Teil 21

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Als wir um kurz vor 20 Uhr das Haus betreten, ist es dunkel und still.... zu still.
"ALEX?" brüllen wir gemeinsam durch das ganze Haus.
Keine Antwort.
Ich schaue in der Küche, im Wohnzimmer und im Bad nach und Phil klappert alle anderen Zimmer ab.
"Und?" rufe ich Phil zu, der gerade aus Alex' Zimmer kommt.
"Nichts. Er ist nirgends!" besorgt kommt er die Treppe runter und wir setzen uns an den Küchentisch und trinken erst einmal ein Glas Wasser.

Ich greife nach meinem Handy in der Hosentasche und wähle seine Nummer.
Niemand nimmt ab, es klingelt durch.
Das Spielchen treiben wir abwechselnd ganze zwei Stunden lang.
"Sollen wir doch mal die Gegend absuchen?" Phil ist sichtlich nervös.
"Ich denke das bringt nichts. Er könnte überall sein und wenn er nicht gefunden werden will, dann findet man ihn auch nicht!"

Kurz vor 23 Uhr klingelt Phils Handy.
Er nimmt den Anruf an und schält den Lautsprecher ein.
"Funke" meldet er sich.
"Hi Phil, hier Oli. Kann es sein das ihr etwas vermisst?
Oder besser gesagt Jemanden?" scheppert die Frage durch das Handy.
Phil schluckt schwer und mir entweichen alle Gesichtszüge:
"Ist er eingeliefert...." weiter kommt er gar nicht, da Oli gleich dazwischen funkt:
"Nein. Er wurde nicht eingeliefert. Ich habe ihn vor 30 Minuten auf der Intensivstation bei diesem Mädchen gefunden.
Er schläft auf dem Stuhl neben ihrem Bett und ist total durchgeschwitzt.
Ich dachte, es wäre sinnvoller wenn Ihr ihn weckt und dann mit nach Hause nehmt.
Keine Ahnung wie er reagiert wenn ich ihn wegschicke, ungern möchte ich eine ähnliche Situation wie vor 3 Jahren heraufbeschwören!"
Wir beide atmen erleichtert auf.
"Danke. Sind auf dem Weg, bis gleich!"

"Boah, ich dachte schon es ist irgendetwas passiert" werfe ich Phil, mit Blickrichtung auf den Straßenverkehr, zu.
"Frag mich mal, mir ist fast das Herz stehengeblieben!"

Nachdem ich das Auto geparkt habe, spurten wir auf direktem Weg zur Intensivstation.
Oli scheint schon freudig auf uns zu warten, denn er nimmt uns gleich in Empfang.
"Hey, danke für den Anruf. Ist er schon wach?" begrüße ich ihn.
"Kein Ding. Ne, der hat sich glaub so richtig verausgabt, der schläft wie ein Stein".
"Wie geht's Thalia? Also dem Mädchen?" erkundigt sich Phil im nächsten Zug.
"Ganz ordentlich. Vitalparameter sind in der Norm!
Die Verletzungen sind nicht Ohne, haben wir aber alle Versorgt bekommen.
Ich hab ihr nochmal ne Ladung Beruhigungsmittel reingeballert, damit ihr Körper und vor allem ihr Kopf sich erholen können.
Jetzt schaut das ihr Alex da rausbekommt und er sich wieder beruhigt.
Wenn ihr Hilfe braucht, sagt bescheid"
"Danke Oli" entgegnen wir zweistimmig.

Nacheinander betreten wir das Intensivzimmer und werden von einem regelmäßig piepsenden Monitor begrüßt.
Dank der "Krankheit" die Ärzte nunmal besitzen, schaut sich Phil erst alle Werte von Thalia an, obwohl Oli das erst vor kurzem getan hat.
"Und Herr Doktor, sind sie zufrieden?" frage ich Phil neckisch.
Ein lachendes "Blödmann" kommt von diesem als Antwort.

Nun widmen wir uns Alex.
Besagter sitzt in Laufschuhen, kurzer Hose und Shirt auf einem Stuhl, während sein Oberkörper verdreht auf Thalias Füßen liegt.
Seine Haare sehen klatschnass aus und sein Shirt klebt wie eine zweite Haut an ihm.
"Na da hat sich aber einer bis aufs letzte verausgabt!" flüstert Phil zu mir und sieht mich unentspannt an.
"Dann wird er jetzt auch keine Kraft mehr zum rumstänkern haben, siehs positiv" zucke ich mit den Schultern.

Phil geht zu Alex und rüttelt an ihm, während er ein paar Mal seinen Namen flüstert.
Keine Reaktion.
Phil wird lauter, energischer und rüttelt kräftiger an ihm.
"Es tut mir so leid" flüstert Alex leise vor sich hin...
Phil blickt kurz zu mir, danach kniet er sich neben Alex und rüttelt nochmals fester an ihm "Alex, ich bins Phil! Komm, wir gehen nach Hause!"

Langsam kommt Regung in den Mann vor mir und er hebt den Kopf:
"Phil, was machst du denn hier?"
"Dich abholen und nach Hause bringen! Komm jetzt!" fordert Phil ihn auf.
"Nein, ich bleib hier!"
"Alex, du kannst hier gerade eh nichts für sie tun. Ausserdem hat sie nochmals ein Beruhigungsmittel bekommen und schläft mit Sicherheit bis morgen durch. Es bringt keinem was wenn du hier total fertig neben ihrem Bett rumhängst!" Phil greift Alex unter den linken Arm und zieht ihn langsam nach oben.
Nachdem er steht und ins Schwanken kommt, greife ich ihn am rechten Arm und zusammen stützen wir ihn um das Zimmer zu verlassen.

Hoffentlich bekommen wir ihn jetzt ohne Zusammenbruch ins Auto.

Im Flur der Intensivstation begegnen wir nochmals Oli:
"Wollt ihr ihn wirklich so mitnehmen? Ich kann ihn für die Nacht auch hier zur Beobachtung unterbringen?!"

Ich verstehe Olis Besorgniss, aber uns ist wohl allen klar, das Alex das absolut nicht Lustig finden wird, wenn er morgen früh hier im Krankenhaus unter Beobachtung aufwacht.

"Ne, wir machen das schon. Nochmal danke Oli. Wir sehen uns!" Phil lehnt Olis Angebot dankend ab.

Alex hängt mehr in unseren Armen, als das er selber laufen kann. Seine Augen kann er auch kaum offen halten.
"Der ist total fertig!" murmel ich vor mich hin und Phil bestätigt das mit einem "hmmmmm".
Kurz bevor wir die Klinik verlassen, zieht Phil seine Jacke aus und legt sie um Alex, damit er sich nicht den Tod holt.
Er zittert eh schon an einem Stück, da muss man es ja nicht herausfordern!
Am Auto angekommen, setzen wir ihn auf die Rückbank und legen ihm den Sicherheitsgurt an.
Phil setzt sich daneben und kontrolliert gleich den Puls, scheint schwach aber im Rahmen zu sein.
Mit Vollgas bringe ich uns mit dem Auto nach Hause.
Alex driftet unterwegs immer mal wieder ab und Phil ist bemüht ihn wach zu halten.
Er redet sich den Mund fusselig und man kann schon die trockene Kehle von ihm hören.

Nach einer gefühlten Ewigkeit haben wir es geschafft ihn ins Bad zu bringen.
"Los Alex, ausziehen, duschen, Bett!"
Uns wäre es auch lieber gewesen, hätten wir ihn gleich ins Bett bringen können, aber so durchgefrohren und verschwitzt wie er ist, musste das sein.
Während ich ihm eine Boxershorts und ein Thsirt aus seinem Zimmer hole, überwacht Phil Alex die ganze Zeit, damit er uns nicht zufällig abschmiert.

Mit so einem Zustand hätte ich jetzt echt nicht gerechnet.
Das gibt's doch nicht!

Als Alex sich, auf dem Klodeckel sitzend, das Tshirt im Schneckentempo über den Körper gezogen hat, fällt er seitlich gegen die Wand und Phil klatscht ihm gleich reflexartig eine auf die Wange: "ALEX!"
"Hmmmmm" mehr kann man auch einfach nicht erwarten.
Phil atmet erleichtert aus.
Somit schnappen wir Alex wieder unter den Armen und bringen ihn in sein Bett.
Kaum hat er sich hingelegt, ist er auch schon komplett weg.
Ich werfe noch seine Decke über ihn und Phil folgt mir in die Küche.
Alex' Zimmertüre lassen wir offen stehen, für alle Fälle.

Tief durchatmend fährt Phil sich durch die Haare, setzt sich auf den Küchenstuhl und ext das Glas Wasser, das ich ihm gerade vor die Nase gestellt habe.
Ich reibe mir mit beiden Handflächen durchs Gesicht:
"Oh Phil" bringe ich seufzend hervor.
"Wir müssen morgen früh dringend mit ihm reden Franco" er sieht mich eindringlich an.
Gähnend stimme ich ihm zu.
"Kompletter Nervenzusammenbruch mit körperlicher Verausgabung, ist echt nicht die beste Kombi. Er muss mit uns reden! Das endet sonst echt wieder böse. Das möchte ich ihm und uns echt gerne ersparen!"

Wir gleichen noch kurz unsere Schichten miteinander ab, Phil hat Spätschicht auf Station, ich Spätdienst auf dem NEF und Alex eh frei, das ist also perfekt.

Total fertig machen wir beide uns auf den Weg ins Bett.
Wir schauen nochmal kurz zu Alex.
Der schläft wie ein Toter, kein Mucks gibt er von sich!
Danach begeben auch wir uns in unseren wohlverdienten Schlaf.





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