Kapitel 23

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Die Kapelle in unserer kleinen Stadt in Idaho ist klein, aber süß. Heute ist sie außerdem mit weißen Bändern geschmückt. Welche zwar schon ein bisschen mitgenommen aussehen - vermutlich werden sie immer rausgeholt wenn jemand hier heiratet - aber sie wirken immernoch unglaublich festlich. Ich betrachte die Einrichtung weiter. Kirchenbänke aus Holz, ein Altar mit weißem Tuch und zwei große Kerzen an den Seiten. Außerdem eine kleine Bank für zwei Personen, die direkt vor dem Altar steht. Darauf werde ich in ein paar Stunden sitzen, zusammen mit Will.

Es ist gerade mal 7 Uhr morgens. Die Trauung ist für 10 Uhr festgelegt worden. Aber ich konnte einfach nicht schlafen. Ich bin unruhig. Ich warte immernoch darauf, dass dieser Tag anfängt, irgendetwas Unglaubliches in mir auszulösen. Unbändige, ungläubige Freude zum Beispiel. Oder vielleicht Torschlusspanik. Aber nein. Ich meine, natürlich bin ich aufgeregt, aber nicht allzu sehr. Und natürlich freue ich mich auch, aber ich flippe nicht wirklich aus deswegen.

Während ich noch tief in Gedanken versunken in der Kirche herumlaufe und meine Emotionen analysiere, wird hinter mir die Tür geöffnet. Ich drehe mich um. Zwei Frauen kommen in die Kapelle. Die eine hat schwarze Haare und ist etwa Mitte fünfzig, die andere ist in meinem Alter und hat rote Haare. Es sind Tante Robin und meine Brautjungfer Frances.

Frances Green habe ich vor zwei Jahren, als ich zum ersten Mal in die örtliche High School ging, kennengelernt. Sie und ich sind sofort Freundinnen geworden. Frances ist sehr nett und energetisch, ich mag sie sehr.

"Ach, hier hat sich die Braut also versteckt." sagt Tante Robin missbilligend. "Junge Dame, in wenigen Stunden musst du fertig als Braut vor diesen Altar treten. Mit anderen Worten, komm sofort nach Hause, wir müssen dich noch frisieren, dich deinen Eltern ausliefern und den Empfang deiner Heimatsfreunde überleben."

Ich hebe die Augenbrauen. "Hmmm. Das meiste davon habe ich tatsächlich verstanden. Aber was meinst du mit 'mich meinen Eltern ausliefern'?" frage ich.

Frances kichert amüsiert. "Das bedeutet, deine Eltern kommen und wollen dich unter vier Augen sprechen. Sie dürften in etwa einer Stunde hier sein." beantwortet sie freundlich meine Frage.

Ich nicke. Dann gehe ich zu ihnen hin und hake mich bei Frances unter. "Na dann mal ab nach Hause mit uns." sage ich grinsend. Robin schüttelt leicht den Kopf, folgt mir und Frances aber aus der Kapelle raus.

Wenig später befinde ich mich allein mit Frances in meinem kleinen Zimmer. Mein Hochzeitskleid hängt vor meinem Schrank und auf dem Nachttisch steht alles, was ich zum Schminken und Frisieren brauchen werde. Natürlich ist das hier nicht wirklich mein Zimmer. Es ist eigentlich das Gästezimmer, aber da es Unglück bringt, wenn der Bräutigam die Braut direkt vor der Hochzeit sieht, habe ich die letzte Nacht hier verbracht. Sonst schlafen Will und ich immer zusammen in einem Zimmer.

"Ist alles in Ordnung, Gerry? Du siehst irgendwie seltsam aus." meint Frances plötzlich.

Ich sehe sie an und sage ihr was lo ist. "Ich hatte irgendwie erwartet, dass dieser Tag sich... spektakulärer anfühlen würde. Ich meine, heute ist mein Hochzeitstag! Sollte ich da nicht total die Nerven verlieren?"

"Hast du Zweifel?" fragt mich meine Freundin besorgt.

Ich lache. "Natürlich nicht! Will und ich sind eins, genau wie wir es immer waren! Uns beide gibt es nur im Doppelpack, das war schon immer so!" antworte ich. Und das stimmt auch. Daran, dass ich mein Leben mit Will verbringen will, gibt es nicht die geringsten Zweifel.

"Vielleicht ist gerade das der Punkt." meint Frances jetzt. "Die Hochzeit heute soll doch nur bestätigen, dass ihr zwei ein Paar seid. Im Grunde wird dabei also nur etwas offiziell gemacht, das du sowieso schon seit Ewigkeiten weißt."

Jetzt lächele ich. "Du hast Recht! Ich denke, besser kann man meinen jetzigen Gefühlsstand gar nicht beschreiben! Hatte ich dir eigentlich schon mal gesagt, dass du ein Genie bist, Fran?" sage ich enthusiastisch.

Sie grinst. "Noch nicht oft genug."

Frances hilft mir beim Schminken und Frisieren, auch wenn es nicht wirklich viel zu tun ist. Wir lassen meine Haare großteils offen, nur zwei Strähnen rechts und links werden nach hinten gebunden. Dazu noch blassrosanen Lippenstift und ein bisschen Wimperntusche. Mein Brautkleid ist einfach, aber elegant. Einfacher weißer Stoff mit herzförmigem Ausschnitt. Das Kleid hat keine Ärmel und einen locker fallenden Rock, der mir bis zu den Knien reicht. Es dauert nicht lange, dann bin ich soweit.

Und kurz nachdem ich fertig geworden bin, kommen auch schon meine Eltern rein.

"Gerda! Meine Tochter, du sieht wunderschön aus!" sagt mein Vater.

"Ich kann es kaum glauben! Mein kleines Mädchen wird heiraten! Aber...", meine Mutter kaut nervös auf ihrer Unterlippe, "bist du dir auch sicher, dass du Will heiraten willst? Ich meine, du hast einen Mate! Bist du dir sicher, dass du nicht-"

"Ja, ich bin mir sicher, Mom." unterbreche ich sie sanft. "Ich war mir vor zwei Jahren sicher und ich bin mir auch jetzt sicher."

Ich stehe auf und umarme meine Eltern. "Ich bin so froh, dass ihr beide gekommen seid! Ihr habt mir gefehlt."

Seit ich nach Idaho gezogen bin, habe ich meine Eltern nur wenige Male gesehen. Sie kamen mich besucjen, wann immer sie es konnten. Außerdem mussten sie dabei aufpassen, dass Alex sie nicht verfolgen würde um mich zu finden, sagt Mom. Das beunruhigt mich manchmal, aber es scheint nicht allzu schlimm zu sein. Immerhin ist bisher nie etwas passiert und meine Eltern und meine Freunde sind heute nicht zum ersten Mal hier.

"Wir freuen uns auch, Liebes. Allerdings sind wir spät dran. Der Zug hatte Verspätung. Deswegen warten Maggie, Grace und die anderen auch schon in der Kapelle. Aber keine Sorge, ihr könnt euch ja später unterhalten." sagt Mom. Ich nicke.

"Kommst du dann, meine Kleine? Die Zeremonie beginnt gleich." sagt Dad. Ich nicke. Meine Mutter umarmt mich nochmal fest, wünscht mir Glück und verschwindet dann in Richtung Kapelle. Wo ihr Mann auf sie wartet.

Dad und ich gehen zu Eingang der Kapelle. Ich atme einmal tief durch. Dann umfasse ich meinen Blumenstrauß aus sehr vielen Löwenzahnblumen und Vergissmeinnichten und hake mich bei meinem Dad ein.

Wir gehen durch die Tür und zu den Klängen eines traditionellen Hochzeitsliedes den kurzen Gang der Kapelle entlang. Am Ende des Ganges wartet Will auf mich. Er sieht unglaublich gut aus in seinem Anzug. Und er lächelt mir freudig entgegen. Ein Lächeln, das ich nur zu gerne erwidere.

Mit einem letzten Kuss auf meine Stirn lässt mein Dad meine Hand los und Will und ich setzten uns gemeinsam vor den Altar.

Die Trauung ist sehr einfach. Der Priester liest ein paar Verse aus der Bibel zum Thema heilige Reise und Bund der Ehe. Zum Schluss fragt er noch, ob irgendwer einen Grund anzugeben hat, weshalb unsere Ehe nicht geschlossen werden sollte.

"Äh..." stammelt meine Mutter vorsichtig, wird aber von Tante Robin mit einem resoluten Ellenbogenhieb zum Schweigen gebracht. Sonst sagt niemand etwas.

Also stellt uns der Priester die alles entscheidenden Fragen: wollen wir einander heiraten?

Mit fester und sicherer Stimme sage ich: "Ich will!"


Hey,
Ich weiß, ich habe lange nichts mehr veröffentlicht. Momentan versuche ich, bei zwei Geschichten gleichzeitig weiterzuschreiben, was manchmal ein bisschen schwierig ist, da ich gleichzeitig noch Einiges für die Uni tun muss. Ich hoffe, das Kapitel gefällt euch trotzdem.
Frohe Weihnachten! 🎄🌟😊

Die Mate des Kriegers Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt