Kapitel 22

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Nach dem Shoppingtrip änderte sich vieles.

Zuerst zogen die neu erworbenen Sachen in die Kommode meines Zimmers ein, Mandy verstaute alles andere im Schlafzimmer nebenan. Sollte in nächster Zeit eine weitere hilflose Frau vor den Toren des Clubs stranden, dann würde ich ihr zur Seite stehen und ihr die Befürchtung nehmen, dass sie an einem furchtbaren Ort aufgewacht war. Gefahr und Risiko waren die zweiten Vornamen der Haydes Hells, doch die Mitglieder stellten keinerlei Bedrohung dar. Zumindest nicht für die Dinge, vor denen ich mich am meisten auf dieser Welt fürchtete. Aus diesem Grund, viel mehr jedoch, weil ich inzwischen erkannte, welchen Seelenfrieden es mit sich brachte, als Frau an Reapers Seite zu verweilen, trug ich meine neuen Klamotten nach Herzenslust. Der Frühling stand in voller Blüte, die Temperaturen kletterten höher, was einlud sich luftiger zu kleiden. Ich trug T-Shirts, Tops oder Kleider, betonte Schultern und entblößte Waden. Und ich liebte es.

Auch die Anderen bemerkten, wie fröhlich und frei ich unterwegs war. Sie unterstützten es.

Reaper nutzte jede Gelegenheit, die er bekam, in meiner Nähe zu sein. Sahen wir uns selten oder gar nicht, weil er wieder eine Ausfahrt begleitete, dann textete er mir ununterbrochen. Eines Abends rief er sogar wie üblich bei seinem Vize an, der das Telefon anschließend an mich reichte. Seine Begründung: »Er will deine Stimme hören.«

Wenn Reaper dann im Chapter war, ließ er keine Chance aus, mir Komplimente zuzuflüstern, was mein Selbstbewusstsein auf ein Niveau hob, auf dem es noch nie zuvor gestanden hatte. Oder er zog mich in eine Ecke, um mir einen schnellen Kuss aufzudrücken, für den er sich mit diesem verschmitzten Grinsen entschuldigte, bei dem mein Herz flatterte. Egal, unter welchem Stern diese Beziehung zwischen uns stand, ich genoss jede Sekunde davon. Die Anerkennung und ungeteilte Aufmerksamkeit, das warme Gefühl in meiner Brust, dass mein Herz wie Schnee schmelzen ließ, weil Reaper meine Grenzen respektierte und sie gleichzeitig bewachte wie ein Bluthund.

Niemand durfte mir zu nah kommen und wenn, dann nur auf Arten, die ich erlaubte. Reaper war überraschend flink darin meine Körpersprache zu lesen, zu wissen, wann mir eine Berührung oder eine Bemerkung Unbehagen bereitete.

Während eine Beziehung auflebte, litt eine andere. Seit dem Zusammenprall in der Garage hielt sich Beau zurück, die blau gesprenkelte Maserung seines Auges war das offensichtliche Zeichen, dass ihm eine Lektion erteilt wurde. Wir sprachen nur noch flüchtig über zunehmend belanglose Themen und auch Joggen ging er nicht mehr. Zwischen uns entstand eine unsichtbare, angespannte Barriere, die mir doch missfiel. Ich hatte den witzigen Biker mit dem Karamellhaar wirklich gern, aber vielleicht brauchte er auch einfach nur Zeit. Ebenso wie Reaper, der verstehen musste, dass Beau ein wichtiger Freund für mich war. Sie waren Spieler des gleichen Teams, sollten zusammenarbeiten, statt aneinander anzufeinden wie Rivalen.

Eine weitere Veränderung betraf die Wohnordnung im Clubhaus. Der Raum im Flur gegenüber meiner Tür gehörte Tyler. Als Road Captain hielt er sich selten oder nur wenige Tage im Chapter auf, aber jetzt bezog er wieder sein dauerhaftes Zuhause. Für mich bedeutete dies vorrangig eines: Mein Badezimmer teilte ich mir ab sofort und auf unbestimmte Zeit mit einem Mann. Bisher war es zu keinem unmoralischen und sittenwidrigen Zwischenfall gekommen, was ich unter keinen Umständen ändern wollte. Mein altes Ich hätte es nicht einmal geduldet, dass ein fremder Mann im Zimmer gegenüber hauste, ich hätte weiterhin meine Tür verriegelt und wäre auf der Hut, doch ich hatte mich selbst weitreichend verändert. Mich beunruhigte weder Reapers noch Tylers Anwesenheit.

Der größte Wandel war hingegen mein Sportprogramm. Neuerdings ging ich nicht nur Laufen, sondern bekam ein spezielles Training vom Präs höchstpersönlich. Mit eigenen Augen zu sehen, welche Gewalt und Misshandlungen ich bisher hatte ertragen müssen, bewegte Reaper dazu mich in einigen Selbstverteidigungskünsten zu unterrichten.

Burn for youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt