Kapitel 28

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Reaper entschied, es sei überflüssig, unseren Freunden Bescheid zu geben, dass wir verschwanden. Ich war anderer Auffassung und verfasste wenigstens eine Nachricht in dem Gedränge auf dem Weg zum Eingang. Auch Kyle sollte gewarnt sein, dass mir nichts passiert war, sondern der Präs lediglich seine Wache übernahm, bis er nach Hause fuhr. Er schrieb, sie würden sich kurz nach uns auf den Weg begeben.

Monotones Plätschern rauschte in meinen Ohren und Reaper blieb in der Tür stehen. »Scheiße. Sieht aus als würden wir eine Überfahrt des Styx machen.«

Die Anspielung auf den Totenfluss in Hades Unterwelt war eine Redewendung des MC, um auf eine durchnässte Fahrt hinzudeuten. Innerhalb der letzten Stunden hatte es begonnen zu regnen, die riesigen Pfützen im Schotter und Asphalt deuteten jedoch mehr darauf hin, dass es aus Eimern geschüttet hatte. Regen war eine segensreiche Seltenheit in der Wüste, kam er aber einmal nieder, entlud er sich in geballter Kraft.

Mein Vorschlag lautete hierzubleiben und abzuwarten, Reaper zog sich allerdings seine schwere Lederjacke aus, um sie mir ungefragt über die Schultern zu hängen.

»Was ist mit dir?« Verwundert sah ich zu ihm auf.

»Passt schon.«

Das war's. Eine simple Floskel, ehe ich mit ansah, wie er hinaus in den Regen sprintete auf direktem Weg zu seinem Bike. Ich schob meine Arme in die angewärmten Ärmel und folgte ihm. Größtenteils blieb ich trocken, Haare und Körper steckten in der Jacke, an deren derben Leder die Tropfen abperlten. Zudem überließ mir Reaper seinen Helm. Er fuhr ohne. Lediglich meine Hose litt unter dem starken Schauer, während er auf der Fahrt bis auf die Knochen durchweichte. Meine kühlen Finger ertasteten das Hemd, das ihm am Oberkörper klebte. Seinen Rücken versuchte ich trocken zu halten, indem ich mich mit aller Kraft an ihn presste, Grund dafür war jedoch auch die brenzlige Fahrt unter erschwerten Bedingungen. Regen und aufkeimender Nebel ließen sich nicht durch den Scheinwerfer durchbrechen und behinderten die Sicht. Die Überquerung des Styx dauerte das Zweifache an herkömmlicher Zeit, aber wir kamen heil zuhause an.

Im Clubhaus war in dieser Samstagnacht weiterhin alles hell erleuchtet. Anstatt durch die Bar zu gehen, schlug Reaper allerdings den Weg über die Feuertreppe ein, um unbemerkt ins Obergeschoss zu gelangen.

»Warum fühle ich mich, als würde ich etwas Verbotenes tun?«, flüsterte ich.

Reapers Stiefel hinterließen wässrige Fußabdrücke auf dem Teppich. Er schüttelte den Kopf, Wassertropfen flogen umher und er strich sich die nassen Strähnen aus dem Gesicht. »Weil du dich nie zurück ins Haus geschlichen hast.«

Ein Bestandteil der wilden Jugend jener Menschen, zu denen mir Kontakt immer verboten blieb, aber den ich mir stets vorstellte. Heimliches Davonstehlen, Geheimnisse, deren Inhalt meine Familie erzürnt hätte und mir Nervenkitzel verschaffte, weil ich aus den Grenzen der mormonischen Moralitäten ausbrach.

Endlich wusste ich, dass die Geschichten über die Welt hier draußen faszinierend und gleichzeitig beunruhigend auf mich wirkten, weil ich mich nach ihnen sehnte.

Unserer Konversation am Billardtisch lief auf der Fahrt in Dauerschleife in meinem Kopf, die elektrisierte Stimmung knisterte weiterhin unter der Haut. Was passiert, sobald wir sein Schlafzimmer betraten, ließ sich nicht sagen, aber ich war fieberhafter als eine Braut vor ihrer Hochzeit. Bei meiner wäre ich freiwillig durch Höllenangst gestorben, hätte ich gewusst, was mich die Jahre darauf erwartete.

Wir schlossen die Tür hinter uns. Seine Clubjacke tropfte über der Lehne des Sofas ab und Reaper knöpfte sich bereits sein Hemd auf. Er küsste mich fest, ließ aber im darauffolgenden Moment von mir ab. »Ich springe kurz unter die Dusche.«

Burn for youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt