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Nach dem Arztbesuch wurde ich wieder in den Keller gebracht.
Im Flur auf dem Weg hierher hing eine Uhr und ich erhaschte einen Blick darauf.

Es war sechs Uhr abends. Beim Arzt bekam ich eine Infusion. Die Wunde an meinem Arm wurde mit einer Salbe behandelt und mein Daumen wieder eingerenkt.
‚Keine Fesseln an Händen für die ersten 24 Stunden'
Das hatte der Arzt gesagt. Boris interessierte sich nicht gerade sehr dafür, denn er hatte mich mit einem etwas dünneren Seil an den Händen festgebunden.

Er hatte wirklich feste Knoten drauf.
„Das hättest du ruhig etwas sanfter machen können.", scherzte ich und rollte mit den Augen.

„Ich steh mehr auf hart.", sagte er und verschwand aus dem Keller.

Ich ignorierte die Zweideutigkeit und schüttelte meinen Kopf. Ich wusste nicht, wie ich hier entkommen sollte. Es standen meines Wissens nach drei Wachen vor der Tür und ich war gefesselt hinter der Stahltür.

Wie konnte mir das passieren? Das war noch nie so eskaliert.
Ich hatte Schlafentzug und war todmüde. Mein Kopf fiel nach vorne und ich schlief ein.

🔫

Es waren fast vier Tage, ohne, dass irgendjemand hergekommen war. Einer der Dreien brachte mir Wasser gestern. Naja, ich glaubte, es war gestern. Zeitgefühl hatte man hier drinnen nicht.
Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass die ganze Situation nicht nervenaufreibend war, doch ich musste jetzt einen klaren Kopf behalten.

Langsam begann es auch, stickig zu werden. Ich war so erschöpft. Seitdem ich Boris den Teller mit Suppe aus der Hand geschlagen hatte, kam er nicht mehr runter mit Essen.

Meine Augenringe konnte ich förmlich spüren.
Nach Stunden ging die silberne Tür auf und es kam etwas Licht in den Raum.
Ich kniff meine Augen zu, da es ungewohnt hell wurde.

„Aufwachen.", sagte einer von den Dreien.
Er kam auf mich mit einem Messer zu und ich wurde plötzlich hellwach, meine Sinne geschärft.
Er stellte sich hinter mich und ich spürte, wie der Druck des Seils nachließ. Er schnitt es durch.

Komplett verwirrt stand ich auf und spürte einen Lauf an meinem Hinterkopf.
„Keine Dummheiten."

Ich hatte gerade keine Kraft zu protestieren und hob meine Hände leicht nach oben.
Als ich aus dem Raum begleitet wurde, sah ich mir die Wachen genauer an.
Die Männer waren alle zwischen 30 und 40.

Waren es Capos? Ich glaubte schon. Sie trugen teuer aussehende, schwarze Anzüge mit Krawatten und Waffen.
Meine Augen gingen langsam auf und zu.
Seit Tagen schlief ich im Sitzen. Nicht gerade bequem.

„Boris kommt dich gleich holen. Du wartest hier.", sagte der Eine.
Ich antwortete nicht, sondern blieb nur stehen.
„Armes Kind, dass er seine eigene Tochter schickt. Dieser Bastard.", hörte ich den Jüngsten von den Capos in der Ferne sagen.

Ich musste leicht kichern, denn sie wussten nicht, dass keiner so umbringen konnte, wie ich.
Ich kicherte, doch mir verging das Lachen, als ich merkte, dass mich meine Kraft hinterging.
Langsam fiel mein Kopf nach hinten und meine Beine wurden schwach.

Gerade als ich dabei war, umzukippen, fingen mich zwei harte Arme.
Ich schaute zu Boris hoch, der eine emotionslose Miene zog.
„N-Nicht anfassen.", brachte ich noch heraus.
Noch bei Bewusstsein merkte ich, wie er mich wegtrug. Ich konnte kotzen.

Fremde Hände an meinem Körper. Meine Hand ballte sich zu einer Faust, mit der ich gegen seinen Torso schlug.
Unter meiner Faust spürte ich die Vibration von seinem Lachen.

„Spar dir deine Kraft, киса."

киса(kisa) heißt Kätzchen.

Ekelhaft.

Mit diesem Gedanken schlief ich ein und ertrug seine Berührung.

🔫

Ich wachte auf und merkte, dass ich auf einem Bett lag. Auf einem sehr weichen Bett. Die Bezüge waren aus Satin und ich schmiss mich von hinten wieder in die Kissen hinein.
Es war ein großes Himmelbett und das ganze Zimmer war in einer Dunklen Farbe eingerichtet. Dunkelrot.

Die Bezüge des Bettes, die Wände. Das Bett war aus goldenen Metallstäben mit passenden, goldenen Verzierungen. Es sah alles so elegant aus.
Das Licht war gedämmt und am Fuße des Bettes lag Kleidung.
Eine Jogginghose und ein langärmeliges T-shirt.
Ich stand auf, um mir das Zimmer genauer anzusehen.

Neben dem rechten Nachtkästchen, auf jeder Seite war eins, war eine Tür. Ich schaute dahinter.
Es war ein Badezimmer.
Ich durchsuchte die Kleidung und fand auch Unterwäsche.
Gott sei Dank. Wer die wohl ausgesucht hatte?
Diese Gedanken schob ich beiseite und stieg unter die Dusche.

Das warme Wasser lief meinen Körper runter und ich merkte, dass die Wunde an meinem Arm schon geheilt war.
Von dem einen Tag, wo ich Boris angegriffen hatte, hatte ich mich auf ihn gestürzt und mir blaue Flecken geholt an Armen und Knien.

Wieso holten sie mich aus dem Keller raus? War das Stufe Zwei ihrer Foltermethoden?
Ich wusste es nicht.

Ich hatte auch keine einzige Waffe bei mir, denn mir wurde alles abgenommen.
Ich wollte schreien vor Wut, doch mir wurde Gehorsamkeit, Selbstbeherrschung und Disziplin beigebracht.

Bei Treffen von wichtigen Personen mit meinem Vater sprach ich auch nicht, ohne gefragt zu werden. Das wurde mir mehr oder weniger eingeprügelt.

Ich schwieg, wie sonst auch immer.
Ich war nur da, um zu töten. Nichts mehr und nichts weniger.
Ich atmete ein paar Mal tief ein und aus, bevor ich das Wasser abstellte.

Ich stieg aus der Dusche mit einem Handtuch um mich gewickelt und eines um meine Haare.
Als ich in das Zimmer ging, saß Boris an der Bettkante.
„Bist du wahnsinnig?! Klopf an verdammt nochmal!", schrie ich und war von mir überrascht, dass er mich meine Fassung so schnell vergessen ließ.

Ich atmete wieder kurz durch.
„Verlass das Zimmer.", sagte ich streng.

„Dein Vater hat dich verkauft. An uns."
„An mich."
Fügte er noch hinzu.
Ich schaute ihn unglaubwürdig an und musste schmunzeln.
„Mein Vater würde sowas nie machen."

„Er kommt morgen Früh, um die Papiere zu unterschreiben. Wir haben dich bekommen und er wollte dafür nur einen kleinen Teil Moskaus, beziehungsweise nur die Routen für die Drogengeschäfte."

Er hatte mich für so einen Schwachsinn verkauft?
Ich stand noch immer in Handtuch da, aber das war mir gerade so egal.

Ich riss das Handtuch von meinem Kopf runter und ließ es auf den Boden fallen.
„Er soll jetzt kommen. Nicht morgen." befahl ich und Boris schaute mich belustigt an.

„Du hast hier nichts zu sagen, also sei mal lieber ganz ruhig, kisa."

„Nenn mich nicht so.", fauchte ich zurück und er stand jetzt vom Bett auf und kam auf mich zu.
Ich ging nicht zurück, sondern blieb stehen. Ich hatte keine Angst vor ihm.

Nicht mit meiner Reputation.
„Du hast eigentlich Recht. Du erinnerst mich eher an eine giftige Schlange. Dich sieht man nicht kommen. Man spürt dich oder besser gesagt den Schmerz erst, wenn du zugebissen hast. Du bist ein Jäger."

Mein Herz raste. So etwas hatte noch nie jemand zu mir gesagt. Etwas in meinem Bauch zog sich zusammen.
Er streckte seine Hand aus und jetzt sah ich ihn erst richtig. Er hatte dunkelblaue Augen und seine braunen Haare waren etwas zerzaust.

Er wirkte mächtig, mit seiner Statur. Die 105 Kilo waren anscheinend nur Muskelmasse und er war auch viel größer als ich, das war aber nicht schwer.
Als ich einen genaueren Blick auf seine Hände warf, sah ich, dass beide voll tätowiert waren.
Auf seinen Knöcheln waren russische Buchstaben zu sehen und ich studierte die anderen Motive.

💀

Assassin youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt