Vor wenigen Tagen wäre Reaper verschwunden. Er hatte mich erneut gerettet oder eher davor bewahrt, dass mein Leben in New Mexico ein Ende hatte, und ich erwartete aus Gewohnheit, dass er anschließend auf Abstand ging. Aber er blieb, Distanz herrschte zwischen uns dennoch, wenn auch aus anderen Gründen. Nach seiner langen Abwesenheit gab es einen Berg an Arbeit, dem er sich zu widmen hatte. Die Versammlung mit den Mitgliedern war erst der Anfang, jetzt verbrachten Präs und Vize Stunden im Büro oder unterwegs.
Und ich war glücklich darüber.
Dieser letzte Moment auf der Klippe hatte meinen Kopf durcheinandergebracht, mich aus der Bahn geworfen, sodass ich keine Ahnung hatte, wie ich Reaper gegenüber treten sollte. Wie ich mich verhielt, wenn er die ganze Zeit in meiner Nähe war.
Jetzt hatte ich etwas Ruhe.
»Ich dachte schon, ich treffe dich nie wieder alleine an.« Brummend ließ sich Beau auf einen der Barhocker fallen. »Er umschwirrt dich, wie ein Geier.«
Er machte ebenso wenig ein Geheimnis aus seiner Abneigung gegenüber Reaper, wie anders herum.
»Du übertreibst.«, maßregelte ich ihn.
Wir hatten gerade mal einen Tag zusammen verbracht. Und dann auch keinen kompletten. Aber das Problem lag nicht darin, sondern in der Beziehung zwischen Reaper und Beau. Sie zur Besserung zu bewegen schien mir bei beiden Männern ein utopisches Unterfangen, weshalb ich das Thema in meinen Hinterkopf verbannte und Beau seinen Kaffee zubereitete, den er sich für gewöhnlich in seiner Pause abholte.
»Hier«, unter seinen Fingern blitzte ein Zwanzig-Dollar-Schein hervor, »Für dein kleines Sparschwein.«
Beau und Ash waren die einzigen Clubmitglieder, die hin und wieder aktiv dabei halfen mein Glas im Barregal zu füllen. Mich meinem eigenen Leben schrittweise näher brachten.
»Danke.«
Mein überaus glückliches Lächeln erwiderte Beau, ehe er sich wieder auf den Weg in die Werkstatt begab. Aktuell überholten sie einige Motorräder des Clubs, insofern sie deren Besitzer nicht selbst in Schuss hielten. Reaper hatte ich dort vor seinem Bike hocken sehen, hochkonzentriert und überaus beschäftigt. Jeder der ein Motorrad fuhr, verfügte auch über ein gewisses Grundwissen, was die Maschine anbelangte. Das geballte Know-how eines MC war hingegen unübertroffen, was andere Fahrer von außerhalb anlockte, die ihre Fahrzeuge hier zur Reparatur oder zum Aufhübschen - wie Carlos es gern nannte - brachten.
Die letzten Tage waren locker in der Bar verlaufen, was uns die Gelegenheit bot, eine tiefgründige Reinigung durchzuführen. Damit war Beaus kleine Spende die erste, die seit einer Weile in mein Glas wanderte. Meine Zukunft.
Meine dunkelblonden Augenbrauen zogen sich skeptisch zusammen und ich las das Etikett erneut.
Zukunft.
Mein Etikett mit der Aufschrift Freiheit war überklebt worden. Nicht von mir, denn die Handschrift war mir unbekannt.
»Hey, Tiara?« Verwirrt drehte ich das Behältnis in meiner Hand, blickte dann aber zu meiner Kollegin am zweiten Zapfhahn. »Hast du mein Glas neu beschriftet?«
Ohne mich anzusehen, tauschte sie weiter das Fass, die gekräuselten Locken auf ihrem Kopf schüttelten sich. »Der Präs hat das Etikett gestern ausgetauscht.«
Bitte, bleib.
Seine leise, samtige Stimme flüsterte in meinen Ohren. Ich hatte ihm in dieser Nacht keine Antwort gegeben, war das zwingend notwendig? Reaper war nicht der Erste, der mich bat, zu bleiben, aber niemand wühlte mich so auf wie er.
DU LIEST GERADE
Burn for you
Romansa»Bist du bereit, dass ich dich zerstöre?« -------------------------------- Mitten im Nirgendwo von New Mexico: Wüste, durchzogen von einsamen Highways. Unschuldig, wie die Sünde selbst, stand sie da in ihrem gottverdammten weißen Nachthemd. Vor ihm...