Kapitel 38

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2016

Meine kleine Enkelin hat letzte Woche einige Leute überrascht. Mich weniger als ihre Mutter, aber trotzdem. Sie hat uns verkündet, dass die hübsche Chloe und sie nicht nur Freunde sind; sie sind ein Paar. Natürlich bedeutet das hier, in unserer Provinz in Idaho, einiges an Schwierigkeiten. Aber meine süße Mercedes hat auch viele Menschen (und Werwölfe) um sich, die sie bedingungslos unterstützen.

Gerade stehen Merry, ihre Freundin und ich vor der örtlichen Universität und warten. Mein Sohn befindet sich gerade beim Universitätspräsidenten und redet mit ihm über Merry und ein eventuelles Studium. Irene und Clarke können sich die Studiumsgebühren nämlich nicht leisten und meine Unterstützung lehnen sie ab. Clarke meinte, ich hätte ihnen bereits mein Haus überlassen und ihnen geholfen als sie mittellos und in freudiger Erwartung aus Los Angeles zurückgekommen sind - diese Sache wollen sie selbst geregelt kriegen. Er sei schließlich kein Kind mehr. Selbstredend habe ich darauf eine Augenbraue gehoben und mit 'Ja, sicher, mein Baby' geantwortet und er hat den Mund verzogen und stoßartig ausgeartmet, so wie er es schon als Teenager getan hat. Egal wie als, er wird halt immer mein Kind bleiben.

"Glaubt ihr, er braucht noch lange?" fragt Merry während sie sich mit der Hand durch ihre blonden Locken fährt. Sie geht schon seit wir hier angekommen ist dauernd auf und ab und spielt dabei mit ihren Händen.

Ich stelle mich ihr in den Weg und bremse sie ab, indem ich meine Hände auf ihre Schultern lege. "Versuch bitte, dich zu beruhigen, mein Schatz. Es wird schon alles gut gehen, versprochen. Selbst, wenn sie Nein sagen. Sieh dir deine Eltern an: trotz Hürden im Leben haben sie es immer geschafft, das Beste aus dem Leben zu holen. Und das wirst du auch."

"Das ist kein besonders beruhigendes Beispiel, Grandma." Merry schüttelt den Kopf während sie dies sagt. Hmm. Es ist möglich, dass sie die früheren Karriereversuche oder auch einfach die ungeplante Schwangerschaft ihrer Eltern für wenig schlau hält. So wie ich damals. Naja, hoffentlich sagt sie das nicht laut vor ihren Eltern.

Chloe stellt sich mit geschürzten Lippen vor uns und nimmt Merrys Hand. "Das wird schon. Versprochen."

"Danke, Chlo."

Ich bin mir nicht sicher, ob es klug ist, etwas zu versprechen, das man möglicherweise nicht halten kann, sage aber nichts.
Glücklicherweise muss ich das auch gar nicht, denn in diesem Moment kommt Clarke aus dem Gebäude heraus. Bevor er auch nur Luft holen kann, wird er von seiner Tochter überfallen.

"Dad! Was haben sie gesagt?? Kann ich hier studieren? Kann ich?" Sie klammert sich an die Jacke ihres Vaters und schüttelt ihn.

Mein Sohn versucht, Merry zu beruhigen, aber er tut sich schwer. Mit einem leichten Gefühl von Mitleid, unterdrücke ich ein Kichern und ziehe Merry sanft von Clarke weg, damit er wieder atmen - und endlich antworten - kann.

"Also, es sieht so aus, als wäre es möglich..." beginnt er und wird spontan unterbrochen.

"Yuhuuu!" meine süße Enkelin reißt sich von mir los und springt auf und ab. Dann zieht sie Chloe zu sich hin, nimmt ihr Gesicht in die Hände und küsst sie fest auf ihre vollen Lippen. Chloe lächelt ein bisschen und errötet. Ich muss schmunzeln, besonders weil wir mittlerweile Aufmerksamkeit erregen und ein paar Leute um uns herum uns mit gemischten Gesichtsausdrücken anstarrren.

Ein junger Kerl, der aussieht wie ein Student hier, schüttelt den Kopf. "Scheiss-Lesben!" murmelt er.

Merry und Chloe drehen sich mit wütenden Gesichtern zu ihm um.

"Hey!" spreche ich Mister Diskriminierungs-Student an, "Verzieh dich, Kleiner! Und lern gefälligst ein paar Manieren. Ich weiß ja nicht, wer dir gesagt hat, es ist okay, jemanden so zu behandeln, aber derjenige hat dich angelogen!"

"Redest du mit mir?!" fragt er überheblich, eine Augenbraue gehoben.

Ich lächele mein bestes Wutlächeln. "Zeitverschwendung, nicht wahr? Ja, das weiß ich auch, aber ich dachte, ich versuch es trotzdem."

"Hast du irgendeine Ahnung, wer ich bin?!" fragt er, sichtlich irritiert jetzt.

Ich scanne ihn kurz mit meinem Blick, bis ich seinen Ring sehe. Den kenne ich. "Du bist der kleine Sohn vom aktuellen Alpha, korrekt? Kyle, wenn ich mich nicht irre."

Er nickt.

"Das ist schön für dich. Meine Enkelin beleidigen darfst du trotzdem nicht." sage ich ungerührt.

Der Kerl verengt die Augen. "Du hältst dich wohl für was Besseres, ha? Tja, Pech für dich, ich beleidige wen ich will. Versuch doch, mich aufzuhalten, Bitch! Los, versuch's doch!"
Seine kleinen Kumpels hinter ihm lachen.

Ich stelle mich hoch aufgerichted vor ihn und stämme meine Hände in die Hüften während ich ihn aus verengten Augen anfunkele. Den kleinen Bengel werde ich zermalmen!

Aber dann, bevor ich anfangen kann, unterbricht mich eine männliche Stimme von rechts.

"Kyle! So redet man nicht mit einer Dame! Großer Gott, Junge, hat dein Vater dir denn gar keine Manieren beigebracht?"
Ich drehe den Kopf in die Richtung aus der die Stimme kam und sehe einen hochgewachsenen Mann mit graumeliertem Haar, sympatischen, blauen Augen und einem feinen, dunklen Anzug, der gerade aus dem Hauptgebäude der Uni gekommen zu sein scheint. Er trägt eine Aktentasche und sieht Kyle strafend an.

Ich entscheide mich, ihm auf seine rhetorische Frage zu antworten. "Also, ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass er es versucht hat. Aber da unser aktueller Alpha ein Waschlappen ist, hat's vermutlich nichts gebracht."

"Hey! Das ist mein Vater von dem du da redest!" schreit Kyle.

Ich hebe eine Augenbraue in seine Richtung. "Ja, das merkt man."

"Du blöde, alte-"

"Das reicht jetzt!" Der Mann unterbricht Kyle und sieht ihn scharf an.

Zuerst denke ich, dass das nichts bringen wird, aber dann dreht Kyle sich widerwillig um und verschwindet, sein Mini-Rudel im Schlepptau.

Nun wendet sich der Mann an mich. "Ein Waschlappen also?"

"Ich fürchte, ja." Gegenüber diesem Gentleman würde ich ungern fies sein, also wahre ich Haltung. "Das ist zwar schade, aber trotzdem wahr."

"Tatsächlich..." er lässt das Wort so stehen und betrachtet mich eine Weile, ein leichtes Schmunzeln im Gesicht. Dann nickt er uns kurz freundlich zu und geht.

Ich wende mich an Clarke, Merry und Chloe. "Mein Schatz, ich freue mich riesig für dich! Ich weiß, du wirst dein Studium sehr genießen. Deine Tante hat es auch geliebt."

"Das glaube ich auch." Merry grinst.

Chloe legt einen Arm um sie und sieht mich neckend aus ihren grünen Augen an. "Und ich sowieso. Aber so nebenbei: wer war eigentlich der Kerl mit der Krawatte eben? Kennst du den?"

"Nee." Ich schüttele den Kopf, "Wer auch immer das war, er ist offenbar in meinem Alter und daher keins meiner Kindergarten Kinder gewesen."

Merry und Chloe tauschen einen Blick. Sie scheinen dezent amüsiert, aber das ist offensichtlich nicht alles.

"So interessant euer Austausch gerade auch klingt, ich fürchte, ich war noch nicht fertig mit Reden, kleiner Fratz." unterbricht uns mein Sohn, "Bist du bereit zu hören, dass du einen Nebenjob arbeiten wirst müssen und wir während deiner Studienzeit an ein paar Ecken und Enden sparen werden müssen, um dich da durchzukriegen?"

"Kriegen wir hin!" sagt Merry ohne zu zögern. 

Mein Herz schwillt mit Stolz als ich ihre Entschlossenheit sehe und rührt mich zu Tränen. "Ja, das werden wir, mein Schatz. Auf jeden Fall." bestätige ich, "Und ich werde mich beteiligen. Ich weiß, dass ich bei meiner Rente noch ein bisschen was abzweigen kann für das Studium meiner Enkelin."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 02 ⏰

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