Teil 25

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Nach dem Abendessen war die ganze Crew in der Kombüse, um noch ein wenig herumzualbern, sodass Mina durch die Gänge laufen konnte, ohne dass sie jemandem begegnete. Es fiel ihr viel schwerer, als sie es erwartet hatte, denn sie fühlte sich wie eine Verräterin. Sie bezeichnete die Heart Piraten als ihr Zuhause, doch mit jedem weiteren Schritt fand sie den Weg nach draußen und damit kam sie Marco immer näher.
„Ich werde wieder kommen", flüsterte sie so leise, dass nur sie er hören konnte, „Ich werde lebendwieder kommen."
Auf dem Deck rauchte sie ihre Zigarette fertig und stimmte Roll the old Cariot an, denn das war Ace' Lieblingslied gewesen. Nun war es für sie ein Versprechen an ihren besten Freund, dass sie die Person töten wird, die für so viel Leid verantwortlich war. Und es war ein Versprechen an die Bewohner der Polar Tang, dass dies kein Abschiedslied war.
Mina hob den Kopf und betrachtete die vielen Schiffe, die am Hafen standen, wobei eines besonders hervorstach, denn dies hatte sie zuvor noch nicht gesehen. Es standen ungefähr zehn weitere Schiffe dazwischen, die alle ein wenig kleiner waren. Noch eine Weile stand sie an der Reling und lauschte dem Rauschen der Wellen, doch war so in Gedanken vertieft, dass sie nicht bemerkte, wie Shachi aufs Deck ging.
„Oi! Mina! Ich hab dich den ganzen Tag nicht gesehen", plapperte er fröhlich los, doch verstummte, als er in das panische Gesicht der Zauberin blickte. Geistesgegenwärtig wich sie zur Seite, um ihn blitzschnell in den Schwitzkasten zu nehmen. Er zappelte und versuchte sich aus ihrem Griff zu befreien, der ihm stetig die Luft abdrückte, aber er schafft es nicht rechtzeitig und nachdem ihm schwarz vor Augen wurde, erschlaffte sein Körper.
„Tut mir Leid, Shachi", keuchte Mina, die ihn sofort losgelassen hatte, als er ohnmächtig wurde, denn sie wollte ihn auf keinem Fall verletzten. Behutsam lehnte sie seinen Körper gegen ein paar Holzkisten.
Jetzt gibt es kein zurück mehr! Ohne noch mehr Zeit zu verlieren, sprang sie flink über die Reling und rannte am Hafen entlang. Ihre Beine fühlten sich schwer wie Blei an und ihre OP-Wunde pochte jedesmal, wenn sie auf den harten Steinboden traf. Das Atmen fiel ihr schwer und sie hatte das Gefühl, von ihrem schlechten Gewissen von Innen heraus aufgefressen zu werden.
„Ich werde ihnen alles später erklären müssen, aber jetzt geht das nicht", schnaufte sie und bog zu dem Schiff ein, was Marcos hätte sein müssen, welches zu ihrem Entsetzen vor wenigen Augenblicken abgelegt hatte. Sie sah es noch, wie es über das dunkle Meer segelte, und es war auch noch nicht weit weg, also sprintete sie erneut an und sprang.
"Storm!"
Sie hielt ihre Hand hinter ihrem Rücken und die Kraft des Windes sammelte sich an der richtigen Stelle, um sie mit einem starken Windstoß nach vorne zu schleudern. Ein wenig unkoordiniert überwand sie den Abstand zum Schiff und landete mit viel Schwung auf dem erhöhten Teil des Decks. Es polterte laut, während sie sich abrollte, um sich nicht noch mehr zu verletzten, dennoch durchzuckte sie ein beissender Schmerz, denn ihre Schulter war für solche Aktionen noch nicht genug verheilt.
„Ah Fuck", fluchte die Zauberin und atmete schwer. Ihr ganzer Körper zitterte und fühlte sich so schwach an, dass sie erstmal sitzen blieb. Sie hatte das Gefühl, einen Großteil ihrer Kraft verloren zu haben.
Bald hörte sie, dass jemand die Treppenstufen hinauf stieg, doch es war so dunkel, dass sie zunächst nicht erkennen konnte, wer auf sie zu kam. Mit einem Schnipsen entzündete sie eine kleine Flamme und schaute in Marcos überraschtes Gesicht.
„Lumina, bist du verletzt?", fragte er und kniete sich zu ihr runter, denn sie hielt sich die schmerzende Stelle.
„Hilf mir beim Aufstehen. Der Schmerz lässt gleich nach", keuchte sie und Marco half ihr, damit sie sich zumindest auf ein Fass setzten konnte, was in der Nähe war.
„Was machst du hier? Du hast mir heute noch gesagt, dass du nicht mitkämpfst", sprach er in einem ernsten Ton, doch klang dabei besorgt um ihren Zustand.
„Das stimmt", gestand die Zauberin, nach einer Weile, die sie nutzte, um sich zu sammeln, „Aber ich kann mir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Ich habe die Schlacht von Marineford verpasst. Wenn ich nun diese Chance nicht nutze, um Blackbeard zu töten, kann ich nie wieder in den Spiegel schauen."
Ein kalter Schauer fuhr Marco über den Rücken, als er das eiskalte Funkeln in den blauen Augen der Frau sah.
„Du machst dir immer noch Vorwürfe wegen Marineford?", murmelte er und schenkte ihr einen mitleidenden Blick. Mina biss ihre Zähne so fest zusammen, dass ihre Kiefer ebenfalls schmerzten.
„Wenn ich da gewesen wäre, müssten wir diesen Kampf nicht kämpfen", fauchte sie zornig, „Ace wäre noch am Leben und Whitebeard vielleicht auch."
Die Rothaarige merkte, dass ihr Blut schneller durch ihre Adern schoss und sie all den angestauten Druck des heutigen Tages ablassen musste, denn sie rutschte vom Fass runter und packte Marco am Kragen seines Hemdes.
„Ich habe meinen besten Freund verloren, der mir alles bedeutet hat. Ich mache mir keine Vorwürfe, aber meine Albträume lassen mich wünschen, ich wäre bei der Schlacht gestorben."
Jedes Wort war schärfer als jedes Skalpell. Der Blonde blieb standhaft und ließ die ganze Situation geschehen. Zwar war er körperlich stärker als Mina und er hätte nicht viel Energie benötigt, um aus ihrem Griff hinaus zu kommen, doch er rührte sich zunächst nicht. Erst als die Hände der Zauberin vor Anspannung schmerzten, nahm er sie an den Handgelenken, sodass sie ihn langsam los ließ.
Es gab in diesem Moment keine Worte, die richtig waren. Mina musste sich eingestehen, dass sie keine Erwartungen an ihn hatte. Der Ursprung ihrer Handlungen war ihr seelisches Leiden, welches sie nicht anders ausdrücken konnte.
Noch immer war sie gegen das Fass gelehnt und nun ruhten ihre Hände auf ihrem Schoß.
„Tut mir Leid", flüsterte sie kraftlos und ließ den Kopf hängen, sodass ihre kurzen Haare ihre Nase kitzelten.
„Ich bin froh, dass du da bist", entgegnete Marco mit einem verständnisvollen Lächeln und setzte sich zu ihr. Die beiden teilten sich den Platz auf dem Fass, sodass deren Rücken aneinander gelehnt war. Während sich Mina die nächste Zigarette anzündete, erinnerte sie sich daran, wie sie das mit Ace getan hatte. Es war für sie eine bedeutsame Position, denn der eine gab dem jeweils anderen Rückendeckung und durch die Berührung wusste man, dass man nicht alleine ist. Nun fühlte sie ebenfalls Marcos Körperwärme und seine Bewegungen, wenn er den Arm hob. Darf folgte das metallische Geräusch eines Feuerzeug und ein tiefes Durchatmen seinerseits.
Raucht Marco gerade ?, fragte sie sich im Stillen, doch sagte nichts dazu, da sie ihn dafür nicht verurteilen wollte. Immerhin war sie selbst kein Stück besser, denn sie versuchte im Nikotin Trost zu finden.
„Weiß Trafalgar, dass du hier bist?"
Mina schnaubte und vor ihrem inneren Auge sah sie das Chaos auf der Polar Tang, welches in den Zwischenzeit ausgebrochen sein sollte.
„Nein", seufzte sie, „Aber er weiß, dass diese Schlacht geschehen wird. Und ich bin entdeckt worden, als ich das Schiff verlassen habe."
„Das heißt, er wird uns früher oder später einholen?", schlussfolgerte Marco, der die Asche seiner Zigarette weg schnippte.
„Das wird er. Und dann bin ich ein Kopf kürzer", seufzte die Rothaarige schwer, die einen Stich in der Brust fühlte.
Marco musste ein wenig lachen.
„Es ist mir ein Rätsel, was du an ihm findest."
„Law hat meistens die Attitüde eines Eisklotzes, aber er kann auch anders."
Während Minas Wangen ein weniger wärmer wurden, kämpfte sie innerlich mit ihren Zweifeln, ob sie ihren Partner nach dieser Nacht wieder sehen würde und ob er ihr Verhalten verzeihen kann.
„Ich habe Law versprochen, dass ich nicht sterbe", murmelte sie für sich, doch wusste, dass Marco es ebenfalls hörte.
„In dieser Schlacht lohnt es sich nicht zu sterben. Wir kämpfen zwar gegen Blackbeard, aber das eigene Leben auf's Spiel zu setzten, ist es nicht wert."
Mina wollte darauf antworten, doch hinter ihrer Stirn kreisten unzählige Gedanken, die immer wieder laut widerhallten. Ihr entwich ein erschrockenes Keuchen, als Marco vom Fass abstieg und sie beinahe nach hinten kippte. Er streckte seine Hand nach ihr aus.
„Komm, wir sollten zu den anderen gehen und uns vorbereiten."
Die Zauberin nickte und ging mit.


Auf der Polar Tang.
Ikkaku trat auf das Deck des U-Bootes, um frische Luft zu schnappen. In der Kombüse war es mit der quirligen Mannschaft zu laut und stickig geworden. Seufzend lehnte sie sich gegen die Reling und blickte über die hellen Fenster der zahlreichen Kneipen, aus denen andere Piraten spannende Geschichten erzählten, die unmöglich wahr sein konnten. Ihr fiel auf, dass ein Schatten von der Polar Tang davon lief und schon bald in der Dunkelheit verschwunden war, doch diesem schenkte sie keine weitere Beachtung. Erst als sie Shachis schmerzerfülltes Stöhnen hörte, drehte sie sich in die Richtung, wo es herkam.
„Was ist dir denn passiert?", fragte sie sofort voll Sorge und kniete sich zu ihrem Kameraden runter, der sich verwundert am Hinterkopf kratzte. Er atmete schwer und blieb auf dem Deck sitzen, damit ihm beim Aufstehen nicht schwarz vor Augen wurde.
„Ich habe Mina hier getroffen, doch als ich sie ansprach, hat sie mir die Luft abgeschnürt", erklärte er knapp und fasste sich bei seiner Aussage an den Hals, auf dem Abdrücke zu sehen waren, „Sie hat irgendetwas zu mir gesagt, doch das habe ich nicht verstanden. Dann war alles schwarz."
Ikkaku half ihm beim Aufstehen.
„Wir brauchen niemanden in der Crew, der die eignen Leute angreift. Am besten sollten wir dem Captain davon erzählen", fauchte sie.
„Was solltet ihr mir erzählen?"
Law, der gerade den Weg nach draußen gefunden hatte, blickte in die überraschten Gesichter der beiden. Er klang ein wenig genervt, denn er wollte nur hinaus, um ein wenig Ruhe zu haben und nicht, um den nächsten Konflikt zu klären.
„Hast du Mina gesehen?", entgegnete die Mechanikerin zögerlich und weckte dadurch die Skepsis des Chirurgen.
„Seit dem Abendessen nicht mehr. Wieso?"
„Nun ja", murmelte Shachi bedrückt, „Als ich sie das letzte Mal sah, hat sie mir die Luft abgedrückt bis ich bewusstlos war. Das kann gar nicht so lange her sein."
„Was?", sprach er und runzelte dabei die Stirn, „Helft mir sie zu finden. Ich bin mir sicher, dass es dafür eine Erklärung gibt."
Ikkaku öffnete den Mund, um zu widersprechen, doch sie hatte es sich im gleichen Moment anders überlegt. Dies blieb dem Captain nicht verborgen, doch er sagte nichts dazu. Nachdem er sicher ging, dass es Shachi soweit gut gehe, beteiligte er sich an der Suche. Der Rest der Mannschaft wurde involviert und schon bald hatten sie das komplette U-Boot auf den Kopf gestellt. Je länger die Suche ging, desto angespannter wurde er. Er war sich sicher, dass Mina keine böse Absicht hinter dem Angriff hatte und dass sich alles erklären ließ, doch dafür müsste man sie finden. Leider fehlte von der Zauberin bis zum Schluss jede Spur. Ihr Rucksack und all ihre Sachen waren in ihrer oder Laws Kajüte, als ob sie im nächsten Moment wieder zurück käme.
„Wir haben nun alles abgesucht. Sie ist wie vom Erdboden verschluckt. Tut mir Leid, Captain", berichtete Bepo, der wie die meisten hin und her gerissen war. Diese Nachricht verpasste Law einen Stich in die Brust. Die Crew hatte sich in der Kombüse versammelt und wartete nun auf nächste Anweisungen.
„Ist sie vielleicht im Dorf bummeln?", warf Penguin in den Raum.
„Dann hätte sie doch jemandem Bescheid gesagt", argumentierte Shachi dagegen, „Außerdem passt das nicht zu ihr."
Ikkaku beobachtete die Situation mit fester Mimik und sah, wie dem Chirurgen schmerzlich klar wurde, wo sie als nächstes suchen sollten.
„Bepo, nimm sofort Kurs auf die nächste Insel", befahl er und der Eisbär legte zunächst den Kopf schief, doch lief gleich zur Steuerungszentrale, „Wir legen sofort ab. Mina muss dort sein."
„Warum sollte sie dort sein?", fragte die nun einzige Frau an Bord.
„Weil dort bald die Vergeltungsschlacht zwischen den Blackbeard Piraten und den übrigen Whitebeard Piraten stattfinden wird."

Unravel (eine One Piece FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt