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„Wieso hast du das Glas zerbrochen?", fragte ich, während ich den Verband vorsichtig um seine Hand machte.
„Weil dein Vater ein Bastard ist."

Ich presste meine Lippen zusammen.
„Rede nicht so über ihn."

„Nach all dem, was er dir angetan hat, verteidigst du ihn noch immer. So loyal.", den letzten Satz sagte er etwas leiser, aber dennoch im Hörbereich.

„Er ist mein Vater. Dazu bin ich verpflichtet.", antwortete ich und Boris schüttelte den Kopf.

„Eltern haben sich entschieden, Kinder in die Welt zu setzen. Er schuldet dir alles, du ihm nichts."

Mit diesen Worten stand er auf und ging.
Er drehte sich nicht zurück oder bedankte sich.

Er schuldete mir alles, und ich ihm nichts?

War das denn so?

Ich dachte noch sehr lange über diesen Satz nach und saß im Speisesaal.
In meiner Kindheit erfuhr ich selten Liebe.
Wenn mich jemand nach meinen Kindheitserinnerungen fragt, schweige ich meistens.

Denn die Erinnerungen bestehen aus hartem Training, jeden Tag, und Schläge.
Ich sprach nur, wenn ich gefragt wurde und meinen Mund hatte ich bei Treffen von anderen Clans auch zu halten.

Das änderte sich, als mein Vater sich dazu entschied, mich im zarten Alter von 14 zur Assassine unseres Clans auszubilden.
Trainiert hatte ich schon immer, aber jetzt begann der Drill zur Perfektion.

Perfektes Töten.

Es machte mir kranker Weise Spaß.
Ich hatte mehr Raum zum Atmen, geschlagen wurde ich dann immer seltener.
Meine Mutter war nur stiller Beobachter. Verübelt hatte ich es ihr nie, denn ich sah doch die blauen Flecken an ihrem Körper.

Mittlerweile war ich 23 und es gab keinen, der an mich heran kam.
Außer Boris.

Dieser Mann löste etwas in mir aus, von dem ich längst dachte, es existiere nicht mehr.

Ich lachte das erste Mal seit Jahren, und zwar nicht gespielt, wie auf den Galen und Abendessen, die unsere Familie des öfteren mal gab.

„Frau Georgiewa, wünschen Sie etwas zu trinken?", fragte mich eine ältere Dame.

Ich zwang mich zu lächeln und nickte.
„Da, Gin Tonic, wenn Sie haben."

„Sie können mich ruhig Anja nennen. Und dem Boss gehört eine Bar in der Nähe, wir haben ihren Geschmack an Drinks leider nicht, tut mir sehr leid."

Sie entschuldigte sich und sah erschrocken aus.
Wahrscheinlich erwartete sie jetzt, dass ich sie anspringe und sie erwürgte.
Bei dem Gedanken kicherte ich.

„Anja, nennen sie mich bitte Athena und wo genau ist diese Bar?"

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Ich hatte ein graues Kleid mit Rollkragen und langen Ärmeln an. Es schmeichelte meiner Figur und hing die ganze Zeit im Kleiderschrank meines Zimmers.

Boris hatte die Kleider vor meinem Einzug, meinem erzwungenen Einzug, gekauft.
So viel verriet mir Anja. Sie war ein Engel.
Er hatte einen guten Geschmack, musste ich zugeben.

„Einen Gin Tonic, bitte."

Der Barkeeper lächelte mich an.
„Kommt sofort, meine Dame."

Gesagt, getan.
Und ich trank aus.
Immer wieder bestellte ich nach.
Betrunken war ich noch nie, denn ich kannte meine Grenzen.

Ich genoss es, endlich mal nach Monaten alleine zu sein.

„Lass mich los! Hör auf damit!"

Ich drehte mich um und sah, wie ein Mann eine blonde Frau beim Arm packte und sie gegen die Wand drückte.

Assassin youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt