Nüsse eine lange Reise hinter sich und in Irene's Zustand sollte sie sich schonen. Okay?"
Alle fügen sich meinem Vorschlag. Ob das daran liegt, dass alle gerade emotional strapaziert sind oder daran, dass sich keiner mit mir anlegen will, weiß ich nicht. Ist aber meiner Meinung nach sowieso völlig irrelevant.
Es folgt ein sehr schweigsames Abendessen und anschließend eine extrem lange Unterhaltung. Letztendlich einigen wir uns darauf, dass Clarke und Irene erstmal bei uns im Haus wohnen werden. Sie werden sich beide eine feste Arbeit suchen und Will und ich werden ihnen mit dem Baby helfen. Will ist danach so erschöpft, dass er sich sofort auf unser Zimmer zurückzieht. Irene tut es ihm nach. Trotz der Umstände habe ich das Gefühl, dass mein Mann die Freundin unseres Sohnes ganz gerne mag.
Jetzt sind nur noch meine Zwillinge uns ich übrig. Clarke setzt sich neben mich und sieht mich an. Seine Verlegenheit ist mittlerweile fast ganz verflogen. "Bist du sehr enttäuscht von mir, Mom?"
Ich nehme seine Hand. "Ich halte dich gerade für einen liebenswerten Trottel, das gebe ich zu. Aber alles in allem bist du eigentlich nicht übel geraten. Und jetzt wirst du Vater. Denk mal darüber nach. Freust du dich?"
"Ja, schon," mein Junge lächelt zaghaft, "aber irgendwie ist es auch beängstigend. Ich weiß gar nicht, wie man mit Babies umgeht."
Ich lächele ihn an und drücke seine Hand. "Es ist normal, nervös zu sein. Ich meine, du und Trish, ihr seid die ersten und einzigen Kinder, die ich je hatte. Und es ist nicht so, als hättet ihr bei eurer Geburt eine Gebrauchsanweisung mitgebracht. Aber euer Vater und ich haben unser Bestes getan. Und das werden du uns Irene auch tun."
"Danke, Mom." Clarke drückt meine Hand und atmet einmal tief ein und aus.
"Jaja, schön und gut," meldet sich jetzt Trish, "aber eine Frage habe ich noch: Mom, du und Dad hattet doch Geld beiseitegelegt, damit Clarke und ich zur Uni gehen können. Aber mein liebes Brüderchen wird ja jetzt gar nicht mehr zur Uni gehen. Heißt das, sein Anteil geht an mich und ich kann mir eine extra gute Uni aussuchen?"
"Na, du hast ja Prioritäten!" kommentiere ich und lache ein bisschen. Zu einem gewissen Grad kann ich sie verstehen. Immerhin träumt sie seit Jahren davon, aufs MIT gehen zu können.
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Die Mate des Kriegers
WerewolfAnfang der 70er Jahre erkennt ein mächtiger Werwolfkrieger eine junge Menschenfrau als seine Mate. Er nimmt sie mit und sie lebt von nun an bei ihm. Allerdings ist sie sehr stur und liebt nichts mehr als ihre Freiheit. Außerdem hatte sie, bevor ihr...