Burn for you

Kapitel 11

TW: Drogen, Alkohol, Gewalt, Sexismus

Die Bar drohte aus allen Nähten zu platzen.

Durstige Kerle drängten sich an die Tische oder blieben gleich an der Bar hängen, Frauen hörte man hin und wieder über den Pegel aus rockiger Musik und heiteren Gesprächen lachen, und an der Decke sammelte sich der Dunst aus Zigarettenqualm in kleinen Wölkchen um die Lampen, sodass man meinen könnte hier drin würde gleich ein Schauer niedergehen. Über den wäre ich ziemlich erleichtert.

Schweiß benetzte meine glühende Haut und sorgte dafür, dass die winzigen Haare, die sich aus meinem Zopf gelöst hatten, in meinem Nacken klebten. Ich kam nicht dazu sie zu bändigen. Auch den Schweiß tupfte ich mir nur sporadisch mit dem Arm oder einem Küchentuch ab.

»Vier Bier und zwei Tequila silver für Tisch acht.« Tiara stellte ihr Tablett auf den Tresen und widmete sich gleich dem vollgekritzelten Block in ihrer Hand.

Meine Aufgabe war klar: das leere Tablett mit den georderten Drinks bestücken. Die Bierkrüge hatte ich schnell gefüllt, war ich doch inzwischen schon ein Profi was die Bedienung des Zapfhahns anging. Die Shots wurden besser, aber mit Longdrinks oder Cocktails hatte ich weiterhin kleine Probleme. Mandy gewährte mir jedoch keinerlei Schonfrist mehr, wenn es um die Arbeit hier an der Bar ging, und darüber war ich froh. Sollte ein kleines, blondes Vöglein gezwitschert haben, würde ich Ash dafür danken, denn meine Chefin behandelte mich wie jedes andere ihrer Mädels. Wie ein vollwertiges Mitglied des Clubs.

Ich erfuhr eine völlig andere, weitaus bessere Wertschätzung, als ich es mir in unserer Kirchengemeinde je erträumt hatte. Dort beruhte mein Ansehen auf dem Titel die Frau an Elijahs Seite zu sein, hier belohnte man mich für meine eigene, körperliche Arbeit. Mit Lob und Verantwortung.

Und mit Geld.

Meine Bezahlung war mein kostenloses Zimmer hier im Clubhaus, zudem uneingeschränkter Zugang zur Küche. Ob das ausreichend war, dem Standard einer Bedienung nah kam, konnte ich nicht einschätzen. Vergleiche fehlten mir, gleichzeitig waren sie nebensächlich. Das, was ich bekam, erfüllte mich mit reichlich Stolz und Freude.

Mandy sicherte mir nichtsdestotrotz zu, dass mein Lohn aufgestockt wurde, wenn ich die Arbeit selbstständig und fehlerfrei absolvierte, ich das Lokal kannte, wie die Phrasen einer Bibel. In meinen Augen ein fairer Kompromiss.

Bis dahin genoss ich dennoch einen dicken Bonus, den die Tätigkeit einer Bardame mit sich brachte: üppiges Trinkgeld. Je besser man sich anstellte, umso spendabler war die Kundschaft. Damit verstand ich auch, warum meine Kolleginnen so offen mit den Gästen flirteten, nicht so aufreizend wie die Sheeps, aber doch mit einem koketten Augenaufschlag, der die Geldbörse des Gegenübers öffnete. Erprobt war ich in diesen Methoden keineswegs, auch hinderte mich ein verbliebener Hauch von Moralkodex an der verwerflichen Tat, Männern Bargeld aus den Taschen zu leiern, aber leer ging ich trotzdem nicht aus. Mein Trinkgeld wanderte direkt in das Glas hinter mir im Regal, das Ash vor wenigen Tagen aufgestellt und mit Edding beschriftet hatte. Freiheit.

All das Geld sparte ich für ein Busticket, den Zug, eine Wohnung. Alles, was ich brauchen würde, um auf eigenen Beinen zu leben. Und bis ich mir meine Freiheit leisten konnte, wohnte und arbeitete ich hier im Chapter.

»Salz.«, wies mich Tiara an, ihr Blick auf das beladene Tablett gerichtet. Meinen Fehler behob ich schnell, stellte den Salzstreuer neben die Gläser und war froh über ihre strenge, aber gerechtfertigte Kritik. Allein so lernte ich.

Meine wachsamen Augen glitten hinüber zu der Anzeige auf dem Radio. 22:51 Uhr. Seit knapp sechs Stunden rührte ich mich nicht vom Fleck, allein den Müll brachte ich weg oder verschwand im Lager, zum Auffüllen der Getränke, doch bis zum Feierabend war es noch eine Weile hin. Der normale Barbetrieb war inzwischen Gewohnheit für mich, ein volles Haus wie das heutige hingegen, war Neuland. Meine Konzentration wurde auf die Probe gestellt.