"Was willst du denn schon wieder bei den alten Knackern?", Tabea verdreht die Augen, als ich meinen Rucksack unter meinem Bett hervorziehe und ihn mit ein paar Klamotten bestücke.
Ich überlegte einen kurzen Moment, ob ich ihr als Antwort mein Kopfkissen ins Gesicht pfeffern soll oder ob ich auf menschliche Art und Weise antworte.
"Tabea... Diese drei Männer sind die Farbkleckse in meinem Leben. Sie haben mir gezeigt, dass man schwach und traurig sein darf. Das man manchmal alles scheiße finden und sich verkriechen darf. Sie haben mir aber auch gezeigt, dass es Momente im Leben gibt, die schön sind. Aus denen man sich Erinnerungen schafft, um an den schlechten Tagen davon zehren zu können. Sie haben mir gezeigt, dass das Leben schön sein kann und Schmerzen ab und zu dazugehören!"
"Mit mir könntest du am Wochenende auch Spaß haben und wenn du willst, kann ich dir auch gerne ein paar Schmerzen zufügen", Tabea grinst mich augenzwinkernd an und greift nach ihrem Handy, um es sich in die Hosentasche zu stecken.
"Nächstes Wochenende bleibe ich hier und dann unternehmen wir etwas zusammen, okay?", eigentlich opfere ich meine Wochenenden nur ungern, aber für Tabea kann ich auch mal eine Ausnahme machen.
Tabea verschränkt bockig ihre Arme vor ihrem Körper.Mittlerweile sind Tabea und ich wirklich gute Freundinnen geworden und unterstützen uns in allen Lebenslagen.
Bis vor ein paar Monaten hätte ich nicht einmal im Traum daran gedacht, dass wir beide einmal so ein gutes Team werden.
Natürlich haben wir uns früher für unsere nächtlichen Streifzüge den Rücken freigehalten, aber ansonsten hätte ich mir mit ihr niemals eine richtige Freundschaft vorstellen können.
Jetzt ist sie schon gar nicht mehr aus meinem Leben wegzudenken."Mhhhh. Na gut. Ein Wochenende im Monat könnte ich für dich schon locker machen!", biete ich ihr an, worauf sie einen ziemlich empörten Gesichtsausdruck auflegt:
"Nur ein Wochenende?"
"Ich kann Alex ja mal fragen, ob ich dich ab und zu mitbringen darf! Außer du hältst es mit den drei alten Knackern nicht aus!"
"Hahaha. Ich schätze, dass ich das überleben könnte. Kannst dich gerne mal schlau machen!", nach einem Augenzwinkern wendet sie sich von mir ab, steht von ihrem Bett auf und läuft ein paar Schritte, nur um sich wieder zu mir zu drehen und breit zu grinsen:
"Wir sehen uns am Montag, Tai. Vergiss nicht, dass wir nächste Woche diese bekloppten Projekttage haben!"
"Wie kann ich das nur vergessen, wenn du mich die ganze Zeit daran erinnerst?", stöhne ich genervt auf und widme mich wieder meinem Rucksack.In den letzten sechs Monaten ist viel passiert.
Wir haben bei Frau Schwemmer durchgesetzt, dass ich jeden Freitag nach dem Unterricht zu den Männern in die WG darf und dort bis Sonntag abend bleiben kann.
Die drei sind eine Art Familienersatz geworden und aus meinem Leben nicht mehr wegzudenken.Alex und ich gehen regelmäßig zur Therapie und erkämpfen uns mit Jack zusammen ein kleines Stück Frieden für unsere Seelen.
Anfangs habe ich mich sehr dagegen gesträubt.
Wollte nicht so schmerzerfüllt, verletzt und aufgewühlt dasitzen wie Alex.Alex hat sich nicht vor mir versteckt und gezeigt, wie es sich anfühlt, in seinen Erinnerungen zu wühlen. Er hat geweint, gezittert, war wütend und ist sogar einmal ausgerastet und hat Jack angeschrien.
Der betitelte das als großen Fortschritt und hat sich nie etwas daraus gemacht, wenn er irgendwelches negatives Feedback gegen den Kopf geschmissen bekommen hat.
Nach ein paar Sitzungen zeigten sich die ersten Veränderungen bei Alex.
Er hat öfter gelächelt, nicht mehr so erschlagen ausgesehen.
Das hat mir wiederum den Ansporn gegeben, mich auch endlich richtig auf die Therapie einzulassen.Nachdem ich mir dann einen Ruck gegeben und ordentliche Mitarbeit gezeigt habe, habe ich es zuerst bereut.
Ich wollte nicht über Marc sprechen, da es viel zu sehr weh getan hat.
Weil mich meine Schuldgefühle fast umgebracht haben.
Aber Alex blieb stets an meiner Seite.
Egal wie deprimiert, bösartig oder verschlossen ich war.
Auch Phil und Franco haben mich jederzeit aufgefangen und mir die nötige Stütze geliefert.Die Drei haben mich vor dem grauen Sumpf des Lebens gerettet.
Haben hier und da einen bunten Klecks verteilt und die tristen Farben weichen lassen.
Ob meine Welt jemals wieder ganz bunt wird, weiß ich nicht.
Ein kleiner Teil wird wohl immer grau bleiben.
Für Marc.Marc war meine große Liebe und wird es auch immer bleiben, bis in alle Ewigkeit.
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Wenn deine Welt ihre Farben verliert
FanficThalia ist 17 Jahre alt und lebt in einem Internat. Sie führt ein Leben mit zwei Gesichtern. Tagsüber die liebe Internatsschülerin und nachts, auf ihren Streifzügen, die unberechenbare Rebellin (ihr wahres Ich). Der einzige Halt, der einzige Farbkle...