»Dein gutes Herz in allen Ehren, Engelchen, aber das kann nicht dein Ernst sein.«
Meine Miene blieb starr und Carlos realisierte, dass ich keine Witze machte.
Den Ordner in seinen Händen schlug er zu, sichtlich frustriert über meine Einstellung. »Ich habe ihm gestern die Nase gebrochen, weil er sich an dir vergangen hat.«
Es war nicht sein barscher Tonfall, sondern der Inhalt, der mich zusammenzucken ließ. Was Beau getan hatte, ließ sich nicht leugnen, auch nicht von mir, trotzdessen glich er Elijah nicht annähernd und verdiente damit keinen Tod.
»Was er getan hat, war falsch - keine Frage. Aber daran ist er nicht allein Schuld.«, beharrte ich, Carlos massierte sich die Schläfe. »Bestraft ihn, aber bringt ihn nicht um. Nicht meinetwegen.«
Die helle Sonne ließ das ebenholzschwarze Haar in seinem Pferdeschwanz leuchten. »Er hat unsere Regeln gebrochen. Es gilt einen Codex einzuhalten.«
Jeder Mann, jedes Mitglied der Haydes Hells schwor auf ein ehrenhaftes Leben. Frei von Delikten wie dem Missbrauch Schutzbefohlener. Doch schwerwiegender als dieser Verstoß war Beaus Auflehnung gegen seinen Präs, dessen Anweisungen sich von mir fernzuhalten, mich nicht zu berühren, er missachtet hatte. Immer wieder. In den Augen des Clubs kamen diese Dinge einer Rebellion und damit dem Verrat gleich. Dem höchsten geahndeten Verbrechen.
»Ich bitte dich, Carlos.«
Er schüttelte den Kopf, sein Blick zeugte weiterhin von Unverständnis, aber auch Erbarmen. »Diese Entscheidung obliegt nicht mir. Aber eins muss dir klar sein, Adina«, mit einem tiefen Atemzug stützte er sich auf den Schreibtisch zwischen uns, »sollte Reaper dem zustimmen, ist Beau ein Geächteter.«
Daran hatte ich nicht gedacht oder viel eher nicht in Erwägung gezogen, dass er zusätzlich leiden würde, nur weil er überlebte. Dennoch nickte ich. Ein Leben als Außenseiter war immer noch besser wie keines.
Das Ausmaß all dessen wurde mir erst wenige Tage später bewusst.
Obwohl Reaper und ich kein Wort wechselten, nachdem wir an jenem Morgen im Streit auseinandergegangen waren, er unternahm zwar Annäherungsversuche, die ich jedoch alle samt abwehrte, kam er meiner Bitte nach und verschonte meinen Freund vor einem grausamen Tod. Die Spuren der kurzen Zeit in der Scheune waren trotzdem nicht zu übersehen: Sein Gesicht war von Schwellungen deformiert, Färbungen zierten die braune Haut, wenn sie nicht von Wunden zerrissen war. Pyros weigerte sich, diese zu behandeln, die Verbohrtheit aller machte mich wütend, sodass ich Beau schließlich eigenhändig zusammenflickte.
Er konnte nicht glauben, dass ich ihn vor seinem Schicksal bewahrt hatte oder ihm gar verzieh. »Es tut mir so unfassbar leid.«, flüsterte er. Die Stimme rau und heiser. »Ich habe dein Verhalten vollkommen falsch interpretiert und etwas getan, dass ich mir nie vergeben werde.«
»Lass es uns einfach vergessen.« Ein letztes Mal tupfte ich über die kleinen Schnitte an seinem Arm. Schürfwunden von der Prügelei mit dem Vize.
Zwar ließen er und ich den Vorfall hinter uns, der sich im gesamten Club inzwischen rumgesprochen hatte, aber kein anderer tat es. In der Rolle des Geächteten wurde Beau sämtlicher Clubaktivitäten verwiesen, an Ausfahrten und Jobs nahm er nicht mehr Teil. Lediglich seine Arbeit als Mechaniker behielt er. Außerhalb der Werkstatt wurde deutlich, wie groß der Bogen war, den jeder um ihn machte. Niemand sprach mit ihm, seine Anwesenheit wurde faktisch gänzlich ignoriert. Helfen konnte ich ihm dabei nicht. Dieses Verhalten war keine Anweisung des Präs, sondern ein kategorisch gemeinschaftliches Muster, dem sich alle einvernehmlich fügten.
Ich war die Einzige, die weiterhin Teil seines Lebens war.
Beau bemühte sich daher aktiv, unsere Freundschaft nach der Pietätlosigkeit aufzubügeln. Er besuchte mich während meiner Schichten an der Bar, verpasste keine der ausgemachten Laufrunden.
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Burn for you
Romance»Bist du bereit, dass ich dich zerstöre?« -------------------------------- Mitten im Nirgendwo von New Mexico: Wüste, durchzogen von einsamen Highways. Unschuldig, wie die Sünde selbst, stand sie da in ihrem gottverdammten weißen Nachthemd. Vor ihm...