Kapitel 4

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Der Anblick der offenherzig bekleideten Schönheiten in diesem Raum, alle strahlend vor Wildheit, die auch ohne die Kleidung aus Leder und Jeans spürbar wäre, lenkte mich nicht genug ab, um zu übersehen, dass ich von einem Großteil der Anwesenden angestarrt wurde. Zuvor hatten Gäste gestarrt, weil ich neu war. Das unbekannte Gesicht in ihren Reihen. Jetzt verfolgten mich schaulustige Blicke, kaum das wir am Fuße der Treppe angekommen waren, zudem die Besucherzahl der Bar in den letzten Minuten explodiert zu sein schien.

Renn zurück!

Nie hätte ich die Hosen tragen sollen und erst recht das enge Shirt gegen einen Pullover tauschen müssen. Wieso hatte ich Mandys Urteilsvermögen vertraut, geglaubt ich würde jetzt unauffälliger sein und mich einfügen?

Reaper unterbrach den Gedanken.

Er verließ den Tisch, an dem er bis eben saß und kam auf uns zu, die Miene hart wie Stahl, die Stirn verdüstert. Ein Gesichtsausdruck wie dieser war mir vertraut und er bedeutete nie etwas Gutes. Den Charakter des Präs kannte ich nicht, aber das er mir geholfen hatte, mir eine Aussicht auf ein neues Leben bot, vergaß ich in diesem Augenblick. Die Starre ergriff Besitz von meinem Körper, es kostete mich ein hohes Maß an Willensstärke, mir ins Gedächtnis zu rufen, dass es nicht Elijah war, der auf mich zustürmte. Ich würde Schmerzen spüren.

Allein deshalb zuckte ich heftig zusammen, kaum das er meinen Arm packte und wegzerrte. »Was hat sie da an?« Scharfes Knurren.

Ich kniff die Augen fest zu, voll Sehnsucht und Hoffnung erfüllt, dass alles gleich wieder vorbei wäre und ich nicht zu lange litt. Schlagartig gab er meinen Arm frei. Ich wich zurück, presste mich zwei Meter von den beiden entfernt an die vertäfelte Wand.

»Was sie da an hat, ist ja wohl offensichtlich, oder?« Mandy deutete kurz auf mich, aber ihre Augen durchbohrten Reaper ernst. Sie klang erbost. »Ich soll auf sie aufpassen und das tue ich.«

»Also läuft sie hier halb nackt herum?«

»Was fällt deiner Meinung nach mehr auf in einem Strauß schwarzer Rosen: eine weiße oder eine schwarz angemalte Lilie? «

Eine Lilie stellte nicht meine persönliche Wahl dar, aber ich verstand, was die schwarzhaarige Bardame mit dieser Metapher auszudrücken versuchte. Ich sollte zumindest den Anschein erwecken, dazu zugehören.

»Sie sieht jetzt wenigstens halbwegs aus wie von unserem Schlag. Natürlich wird auffallen, dass sie neu ist, aber so werf' ich diesen ausgehungerten Kerlen wenigstens nicht gleich das unschuldige, blutjunge Mädel vor die Füße.«, warf sie zischend ein.

»Ich ... kann mir sicherlich noch eine Jacke oder so drüberziehen.«, war mein leiser Vorschlag.

Beide drehten zeitgleich ihre Köpfe, in Mandys Augen las ich das eindeutige Nein und dennoch löste ich mich von dem Holz, um nach oben zu sprinten. Reapers aufgebrachte Reaktion jagte mir mehr Respekt und Scheu ein sie. Und er hatte mir deutlich zu verstehen gegeben, was er von meinen Klamotten hielt. Er schien wie ich zu begreifen, dass so ein Look nicht zu mir passte. Die einzige Winzigkeit, die wir gemein hatten.

Zuerst hatte ich beabsichtigt, mir das gestreifte Shirt von heute Morgen überzuziehen, doch der erste Blick in die Kommode fiel auf eine graue Sweatjacke mit Kapuze. Vielversprechend. Sowohl Torso wie Arme waren wieder bekleidet.

»Besser?«

Der Präs und Mandy, die unverändert im Gang neben der Treppe standen, musterten mich. Sie schien alles andere als begeistert, da sie sich die Schläfen rieb und laut seufzte, er hingegen taxierte mich finster: »Wesentlich.«

Burn for youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt