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Sie standen beim Eingang und Boris verzog keine Miene. Mein Herz raste.
Die blonde Frau legte ihre Hand auf seinen Rücken und strich rüber.
Sofort nahm ich sie ins Visier und wollte schießen. So sehr.
Mein Finger war beim Abzug und ich übte Druck auf ihn aus.

Ich schoss nicht.

Er hatte das Recht, sich jemand anderen zu finden.
Ich schloss meine Augen, denn ich spürte, wie mein Kopf begann, wehzutun.
Vielleicht auch was anderes.
Boris stieg in sein Auto und die Frau auf den Beifahrersitz. Ich kochte, doch musste fokussiert bleiben.

Nach kurzer Zeit kam auch schon mein Ziel raus und ich schoss zwei Mal, zwei Treffer. Einen in den Kopf und den anderen in die Brust, auf Nummer sicher.

Man hörte die Leute schreien, Polizei- und Rettungsdienstsirenen. Ich atmete aus und packte meine Sachen.
Ich schaute auf meine Hände. Zitterte ich? Sowas kam noch nie vor. Er war sicher der Auslöser.

🔫
Mittlerweile war es fast zwei Uhr nachts. Ich konnte nicht schlafen, weswegen ich in den Trainingsraum wollte.

Als ich bei meiner Mülltonne vorbeiging, merkte ich, dass ein gelber, zusammengeknüllter Zettel drinnen war. Sowas wie ein Post-it.
Ich war sofort in Alarmbereitschaft. Der Papierkorb war, seitdem ich ihn hatte, immer leer. Ich verwendete ihn nicht. Langsam nahm ich ihn raus und knüllte ihn auf.

за семейным фото
Hinter dem Familienfoto

Was sollte das? Sofort nahm ich das Bild, welches neben meinem Bett auf dem Nachtkästchen stand.
Ich drehte es um und nahm es auseinander.

Ein Mikrofon. Ein kleines Mikrofon zum Abhören.
Ich wusste, dass heute jemand im Zimmer war.
Wer war das?
Als ich mir die Handschrift genauer ansah, merkte ich, dass die O's beide oval waren und sie waren nicht ganz zu.

Ivan schrieb seine O's so.
Mir fiel Ivan sofort wieder ein.

Er hinterließ mir doch eine Nachricht.
Meine Familie war nicht die, für die ich sie hielt.
Sofort ging ich ins Wohnzimmer. Dort saß er und trank seinen überteuerten Wein.
Ich könnte kotzen.
Er vertraute mir nicht? Ausgerechnet mir?
„Vater!"
Er schreckte auf, denn er sah und hörte mich nicht.
„Erschreck mich nicht so, Athena. Was ist denn?"
Er hörte sich so unbeschwert und ahnungslos an. Im selben Moment warf ich ihm den Zettel und das Mikro auf den Tisch.

„Dieser Idiot.", stammelte er. „Das ist nur zu unserer und deiner Sicherheit."
Ich sagte nichts, ich biss meine Zähne zusammen.
„Das nimmst du mir doch nicht übel? Oder? Immerhin warst du bei diesem Aleksandrov Bengel. Wir mussten Vorkehrungen treffen."

„Ist das dein scheiß Ernst?! Nach all dem, was ich getan habe für dich und diesen Clan. Nachdem du mich verkauft hast!"
„Schrei nicht! Vergiss deinen Platz nicht!", entgegnete er mir und er hatte Recht.

„Du hast Recht, Vater. Hier war nie mein Platz."

Ich drehte mich um und wollte gehen, doch er hielt mich auf.
„Geh durch diese Tür und ich köpfe ihn und dich."
Ich wollte nicht in sein Gesicht schauen, doch ich spürte, dass er grinste. Er dachte, er hätte mich.
„Versuch es doch.", antwortete ich und riss mein Handgelenk aus seiner Hand.
Die ganze Zeit über hatte ich ein Messer in meinem Hosenbund. Ein Griff. Es war nur ein Griff.

Langsam bewegte ich meine Hand zum Messer, doch plötzlich gingen Schüsse hoch.

Ich schreckte auf und es kamen zwei Capos zu uns gelaufen.
„Boss, sie sind hier. Sie stecken alles in Brand und haben schon zehn Männer ausgeschaltet."
Mein Vater war von Panik erfüllt, ich roch es förmlich.
„Wer?! Wer ist hier?!"

„Boris Aleksandrov."

Sofort machte sich ein Lächeln auf meinen Lippen breit.
Endlich, er war hier.
Ich lief so schnell ich konnte in die Richtung, von wo die Flammen und die Schüsse kamen.

„Du bleibst hier! Schnappt sie!", schrie Vater.
Als mich die Capos aufhalten wollten, drückte ich einem das Messer ins Auge und dem anderen dann in den Hals.
„Du bist der Nächste, wenn du versuchst, mich aufzuhalten.", drohte ich und er kam mir nicht hinterher. Jetzt reichte es mir.

Auf dem Weg zu ihm kam mir Sascha entgegen.
„Athena, da bist du ja. Gott sei Dank."
Er zog mich in eine Umarmung, die ich erwiderte.
„Wusstest du davon?", fragte er mich leise und ich schüttelte den Kopf.
„Ich hab dir gesagt, er ist zu dir gekommen."
Gerade, als ich antworten wollte, fiel mir Saschas Familie ein, die in der Nähe wohnten.
„Sascha, geh nach Hause."
Er sah mich verwirrt an.
„Bitte.", flehte ich. „Kind, ich muss hier sein. Dein Vater würde mich sonst-"
„Nein, ich regle das schon, geh. Das wird heute ein Blutbad. Das ist ein Befehl. Ich bin das nächste Oberhaupt. Geh. Jetzt."

Er nickte und bedankte sich.
Weg war er. Das Haus roch nach Benzin, sie würden es anzünden. Gott sei Dank war das Personal heute nicht da. Meine Mutter war bei ihren Eltern, die am anderen Ende Russlands lebten. Das hieß also freie Bahn.

Ich erkannte Dimitri, der gerade zwei Männer lahmlegte.
„Dimitri!", schrie ich und er beachtete mich nicht, wahrscheinlich weil er mich nicht hörte.
Ich drehte mich um und sah meinen Vater, mit seiner Waffe. Er entsicherte sie und wollte schießen, doch plötzlich wurde ein Schuss abgefeuert.
Hinter mir.
Ich drehte mich um und sah Boris.
Ich ließ mein Messer fallen und lief zu ihm.
„Komm mir nicht näher. Du hast schon genug angerichtet."

Sofort blieb ich stehen. Ich sah Boris an und er sah durch mich durch.
„Sei froh, dass ich dich nicht mit diesen Leuten und diesem Haus niederbrenne."
Das tat weh. Ich wusste doch, dass er es nicht so meinte, denn ich kannte ihn.

Ich liebte ihn. So sehr.

„Wo ist dein Vater? Und lüg mich nicht an. Ich erkenne das, weißt du sicher noch."
Ich ging einen Schritt zur Seite.
„Wohnzimmer."
Mehr brachte ich nicht heraus.
Als er an mir vorbeiging, blieb er kurz stehen und flüsterte etwas.

„Ich hätte die Welt für dich in Brand gesetzt. Jetzt setze ich sie wegen dir in Brand, kisa."

Ich schaute nur geradeaus. Mein Kiefer zitterte und das erste Mal hatte ich Angst, zu weinen. Als Assassine weinte man nicht, man war eiskalt. Doch das war ich gegenüber diesem Mann schon lange nicht mehr.
„Boris ich lie-"
„Athena!", schrie mein Vater. „Wenn ich hier sterbe, dann du auch. Das schwör ich dir bei Gott. Du gehörst mir, du bist mein Besitz!"
„Sie gehört niemandem.", sagte Boris und schoss ihm ins Bein.
Er kniete sich hin und schrie vor Schmerz auf.

Boris lachte und ich war bewegungsunfähig.
Mittlerweile war vorne alles abgebrannt.
Das halbe Haus war mittlerweile Asche. Unsere Leute waren auch schon fast alle tot. Das Feuer sperrte uns jetzt den Ausgang ab.

Langsam wurde es heißer und heißer.
„Boris geh bitte, es stürzt gleich alles ein.", sagte ich und hustete. Ich zupfte an seinem Ärmel.
„Lass mich los."
Ich tat es nicht.
„Athena, ich sage es dir noch ein einziges Mal. Lass mich bitte los.", bat er.
Ich konnte nicht.
Er wollte sich losreißen, doch das ließ ich nicht zu.
„Verdammt nochmal!"
Ich zuckte kurz, doch dann berührte ich seinen Arm. Ganz leicht und vorsichtig.
Er atmete schwerer und ich wusste, dass da noch etwas ist.

„Athena, Kind!", schrie Sascha auf einmal.
Verwirrt sah ich ihn an, denn er sollte zu Hause sein.
„Was machst du hier?! Ich hatte gesagt du sollst gehen."
„Sascha, bring die beiden um! Sofort!"
Das brachte mich keines Weges aus der Ruhe, denn ich kannte Sascha.
„Vlad, erzähl es ihr. Tu vor deinem Tod noch etwas Gutes."

Mein Vater lachte höhnisch und ich drehte mich jetzt um zu ihm.
„Was meint er?", fragte ich und Sascha sagte es dann.
„Er ist nicht dein Vater. Deine Mutter ist auch nicht deine Mutter."

💀

Assassin youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt