2

193 10 0
                                    

Von dem Klingeln des Telefons werde ich aus meinen Gedanken gerissen.

"Guten Tag, Anwaltskanzlei Becker und Partner, mein Name ist Merle Sommer" nehme ich den Anruf entgegen. Am anderen Ende der Leitung ertönt eine gestresste Männerstimme, die direkt für heute einen Termin bei Herrn Wagner für einen seiner Klienten verlangt, es würde um eine Scheidung gehen. Die Angelegenheit sei sehr dringend.

Nach einem schier endlosen und unfreundlichen Telefonat konnte ich Herrn Brönner, so stellte sich der Anrufer vor, einen Termin für heute Nachmittag 15 Uhr anbieten. Allerdings mit etwas Wartezeit, da mein Chef zuvor noch einen auswärtigen Termin hat.

Der Termin meines Chef's verzögert sich und so hat er mich gebeten, den Termin mit den neuen Mandanten schon mal zu beginnen.

14:55 Uhr. Mein Telefon klingelt. Es ist der Empfang und mir wird mitgeteilt, dass Herr Brönner und sein Klient nun da wären. Ich lasse die beiden in das Besprechungszimmer bringen und mache mich auch auf den Weg. Vor der Tür atme ich noch einmal tief durch und dann betrete ich den Raum.

Ein Mann steht mit dem Rücken zur Tür und schaut aus dem Fenster. Der andere Mann hingegen sitzt am Tisch und tippt hektisch auf seinem Handy rum. Keiner der beiden hat bemerkt, dass ich den Raum betreten habe.

"Guten Tag die Herren, ich bin Merle Sommer." Ruckartig drehen sich beide Männer zu mir um. Der Mann am Fenster lächelt mich zurückhaltend an und mich trifft der Schlag. Vor mir steht Michael Patrick -Paddy- Kelly. Und eben dieser lächelt mich immer noch an. "Hallo Frau Sommer  eigentlich haben wir einen Termin mit Herrn Wagner..." löst der andere Herr, scheinbar ist das Herr Brönner, die unangenehme Situation.

Ich kläre die beiden über die Situation auf und fange an, den standartisierten Fragebogen für Ehescheidungen durchzugehen. Sorgfältig notiere ich alle Antworten und Informationen.

Gerade bin ich mit dem Fragebogen fertig und kläre die beiden Herren über das weitere Vorgehen auf, als auch schon mein Chef den Besprechungsraum betritt. Erleichtert atme ich auf und verabschiede mich und verlasse fast fluchtartig den Raum.

Mit schnellen Schritten stürze ich in die Toilette und lehne mich gegen die Wand, wo ich ein paar Mal tief durchatme.

Immer noch total überfordert betrete ich mein Büro und versuche, meine Akten zu bearbeiten. Doch das gelingt mir nicht. Mit einem Seufzen blicke ich auf dir Uhr und stelle fest, dass ich für heute Feierabend machen kann.

Keine 5 Minten später stehe ich draußen vor dem Bürogebäude und blicke nach oben.

In Gedanken versunken mache ich mich auf den Weg nach Hause. Das kann doch nicht wahr sein. Was war heute für ein verrückter Tag. Erst muss ich für meinen Chef einspringen und dann steht Paddy Kelly vor mir.

Zu Hause angekommen, laufe ich direkt auf den Kühlschrank zu und hole den Jägermeister raus. Den brauche ich jetzt. Schnell kippe ich die braune Flüssigkeit meinen Rachen runter und muss mich direkt schütteln.

Wenig später sitze ich auf meinem Balkon in der Sonne. Immer wieder habe ich das Lächeln von Paddy vor Augen. Seine blauen Augen waren stumpf und glanzlos, fast schon erschöpft. Doch sein Lächeln war ehrlich und hat seine Augen erreicht.

Paddy Kelly.

Mein Idol, mein Schwarm, mein Retter in den dunkelsten Stunden.

Wie sehr liebe ich seine Musik. Angefangen mit der Kelly Family. Die Hysterie habe ich nicht mitbekommen, dafür bin ich zu jung. Doch mag ich die Musik und vor allem Paddy hatte es mir angetan.
Später war dann auch die Begeisterung für seine Solomusik da. Es vergeht eigentlich kein Tag, an dem ich seine Musik nicht höre. So oft gab mir seine Musik, seine Texte, seine Stimme Kraft, weiter zu machen und nicht aufzugeben.
Ich ziehe so viel Kraft aus seiner Musik, dass mein Rücken ein Tattoo mit seinen Textzeilen ziert.

Und dann steht er plötzlich vor mir und ich soll seine Scheidung bearbeiten? Das ist doch völlig absurd.

Nachdem ich noch eine Weile meinen Gedanken nach hing, mache ich mich nun daran, die Möbel weiter aufzubauen. Ich beginne im Bad, das ist nicht ganz so viel und bereits nach kurzer Zeit steht die Kommode und ich beginne damit, diese einzuräumen und generell das Bad fertig einzuräumen bzw. zu dekorieren. Damit war ich schnell fertig und ich mache mit der Küche weiter. Hier muss ich zum Glück nur auspacken.

Als ich das nächste Mal auf dir Uhr schaue, ist es bereits nach 20 Uhr. Erleichtert darüber, dass das Chaos in meiner Wohnung abnimmt, mache ich mich auf den Weg zu der kleinen Pizzeria hier um die Ecke. Zum kochen habe ich heute keine Lust mehr.

Gerade will ich die Pizzeria betreten, als ich Paddy und sein Manager dort in der Ecke sitzen sehe. Das kann doch jetzt nicht wahr sein. Berlin ist so groß und ausgerechnet in der kleinen, unscheinbaren Pizzeria sitzt Paddy Kelly. Kurz überlege ich, ob ich trotzdem rein gehen soll, entscheide mich aber dagegen und drehe mich zum gehen um, als Paddy mich scheinbar gesehen hat und mir winkt?! Ich tue so, als ob ich das nicht gesehen habe und laufe schnell weiter.

Ein paar Meter weiter ist ebenfalls ein italienisches Restaurant, in welchem ich nun essen werde.

Wieder versinke ich in Gedanken. Wie kann das sein, dass ich zweimal an einem Tag mein Idol treffe? Jahrelang war das mein größter Wunsch und jetzt? Beim ersten zusammentreffen beschränkte sich alles auf das berufliche und beim zweiten Mal laufe ich davon. Warum? Was kann denn schon passieren? Wie ein Geistesblitz durchfährt mich der Gedanke, dass ich ja seine Scheidung bearbeite. Na, das kann ja heiter werden.

Satt und glücklich verlasse ich das Restaurant und mache mich auf den Weg zurück nach Hause. Ich gehe extra einen Umweg, um zu vermeiden, an der kleinen Pizzeria vorbei laufen zu müssen.

Nachdem die letzten Sonnenstrahlen für heute verschwunden sind, bin ich wieder in meiner Wohnung und räume noch ein bisschen auf und um, bevor ich nach einer entspannten Dusche müde ins Bett falle und schnell einschlafe.

Here to stayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt