Kapitel 10

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Ich stelle gerade den Salat auf den Tisch, als Alex ins Esszimmer kommt und mich sieht.

"Meine Eltern werden gleich hier sein. Du solltest dich besser jetzt umziehen." sagt er.

Meine Antwort ist so freundlich, wie es bei ihm irgendwie geht. "Mein lieber Alex, ich habe nicht vor, mich umzuziehen."

Alex nimmt meine Kleidung unter die Lupe. "Das willst du tragen?? Auf gar keinen Fall! Geh nach oben und zieh dir ein Kleid an!" lautet sein Urteil.

Und meine höchst respektvolle Antwort lautet: "Nö!"

Alex rauft sich die Haare. "Herrgott, ich will doch nur, dass meine Eltern dich mögen! Immerhin bist du ihre zukünftige Schwiegertochter! Ich möchte, dass sie denken, du bist ein nettes, liebes Mädchen, das eine gute Lebensgefährtin für mich ist und mal eine gute Mutter sein wird. Aber mit deinen ewigen Schlaghosen siehst du aus wie eine Draufgängerin!"

"Aww, danke!" gebe ich gut gelaunt zurück. Und ernte einen verwirrten Blick als Antwort.

20 Minuten später klingelt es an der Tür. Alex hat es nicht geschafft, mich zum umziehen zu überreden. Ich liebe meine Schlaghosen nun mal und fühle mich mit ihnen wohl und sicher. Wenn seine Eltern damit ein Problem haben, werden wir auf lange Sicht vermutlich sowieso nur schwer miteinander auskommen. Also wäre es doch sinnlos mich zu verstellen.

Alex' Vater heißt Mark. Er hat braune Haare und dunkle Augen. Außerdem ist er groß und muskulös und mustert mich einschätzend von Kopf bis Fuß. Seine Frau, Angela, hat schwarze Haare und eisgraue Augen. Und Mann, diese Augen können einen echt gruseln! Aber dennoch wirkt sie freundlicher als ihr Mann und kommt sofort zu mir. Sie lächelt mich an und reicht mir ihre Hand.

"Hallo! Du musst Gerda sein. Ich bin Angela, Alex' Mutter. Und ich freue mich, dich kennenzulernen. Und ich freue mich für euch. Wir waren angenehm überrascht als wir von dir hörten. Nicht jeder findet seine Mate so schnell." sagt sie herzlich. Ich lächle zurück und schüttle ihre Hand. "Die Freude ist ganz meinerseits, Angela. Und ich stimme Ihnen zu: als Mate entdeckt zu werden war sehr überraschend."

Jetzt könnte ich vermutlich von all den interessanten Gesprächen erzählen, die ich mit Mark und Angela hatte. Wie gut wir uns verstehen. Und wie wir uns danach voneinander verabschiedet haben mit dem Versprechen, uns bald wieder zu sehen. Aber das werde ich nicht tun. Wäre auch gelogen; und ich lüge nie!

Die Gespräche verliefen zwar ganz gut, wenn auch etwas oberflächlich. Wir erzählten uns allen, woher wir kamen (alle von hier), wie mir mein neues Leben gefällt (an dieser Stelle drückte ich mich sehr vorsichtig aus und sagte 'interessant' und 'unerwartet') und wie sehr sich Angela und Mark doch für uns freuen würden. Zwischendurch bin ich einmal in die Küche gegangen, um den Eistee aus dem Kühlschrank zu holen. Als ich dabei aus dem Küchenfenster sah, sah ich einen jungen Mann mit blonden Haaren, der gerade an unserem Haus vorbeiging. Für einen Moment dachte ich, es sei Will. Aber als ich genauer hinsah, sah ich, dass ich mich geirrt hatte. Gott, ich dachte schon wieder an Will! Das tue ich dauernd. Die Dates mit Alex und dass ich langsam anfange, ihn ganz in Ordnung zu finden, ändern daran nichts. Ich habe ihn jetzt länger nicht gesehen. Seit Alex mich gefunden hat nicht mehr. Und verdammt, ich vermisse ihn! Ich vermisse ihn schrecklich!

Schließlich, nach dem Essen und längeren Gesprächen, verabschieden sich Mark und Angela wieder von uns.

Im Flur zieht Angela mich aber nochmal beiseite.
"Hör mal, Gerda..." sie mustert mich und scheint nach den richtigen Worten zu suchen. Schließlich holt sie Luft und sagt: "Gerda, ich denke, du bist ein tolles Mädchen. Du wirkst ehrlich, aufgeweckt und stark. Es ist nur... ich habe das Gefühl, dass du dich noch nicht wirklich gut mit Alex verstehst. Weißt du, Alex hat sein ganzes Leben schon durchgeplant. Er weiß ganz genau, was er will und arbeitet hart daran, es zu erreichen. Er kann daher, wie du vielleicht schon gemerkt hast, ein bisschen stur. Er ist eben sehr ehrgeizig. Sein Plan fürs Leben schließt auch dich mit ein. Und er hat dir darin eine Rolle zugeteilt. Das einzige Problem, das ich da sehe ist... dass du dich nicht richtig mit dieser Rolle identifizieren kannst. Dass du momentan eigentlich etwas anderes willst." Sie seufzt. "Du und Alex, ihr seid Mates! Ich bin mir sicher, ihr werdet es hinkriegen. Und du wirst dich sicher bald an dein neues Leben gewöhnt haben. Aber bitte, Gerda: Alex macht sich große Hoffnungen auf einen schnellen Start in sein Leben. Wenn du ihm also sagst, dass du etwas Anderes willst, dann überlege es dir bitte nochmal genau. Und sage zu allem, was er vorhat bitte nicht gleich Nein, das würde ihn unendlich tief enttäuschen!" Am Ende ihres Vortrages sieht sie mich bittend an.

Ich bringe sie zur Tür und überlege, was ich darauf antworten könnte. Als sie schon im Türrahmen steht, sage ich schließlich: "Wenn das so ist, dann sage ich erst morgen Nein. Guten Tag noch, Angela."

Damit schließe ich die Tür vor ihrer Nase.

"Wozu willst du denn Nein sagen?" fragt mein Mate.

Ich lächle ihn verbindlich an und sage: "Das erfährst du morgen."

Und das tut er auch. Gleich am nächsten Morgen sage ich ihm meine Meinung. Sie gefällt ihm ganz und gar nicht.

Die Mate des Kriegers Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt