Teil 35

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Es war ein unvorstellbares Chaos, was dieser Kampf hinterlassen hatte. Ein Waldstück und ein Teil der Böschung, so groß wie das Dorf Polemonium, war den Bränden und Angriffen ausgesetzt gewesen und bräuchte nun viel Zeit, um sich zu erholen. Jegliches Moos und Gras war nur noch Asche auf dem staubigen Boden. Gleichzeitig kehrte Ruhe ein.

Mina kniete im Dreck und rieb sich die Augen. Immer wieder wurde sie von Schmerzschüben gequält, die nach jeder Welle geringer wurden. Law war bei ihr und strich ihr über den Rücken, damit sie wusste, dass er für sie da ist.

Das war's? Waren ihre einzigen Gedanken, die sie vernehmen konnte. War es vorbei?

„Kannst du aufstehen?", fragte er vorsichtig und man merkte ihm an, dass er von den letzten Moment ziemlich mitgenommen war.

„Ich denke schon", antwortete die Zauberin zögerlich , „Gib mir noch einen Moment. Fuck, tut das weh."

Die Wolken haben das Weite gesucht und die Sonne schien auf die Insel herab, doch die starke Sonneneinstrahlung führte nur dazu, dass Mina ihre Augen nach jedem Blinzeln wieder zusammen kniff. Ihre Bandagen an den Händen waren bereits nass von den unbeabsichtigten Tränen und nach weiterer Zeit verspürte sie doch eine leichte Besserung, sodass sie sich wieder traute den Kopf zu haben. Langsam schaute sie sich die zerstörte Umgebung an. Law reichte ihr die Hand, die Mina dankbar annahm und so wieder fest auf beiden Füßen stand. Sie schaute auch ihn an und bemühte sich um ein Lächeln, doch sie konnte die vielen Emotionen, die sie alle gleichzeitig fühlte, nicht sortieren. Alle Eindrücke erschlugen sie.

Mühsam traten sie über den verbrannten Boden, doch schon bald begannen Minas Beine be jedem weiteren Schritt zu zittern. Sie kämpfte sich noch einige Meter weiter, um nicht in die warme Asche zu fallen, doch dann zwang ihr Körper sie zur Ruhe. Law und die Zauberin saßen auf einem Baumstumpf, während Mina heftig zitterte und mit einer Hand über ihre Stirn rieb, denn sie wurde von starken Kopfschmerzen geplagt.

„Meine Kraft sollte reichen, um uns zum Schiff zu bringen", spekulierte der Chirurg, der bereits den ungefähren Abstand einschätzte, doch die Zauberin lehnte sich gegen seine Schulter und schüttelte leicht den Kopf.

„Ich brauch noch ein paar Minuten Pause. Ich kann nicht glauben, was eben passiert ist", gestand sie.

„War diese Erscheinung wirklich Ace?", fragte Law nach einem Moment der Stille.

„Nein, das war nicht Ace", antwortete Mina zögerlich, „Aber es war ein Teil seiner Seele, die noch auf der Welt wandelte. Zerrüttet von all den Ereignissen, die geschehen sind und nicht geschehen sind."

Der Chirurg runzelte die Stirn, denn er versuchte das Gesagte zu verstehen.

Habe ich dir geholfen oder nun die letzte Verbindung zu dir gekappt?

Die erste Welle der innere Anspannung der Zauberin klang ab, weshalb sie tief durchatmen konnte. Zwar fühlte sie sich noch immer extrem ausgelaugt und kraftlos, doch hier war nicht der richtige Ort, um Besserung zu erzielen.

„Jetzt können wir zurück", murmelte sie und stand langsam auf.

Zum Abschiedslagerfeuer versammelten sich die Piraten, aßen und tranken zusammen, während unzählige Sterne über deren Köpfen strahlen. Law war so gesprächig wie noch nie, denn er erzählte den Männern und Frauen, was geschehen war. Dabei ging er nicht auf jedes Detail ein, doch beantwortete fast jede Rückfrage. Im Vergleich dazu war Mina seit der Ankunft an der Polar Tang ungewöhnlich still. Sie lag auf der Wiese am Lagerfeuer, während ihr Kopf auf Laws Oberschenkel ruhte, und lauschte dem abklingenden Trubel um sie herum, denn die immer tiefe werdende Nacht machte die Piraten müde.

Du hast meine Entschuldigung gehört, Ace, aber war das schon alles? Dachte sie und kämpfte alleine mit den Zweifeln.

Denkst du wirklich, dass ich böse auf dich war? Die Stimme ihres besten Freundes ertönte in ihrem Ohr und aus Schreck zuckte die Zauberin zusammen, was das Lagerfeuer auflodern ließ.

Ich danke dir für deine Hilfe und ich freue mich, dass du dir endlich verziehen hast.

Mina setzte sich auf und sah sich verwirrt um. Ist sie jetzt verrückt geworden? Halluzinierte sie wegen den starken Schmerzmitteln?

Sie traf Laws fragenden Blick und lehnte sich wieder zurück, um ihren Kopf auf sein Bein zu legen.

Ich werde dir mit meiner Kraft zur Seite stehen!

Obwohl die Zauberin auf dem kalten Boden lag, spürte sie eine warme Umarmung und wie ihr Herz kurz darauf einen Sprung machte. Instinktiv fasste sie sich in die Mitte ihres Brustkorbs und bemühte sich, in sich hinein zu lauschen, um eine Veränderung festzustellen. Um nicht von anderen Reizen abgelenkt zu sein, schloss sie ihre Augen und mit jedem weiteren ruhigen Atemzug, bemerkte sie etwas. Sie fühlte die Anwesenheit jeder Person und jedes Gegenstandes allein dadurch, dass sie deren Temperatur wahrnahm. Vor ihrem inneren Auge konstruierte sich die Umgebung Stück für Stück nach. Shachi, der schon einen Fake zu viel getrunken hatte, taumelte aus der Dunkelheit der Büsche wieder ans Lagerfeuer, was Mina mit ihrer schlechten Sicht kaum gesehen hätte, doch nun war dies keine Herausforderung mehr. Neben ihr lag Kikoku, Laws Schwert, welches genauso kalt war, wie die anderen Schwerter in näherer Umgebung. Ob sie ihre neue Fähigkeit auch im Kampf einsetzten konnte?

„Willst du schlafen gehen?", fragte ihr Partner leise.

Als Antwort folgte ein bejahendes Brummen und schon bald standen die beiden auf. Mina rief noch ein „Gute Nacht" über die Schulter an die wenigen, die noch ihre letzte Flasche leer tranken.

Es brannte kein Licht mehr in den Gängen der Polar Tang, dennoch fanden die beiden den Weg in die gemeinsame Kajüte ohne Mühe. Selbstverständlich hatte Law keine Schwierigkeiten sich in seinem eigenen Schiff zu orientieren, doch auch ihm fiel auf, dass Mina sich nicht an seiner Hand festhielt und ihm folgte, als ob sie alles sehen konnte. Währenddessen kam die Zauberin aus dem Staunen nicht mehr raus. Jede kalte Schraube, jede Leitung, die sich hinter den metallischen Mauern verbarg, konnte sie wahrnehmen. Sie wusste, wie breit die Bodenplatten unter ihren Füßen waren, sodass neben Blut auch Euphorie durch ihre Adern strömte.

„Keine Angst mehr im Dunkeln?", stellte Law mit einem leichten Grinsen fest.

Dies hatte die Zauberin beinahe vergessen, denn für sie war ihre Umgebung nicht mehr in Finsternis getaucht.

„Nein, nicht mehr", säuselte sie und musste dabei lächeln.

In der Kajüte zogen sie sich etwas zum Schlafen an und Mina war die erste, die sich auf die Decken des Bettes fallen ließ. Mit einem leisen Schnippen zündete sie die Kerze auf dem Nachttisch an, doch nicht aus Furcht vor der Dunkelheit, sondern für das Ambiente des sonst so kühlen Raumes. Law warf seine Mütze und seinen Mantel auf einen Stuhl und ließ sich neben Mina fallen, doch anstatt seinen Kopf auf seinem Kopfkissen zu platzieren, nutzte er die Chance, um ihn auf Minas Bauch zu legen und einen Arm um ihre Teile zu schlingen. Zunächst war die Zauberin ein wenig überrascht von dieser Geste, doch realisiert gleichzeitig, wieviel Vertrauen und Geborgenheit in dieser Steckte. So ließ sie ihre Finger durch seine schwarzen Haare fahren, sodass der Chirurg zufrieden brummelte.

„Ich hatte so Angst um dich", gestand Law, als er erneut daran erinnert wurde, dass Mina sich vor ihn gestellt hatte, um ihn zu beschützen.

„Ich habe dir versprochen, dass ich nicht sterben werde", entgegnete sie, „Außerdem werde ich nie wieder in diese Situation geraten. Deshalb...", sie zögerte, „... wirst du dich nicht mehr sorgen brauchen."

Unravel (eine One Piece FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt