Kapitel 19

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Es ist noch sehr früh. Erst 4:30 Uhr morgens. Alex schläft neben mir. Ich betrachte ihn. Er sieht friedlich aus wenn er schläft. Süß irgendwie. Ich merke, wie ich in Gedanken seufzen muss. Eigentlich mag ich ihn ja sehr gerne. Aber was ich jetzt vorhabe, muss sein!

Ich stehe auf, ziehe mich leise im Badezimmer an, nehme meine Tasche und gehe. So leise wie möglich verlasse ich das Haus.

Es ist kalt und noch etwas neblig draußen. Der Ansatz des Sonnenaufgangs ist am Horizont zu sehen. Alle Häuser sind still und ruhig, alle schlafen noch. Ich gehe sonleise wie möglich zu dem Haus, in dem mittlerweile nur noch mein Vater wohnt. Er weiß schon, dass ich komme und lässt mich rein. Allerdings trägt er noch seinen Schlafanzug; warum auch nicht, er kann ja auch gleich wieder ins Bett, sobald ich weg bin.

Gähnend fragt er: "Ich hoffe, du hast dir das gut überlegt, Gerda. Dir ist klar, dass es hiervon kein Zurück gibt?"
Ich nicke. "Ja, ich habe es mir gut überlegt, Dad. Auch wenn es theoretisch eigentlich schon ein Zurück gäbe." antworte ich.

Er lächelt leicht. Es wirkt milde und etwas wehmütig. "Möglicherweise könntest du zurückkommen, ja. Aber wenn dein Mate Will ausfindig macht, wird er ihn töten. Da bin ich mir ziemlich sicher. Die Krieger der Werwölfe sind stolze Wesen. Sie lassen es sich nicht gefallen, dass ihnen jemand ihr Eigentum wegnimmt."

"Ich bin nicht Alex' Eigentum! Und deswegen ist das hier auch meine Entscheidung, nicht Wills! Außerdem sind Will und ich momentan noch nicht mal ein Paar. Er geht weg und hilft mir bei der Gelegenheit, auch hier weg zu kommen! Ich weiß noch nicht, was aus uns werden wird. Aber das ist auch nicht so wichtig. Wichtig ist, dass wir beide niemals den Anderen zu irgendetwas zwingen werden. Ob als Paar oder als Freunde, wir haben uns immer gut verstanden und uns immer respektiert!" sage ich.

Dad nickt. Er weiß was ich meine. Ich hatte es ihm schon erklärt. Da ertönt auch schon die Türklingel. Will ist da.

Ich umarme meinen Dad fest und wünsche ihm alles Glück der Erde. Ich sage ihm, dass ich ihm liebe und bitte ihn, mich unbedingt besuchen zu kommen. Er verspricht es.

Wills Vater bringt uns zum Bahnhof. Von dort aus wird ein Zug uns zu Wills Großeltern bringen.

Allerdings erwartet uns am Bahnhof noch eine Riesenüberraschung, die mir spontan den Tag versüßt. Am Bahnsteig stehen Grace, Linda, Maggie, David, Benny, meine Mom und ihr neuer Ehemann.

"Oh mein Gott! Ich fasse es nicht! Ihr seid alle hier? Alle so früh aufgestanden, um hier her kommen zu können?" rufe ich und renne zu ihnen hin.

"Und ob wir das sind!" verkündet Grace stolz. Sie ist diejenige, die mich als erste in eine feste Umarmung zieht. Ich drücke sie an mich. Dann lasse ich sie los um Benny, der direkt neven ihr steht, zu umarmen. Grace will mich aber nicht loslassen. Und da alle anderen ebenfalls auf Umarmungen aus sind, verwandelt sich die Situation sehr schnell in eine sehr große Gruppenumarmung. Mit all meinen Freunden. Nur meine Mutter und ihr Mann machen nicht mit, sondern stehen nur lächelnd daneben. Ich bin so froh darüber sie alle zu sehen, dass ich es gar nicht in Worte fassen kann.

Meine Mom umarme ich als nächstes.
"Und du bist dir ganz sicher? Immerhin ist er dein Mate!" versichert sie sich nochmal. Ich nicke.
"Ja, ich bin mir sicher, Mom! Mate hin oder her, das wird einfach nichts. Und freiwillig würde er mich nie gehen lassen. Es muss sein." erkläre ich ihr nochmal. Als ich es ihr zum ersten Mal erklärt habe, war sie vehement dagegen. Mittlerweile hat sie es einigermaßen akzeptiert.

Während wir im Zug sitzen, sagen Will und ich die ersten drei Stunden lang nichts. Wir sind beide mit unseren eigenen Gedanken beschäftigt. Ich denke an Alex. Was er wohl gesagt hat, als er gemerkt hat, dass ich nicht mehr da bin? Und wie wird er wohl meinen Brief aufnehmen?

Ich erinnere mich noch an jedes einzelne Wirt, das ich in diesen Brief geschrieben habe.

Alex,

Ich weiß, dass du und ich Mates sind. Sarah hat mir mal erklärt, was das genau bedeutet. Die Erklärung schien mir seltsam. Angeblich sind du und ich verbunden durch unsere Seelen. Zwei Hälften, die nur miteinander vollkommen sind. Wie gesagt, ich finde es seltsam. Dennoch glaube ich es und zweifele nicht daran. Ich kann die Verbindung, die ich zu dir empfinde, nicht beschreiben, trotzdem ist sie einfach da.

Aber, Alex, sie reicht nicht. Zumindest nicht für dich und mich. Vielleicht reicht sie für deine Eltern, Sarah und Brian und viele andere, aber nicht für uns. Du willst noch mehr in deinem Leben. Du willst ein großer Krieger werden. Deine Ziele sind sehr nobel und ich wünsche dir, dass du sie alle erreichst. Bestimmt wirst du irgendwann auch eine andere Frau kennenlernen. Eine, die gerne daheim bleibt und als einfache, nette Ehefrau und Mutter glücklich sein kann. Leider kann ich das nicht. Ich kann nicht damit glücklich sein mich nur nach meinem Partner zu richten. Und ich kann auch ganz sicher nicht damit glücklich sein, wenn dieser mir verbietet meine Freunde zu sehen. Ich verstehe, dass du nicht wolltest, dass ich mich mit anderen Männern treffe, aber diese Jungen waren seit vielen Jahren meine Freunde. Sie waren immer ein Teil meines Lebens und sind mir sehr wichtig. Dass ich mit ihnen befreundet sein wollte hat nie bedeutet, dass ich dich weniger mag. Das konnte ich dir aber nie wirklich begreifbar machen, auch wenn ich es oft versucht habe.

Ich will mein Leben selbst bestimmen. Ich will Kindergärtnerin werden und reisen und das Haus verlassen können wann immer ich will und ich will befreundet sein mit wem auch immer ich will. All das, das ist mir in den letzten Monaten klar geworden, werde ich mit dir nicht haben können. Also ist es besser, wir gehen von jetzt an getrennte Wege. Ich wünsche dir alles Glück der Welt.

Deine Mate Gerda
P. S.: Versuch bitte nicht mich zu finden.

Die Mate des Kriegers Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt