Teil 28

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Sag doch was!
Öffne deine Augen!
Zucke mit den Mundwinkel oder beweg deine Hand!
Scheiß egal was....
ABER ZEIG MIR DAS DU WEIST, DAS ICH DA BIN!!!!BITTE!!!

Nichts regt sich, kein Geräusch ist zu hören (von dem Monitor und der Beatmungsmaschine abgesehen) und genau das macht mich wahnsinnig!

Nun rutsche ich seitlich an ihn dran und lege mich so gut es geht zu ihm dazu.
Mein linker Arm liegt über seiner Brust, meine Stirn drückt gegen seine linke Schläfe und meinen Körper schiebe ich so nah wie möglich an ihn dran.
Sein Geruch ist so beruhigend, so vertraut und wird so sehr Gebraucht!

"Ich vermisse dich Marc! Du fehlst mir Wahnsinnig! Es tut mir so leid, das ich weggelaufen bin! Kannst du mir verzeihen?
Ich möchte mit dir zusammen aus diesem Krankenhaus rauslaufen und wieder lachend unser Leben genießen. Du bist der Einzigste der mir geblieben ist, der mir was bedeutet, den ich so sehr brauche.......
Weist du noch als wir uns kennengelernt haben?
Da hatte ich gerade ne Flasche Jacky geklaut und dieses Polizeipack war mir dicht auf den Fersen. Als ich um die Ecke bog, hab ich dich fast über den Haufen gerannt. Erst hast du gemotzt, aber als du die Situation verstanden hast, hast du dich denen einfach in den Weg geschmissen, sodass sie volle Karacho über dich drüber gestolpert sind. Hahahaha.
Als die zwei da so regungslos auf dem Boden lagen bist du mir hinterher gerannt und da du viel schneller warst als ich, hast du mich an meiner Hand gepackt und mir dein Versteck gezeigt. Dort haben wir gemeinsam unseren Sieg mit dem Jacky gefeiert. Ich hatte von Anfang an das Gefühl, das ich dir Vertrauen kann. Und von da an waren wir unzertrennlich. Das ist jetzt schon zwei Jahre her, verdammte zwei Jahre!! Noch ein knappes halbes Jahr und dann kann ich mit 18 endlich tun was ich will und wir können den ganzen Tag zusammen sein, jeden Tag... und nicht nur nachts. Dafür musst du aber gesund werden! Hörst du?!"

Der Monitor macht komische Geräusche.
Ich kann nicht wirklich zuordnen ob das gut oder schlecht ist.

Ich küsse ihn auf die Backe und drücke ihn ganz leicht:
"Du musst zu mir zurückkommen, hörst du? Lass mich nicht alleine! Ich schaff das nicht!!"

Der Monitor fängt an Alarm zu schlagen.
Entsetzt starre ich diesen an und danach starre ich Marc wieder an:
"Tu das nicht!" kommt es zittrig von mir:
"Verdammt was machst du denn?"
angsterfüllt stütze ich mich auf und blicke abwechselnd zu Marc und dann zu dem Monitor.

Schnelle Schritte betreten das Zimmer und Oli bahnt sich den Weg zu Marc, indem er meine Hand nimmt und mir vom Bett aufhilft.
Plötzlich kommt auch noch Phil hinterhergerannt.
"Geh raus Thalia" er will mich doch tatsächlich wegschicken.

Das zuvor taktvolle gepiepse verwandelt sich in eine durchgezogene schrill pfeifende Linie.

"Marc du musst wieder aufwachen! Du kannst nicht einfach so sterben!"
Eine Schwester umfasst meine Arme und will mich hinausführen.
Großer Fehler!
Meine Wut, die Verzweiflung und meine Angst knallen aufeinander und ich stoße sie von mir.

Als mich dann zwei starke Arme von hinten packen, werde ich hysterisch und versuche mich zu befreien.
Keine Chance...
Ich brülle immer wieder, das sie mich lassen sollen und das sie Marc retten müssen!
Meine Kräfte werden immer geringer, jedoch habe ich noch genug Stimme zum schreien übrig:
"Helft ihm doch!! Macht doch was. Ihr könnt ihn doch nicht einfach gehen lassen!"

So kräftig ich kann, stemme ich meine Füße in den Boden, in der Hoffnung.....

hmmm in welcher Hoffnung eigentlich?
Was war denn jetzt noch übrig auf das ich hoffen konnte?
Was bedeutet Hoffnung eigentlich?
Ich weiß es nicht genau, ich weiß nur das ich ab diesen Minuten auf gar nichts mehr hoffen kann....die Hoffnung ist gestorben, ausgelöscht und wegradiert aus meiner Seele.

Die Person hinter mir hat immer noch beide Arme um mich geschlungen, damit ich meinesgleichen nicht mehr bewegen kann.
Langsam gleite ich gezwungenermaßen auf den Boden, immernoch fest im Griff.
Mein Oberkörper wird von dieser Person an sich herangezogen und ich verspüre die Wärme des Körpers.
Eine ruhige Stimme dringt leicht zu mir durch und ich muss kurz meine Klappe halten um sie zu verstehen:
"Ssschhhh, Thalia beruhige dich! Ich bins Alex! Es ist okay wenn du traurig bist, aber höre auf dich so zu wehren!

"Es ist mir scheißegal wer da ist und wenn der Papst hinter mir sitzt.... lass mich endlich los! Lass mich in Ruhe! Lasst mich alle in Ruhe!" schreie ich aus vollen Leibeskräften.

Mein Körper brennt vor Wut, die unbeherrschtheit nimmt immer mehr Kontrolle von mir ein.
Vor meinen Augen stellt sich ein Flackern ein....es nimmt mit jedem Schrei zu.
Innerlich verbrennt meine Seele und scheint nur noch triste Grautöne übrig zu lassen.
Auch die letzte Farbe in meinem Leben ist nun verschwunden und ausgelöscht!

"Thalia hör bitte auf und komm runter!" die Stimme hinter mir wird schon etwas energischer.

Mittlerweile hat die Ärzteschaft, die vor ein paar Minuten um das Leben meines Freundes gekämpft hat, die Bettdecke über seinen Körper gelegt.
Sie starren mich alle mit diesem mitleidigen, trösten wollenden Blick, an.

Kurz werde ich still und bewege mich kein Stück mehr.
Ich blicke durch sie hindurch....

Er ist weg! Für immer! Er wird nie wieder kommen!! Du bist ALLEIN!

Die Wut und die Trauer machen sich bereit für die nächste Runde.
Zuerst schießen mir unzählige Tränen in die Augen, die ungehindert meine Wangen hinablaufen.
Das Feuer brodelt in mir und kriecht langsam in jede Faser meines Körpers.

Alex muss es bemerkt haben, denn er ruft Phil hektisch zu:
"Phil, das wird nichts mehr... hole schnell Dormicum, bevor es noch böse endet"... auf diesen zuruf spurtet Phil aus dem Zimmer und kommt keine Zwei Minuten später zurück.

Mittlerweile zappel ich schon wieder wie wild, umschlossen von Alex' Armen, obwohl mir klar ist, das ich gegen ihn nicht ankomme.

Phil läuft mit einer Spritze in der Hand auf mich zu und seine besorgten Blicke machen mich nur noch wütender....

Zwischen Wut, Erschöpfung, Tränen und den letzten Versuchen mich zu befreien kommt jetzt noch eine schöne hyperventilation hinzu...
Ich höre auf zu zappeln und stützte mich mit beiden Armen auf Alex Oberschenkel ab.
Die Luft scheint nicht mehr in mein Inneres zu gelangen und gierig schnappe ich immer wieder danach.
Das röcheln aus meinem Munde macht mich wieder panischer und in diesem Moment glaube ich zu ersticken.

Plötzlich habe ich einen festen Druck auf meinem Brustbein und meiner Stirn....
Alex Hände haben sich dort abgelegt und er zieht mich ganz nah an sich heran:
"Gaaanz langsam.. einatmen..... halten... Ausatmen.... einatmen.... halten... ausatmen".
Ich kann spüren wie er mit mir mitatmet und ich lasse mich völlig auf ihn ein.
Es wird von Zeit zu Zeit besser und ich bekomme wieder mehr Luft.

Alex umklammert mich nicht mehr, sondern hat seine Arme auf seinen aufgestellten Knien abgelegt und scheint auf irgendetwas zu warten.

Phil steht da vor mir, mit der Spritze in der schlaff hängenden Hand und mustert mich scharf.
Er scheint ebenso auf etwas zu warten.... soll ich jetzt auch warten?
Warten was passiert?

Als ich so angelehnt an Alex dasitze, seine Wärme und seine Ruhe verspüre und seinem regelmäßigen Atem lausche, zieht es meine Augenlider immer mehr nach unten.
Ich habe keine Kraft mehr dagegen anzukämpfen und schließe daher meine Augen....

Jetzt weiß ich worauf sie gewartet haben.

Meinen Körper beschleicht eine bleierne Schwere und ich kann nicht den kleinsten Teil meines Körpers bewegen.
In meinem Kopf schwirren vereinzelte Worte umher, bis die Schwärze alles in sich versinken lässt......

Wenn deine Welt ihre Farben verliertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt