Teil 24

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Mina schaute nicht zurück, als sie von der Gasse bis zum U-Boot lief. Den Trubel des Hafens um sie herum nahm sie kaum wahr und sie war unendlich dankbar, als sie das metallische Innere der Polar Tang betrat, damit sie ihre Ruhe hatte. Leider merkte sie mit jedem Schritt, den sie durch den Gang trat, dass die Schmerzmittel nachließen und ein unangenehmes Ziehen von ihrer Verletzung ausging.

„Oi, Law", grüßte sie ihren Partner, der in seiner Kajüte über seinen Schreibtisch gelehnt war und sie erst bemerkte, nachdem sie ihn ansprach, „Ich brauch wieder Schmerztabletten."

„Und Antibiotika", ergänzte er, während er sich sofort von seinem Stuhl erhob, denn er wollte nicht, dass sie noch eine Sekunde länger warten muss, „Außerdem können wir gleich deine Verbände wechseln."

Gemeinsam huschten sie in den nahegelegenen Behandlungsraum und Law richtete der Zauberin die benötigten Tabletten und ein Glas Wasser, die sich in der Zeit ihres T-Shirt entledigte. Mit einigen großzügigen Schlücken würgte sie die Tabletten hinunter, die ein wenig bitter schmeckten.

„Wie war dein Besuch bei Ivy? Du machst auf mich keinen guten Eindruck", äußerte Law, der gerade dabei war, die Verbände von ihrem Körper zu lösen, wobei Mina schweigsam ins Leere blickte.

„Das Gespräch mit Ivy war schön." Sie bemühte sich um ein Lächeln. „Ich habe sie schon lang nicht mehr gesehen und sie war mit meiner Mutter gut befreundet. Es tat gut, mit ihr zu reden. Sie war ein wenig schockiert, dass ich beim Ort der Macht verloren habe, aber sie hat mich auch wieder aufgebaut."

Law hörte zu und desinfizierte die OP-Wunde, die feinsäuberlich zugenäht war. Eigentlich wollte Mina weiter erzählen, doch ihr Atem stockte ein wenig, als sie die Wunde anschaute, denn unter ihrer Haut war die Metallplatte und die einzelnen Schrauben, die ihren Knochen zusammenhielten, deutlich zu erkennen. Ein flaues Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus, doch sie fing sich wieder und drehte ihren Kopf in die andere Richtung.

„Das klingt doch gut, doch was plagt dich dann?", fragte der Chirurg, der die Wunde wieder frisch verband.

„Nun ja", murmelte sie, „Kennst du Marco, den Phönix?"

„Hm."

„Er ist ebenfalls hier auf der Insel. Ich bin ihm begegnet."

Laws Interesse war eindeutig geweckt, denn er hob die Augenbraue und hielt für einen Moment inne, bis er schließlich den Verband fixierte.

„Ich sah ihn das letzte Mal bei Marineford", grübelte er, „Was wollte er von dir?"

Vorsichtig zog Mina ihr Oberteil wieder an.

„Er und die restliche Whitebeard Piraten ziehen heute Nacht gegen Blackbeard in eine Schlacht. Und er hat mich gefragt, ob ich ihnen helfen kann."

Ein entsetztes „Was?!", entglitt Laws Lippen und der komplette Raum bebte vor Anspannung, was auch Mina augenblicklich erzittern lies.

„Willst du mir etwas sagen, dass...?!", fauchte er sofort, doch die Zauberin glitt vom Behandlungstisch und unterbrach ihn: „Ich habe abgelehnt." Ihre Worte waren eindeutig und ließen keinen Platz für Zweifel „Hätte mich Marco gefragt, bevor ich dich und die Crew kennengelernt hätte, würde ich jetzt auf seinem Schiff stehen und Teach bald die restlichen Zähne aus der Visage kloppen, doch ich bin hier."

Der Captain der Heart Piraten bleckte nicht vor Wut die Zähne, sondern vor den anderen starken Emotionen, die ihn fluteten. Er hatte panische Angst, sie zu verlieren. Nun standen sie sich so nah gegenüber, dass sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten, wenn Mina nicht ein gutes Stück kleiner wäre. Mit großer Mühe hielt sie seinem eisernen Blick stand, der sie durchdrang wie Gewehrkugeln.

„Bist du dir sicher?", fragte der Chirurg, dessen warmer Atem auf Minas Haut traf.

„Du zweifelst?", entgegnete sie schnell, wobei ihre Hände, die zu Fäusten geballt waren, zitterten.

„Der Mann hat deinen besten Freund an die Marine ausgeliefert. Ja, ich zweifle an deiner Entscheidung. Ich mache mir Sorgen, dass du dich in Gefahr begibst."

„Ich habe dir versprochen, dass ich nicht sterbe und das halte ich", zischte sie, denn sie war ein wenig wütend, „Mir fällt das ganze schon schwer genug. Warum vertraust du mir nicht?"

Law setzte zu einer Antwort an, doch alle Worte blieben ihm im Hals stecken. Die Zauberin schnaubte und schob sich an ihrem Partner vorbei, denn sie wollte ihm nicht zuhören. Ohne noch etwas zu sagen, verließ sie den Raum und bog nach rechts zu ihrer Kajüte.

Später.

Mina und Law sind sich den Rest des Tages aus dem Weg gegangen.

Der Chirurg ist nach der Auseinandersetzung wieder zu seinem Schreibtisch zurückgekehrt, doch musste bald feststellen, dass er diesen wieder verlassen muss, da sein Kopf zu schmerzen begann. Stöhnend ließ er sich in das weiche Bett fallen und warf seine Mütze bei Seite. Immer wieder drehten sich seine Gedanken um die Situation im Behandlungsraum. Eigentlich sollte es ihn freuen, dass sich die Zauberin gegen die Schlacht entschieden hat, doch ihm blieb es verwehrt, denn er zweifelte tatsächlich an ihr. So seltsam es klang, aber wäre er an ihrer Stelle, würde er an dieser Schlacht teilnehmen. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, würde er sich ebenfalls keine Chance entgehen lassen, Doflamingo umzubringen, der seinem besten Freund Corazon das Leben nahm. Er konnte nachvollziehen, dass Mina sich für ihn und die Crew entschieden hatte, doch wenn er den Schmerz in ihrer Stimme hörte, wenn sie in Erinnerungen von Ace schwelgte, dann passte ihr Verhalten nicht zusammen.

Law zuckte zusammen, als ein Schatten an seiner Kajüte vorbei huschte. Ein zarter Luftstrom gelang durch die angelehnte Tür und brachte den Geruch von Minas Tabak mit.

„Oh, we'd be alright if the wind was in our sails

We'd be alright if the wind was in our sails

We'd be alright if the wind was in our sails

And we'll all hang on behind...", sang sie nur ein paar Minuten später, als sie auf dem Deck saß und ihre weiche Stimme durch die Gänge hallte. Eine Weile hörte er ihr zu und es fühlte sich so an, als ob die ganze Anspannung endlich von ihm fiel. Worte konnten nicht beschreiben, wie sehr er ihren Gesang liebte und wie sehr er es vermisst hatte.

„Ich sollte mit ihr reden", nuschelte er zu sich selbst und fuhr sich durch die Haare, doch nach jedem weiteren Vers fielen dem Chirurgen immer öfter die Augen zu und noch bevor das Lied zu Ende war, war er eingedöst.

Kurz zuvor.

Mina saß in ihrer Kajüte und betrachtete neben sich den immer höher werdenden Aschenbecher. Normalerweise durfte sie innerhalb der U-Bootes nicht rauchen, doch sie hatte nicht die Nerven, um sich rauszusetzen, denn sie wollte endlich die Stille genießen, die ihr der metallische Raum bot. Ab und zu hörte sie, wie jemand an ihrer Tür vorbei lief, doch niemand klopfte und der Großteil der Crew schien beschäftigt zu sein, da sich keiner in den Gängen lautstark unterhielt oder herumtobte.

Sie nutzte die Zeit, um ihre Gedanken zu sortieren, denn diese waren spätestens nach dem Gespräch mit Marco nur noch durcheinander. Law hatte ihr vorhin den Rest gegeben, weshalb sie auch vor ihm flüchtete. Obwohl sie ihren Partner angefaucht hatte, war sie eigentlich nicht wütend auf ihn, denn nach jeder weiteren Zigarette beschlich sie das Gefühl, dass er sie besser verstand, denn sie bereute mehr und mehr, Marco im Stich gelassen zu haben.

Würde sich ihr jemals eine bessere Chance bieten, Blackbeard anzugreifen? Wenn sie den Kampf gewinnen würden, könnte sie mit allem abschließen, was Thatch, Ace und Whitebeard passiert ist. Und diese Option klang in ihren Ohren wunderschön.

Vielleicht würden meine Albträume ein Ende finden?, dachte sie und musste leicht grinsen, Vielleicht schaffen wir es, den Kampf bis zum Morgengrauen für uns zu entscheiden? Dann würde Law und die Crew mein Fehlen kaum bemerken.

Bei diesem Gedanken spürte sie einen unangenehmen Druck auf der Lunge. Das war ihr schlechtes Gewissen.

Dennoch hatte sich umentschieden, denn dieser Weg fühlte sich für sie weniger falsch an. 

Unravel (eine One Piece FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt