Kapitel 20

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Mein moralischer Kampf dauerte noch eine Weile.

Nach diesem Morgen wollte ich Dinge, die ich nie zuvor gewollt hatte. Die Furcht, die mich zu Beginn von Reaper fernhielt, war einem Feuer gewichen, das so ungewohnt und mächtig war, dass ich glaubte, ich würde zu Asche zerfallen. Es war ein Problem, den Anführer einer Motorradgang attraktiv zu finden, aber ein anderes, ihn zu ... begehren.

Es war mir schwergefallen ihn in einem anderen Licht zu sehen wie dem, in dem mein Glaube ihn dargestellt hatte – abwertend und dämonisch. Doch je mehr Zeit ich in dieser Welt und mit ihm verbrachte, um so mehr hatte ich infrage gestellt, wie viel Wahrheit in allem steckte. Bis ich erkannte, dass die Gerüchte nichts weiter als das waren: Hirngespinste und Gruselgeschichten. Sie mochten einen wahren Kern haben, doch erblühten aus dem Zweck, Glaubensanhänger zu manipulieren. So wie mich.

Dieser Manipulation, dem goldenen Käfig entriss ich mich, indem ich zuließ, was dieser Mann in mir auslöste. Ich aalte mich in dem Verlangen, doch ein letztes Ungeheuer bedrohte es: Was machte dieses Begehren aus uns?

Was würde aus uns werden, wenn wir diesen Pfad einschlugen, und was wäre ich für ihn?

Ein Schäfchen, wie all die anderen.

Mein gehässiges Unterbewusstsein plagte mich die folgenden Tage mit der Vorstellung, dass ich nichts weiter als eine zusätzliche Kerbe seines Bettpfostens sei. Flüchtig. Ersetzbar. Vergesslich.

Gern überzeugte ich mich vom Gegenteil, indem ich mir in Erinnerung rief, dass Reaper an mir lag, weil er auf mich aufpasste und sich mir anvertraute. Doch der bittere Beigeschmack blieb.


Die Abwesenheit des Präs war Grund genug für Beau, wieder auf der Bildfläche aufzutauchen. Heute Morgen fragte er mich, ob ich ihm nicht dabei helfen wolle, seine Maschine etwas aufzumotzen.

Ich hatte zugestimmt.

Ein Teil von mir fühlte sich schuldig, debattierte, ob ich Reaper nach dem Kuss hinterging. Der andere Part lehnte dies strikt ab. Er wollte beweisen, dass Beau und Reaper zwei verschiedene Menschen waren, die zwei unterschiedliche Reaktionen und Sehnsüchte in mir auslösten.

Freundschaft und Gleichberechtigung gegenüber Leidenschaft und Weiblichkeit.

Beide in gleichem Maße notwendig, um die Wunden meiner Seele zu heilen.

Nach der Mittagsschicht in der Bar und einer Einführung in die Bestelllisten und das Inventar durch Mandy, Reapers Vorschlag war bei ihr auf große Zustimmung gestoßen, betrat ich die Werkstatt durch die Seitentür.

Die unüberhörbare Musik hätte Bilder an die Oberfläche gelockt, von einem halbnackten Mann und einer stöhnenden Frau, wären da nicht mehrere Männer und Unmengen an Lack, Chrom und Motorenöl. Laut Beau war dieser Ort ein kleines Schlaraffenland, den konzentrierten und übermütigen Bikern nach zu urteilen, stimmte das wohl.

»Didi!« Mein bester Freund hockte hinter seinem Bike in der letzten Ecken und winkte mich zu sich hinüber.

Sobald ich bei ihm war, kauerte auch ich mich hin. »Also – womit kann ich dir helfen?« Den Kopf auf der Hand abgestützt, beäugte ich die Maschine vor mir.

Durch meine Fahrten mit dem Präs war mir bewusst, wie viel dieses Fahrzeug wiegte. Unter der Haube verbarg sich nichts als reine Kraft und Geschwindigkeit. Beaus Motorrad war auf dem Ständer aufgebockt, ein Teil der Hülle fehlte und einige Kabel lagen frei.

»Wir müssen die Sicherungen überprüfen und die Verkleidung austauschen.«, erklärte er mir, sein schmales Gesicht übersäht mit schmierigen Flecken, ähnlich seinem grauen Overall, dessen Ärmel er um seine Taille gebunden hatte. »Ich habe neue Teile lackieren lassen.«

Burn for youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt