Nach dem Telefonat am Montag und der kurzen Gute-Nacht-Nachricht habe ich nichts weiter von Paddy gehört. Noch nicht einmal auf meine Nachricht, mit welcher ich ihm den Termin bei meinem Chef geschickt habe, kam eine Antwort.
Heute ist bereits Mittwoch und meine Laune auf dem absoluten Tiefpunkt angekommen. Gott sei Dank habe ich auch diesen Arbeitstag überstanden, sodass ich mich zu Hause einfach nur verkriechen kann.
Dort angekommen, sitze ich wie jeden Tag mit einem Glas Wasser auf dem Balkon. Es ist bereits Anfang September und so langsam macht sich der Herbst bemerkbar.
Hier auf meinem Balkon mit der atemberaubend schönen Aussicht über Berlin versinke ich in Gedanken. Natürlich, wie sollte es anders sein, drehen sich meine Gedanken nur um Paddy. Dass ich Gefühle für ihn entwickelt habe, ist mir inzwischen bewusst. Doch geht es ihm genauso? Wenn ich seine Nachrichten, Andeutungen und Bemühungen richtig deute, dann scheint das bei ihm ebenfalls so zu sein. Dann verstehe ich aber sein Verhalten nicht. In der einen Minute so fürsorglich und liebevoll. Im nächsten Moment dann so herrisch und dominant und dann wieder kühl und distanziert. Das sind für mich keine guten Grundlagen für eine Beziehung. Klar hat er viel zu tun und wenn er im Studio ist oder bei Terminen, hat er keine Zeit, mir ständig zu schreiben oder zu telefonieren. Aber die Termine sind auch irgendwann vorbei. Dann soll er im Vorfeld nicht sagen, dass er sich meldet, wenn er es einfach nicht schafft. Das würde ich ja verstehen. Andererseits kann er auch nicht von mir erwarten, dass ich 24/7 mein Handy in der Hand halte und warte, bis Mr. Superstar mal 5 Minuten Zeit opfern kann. Das funktioniert so nicht.
Egal, wie ich es drehe und wende, das Ergebnis ist immer gleich. Paddy und ich passen nicht zueinander. Unsere Leben sind komplett verschieden. Diese Einsicht schmerzt, sehr sogar.
Falls er morgen hier wirklich auftauchen sollte, werde ich ihm genau das sagen. Lieber jetzt einen glatten Schlussstrich ziehen, als später, wenn es nur noch komplizierter und schmerzhafter wird.
Ich fühle mich jetzt schon mies, wenn ich nur daran denke, ihm das zu sagen. Wie wird er reagieren?
Bevor ich ganz tief in das vor mir liegende schwarze Loch falle, stehe ich seufzend auf und suche in der Küche nach etwas Essbarem. Ich war die Tage so fertig, dass ich nichts auf die Reihe bekommen habe. Ich war nicht einkaufen, meine Dreckwäsche stapelt sich und der Staubsauger und die Putzlappen könnten auch mal wieder benutzt werden.
Beim Blick durch die Wohnung und in die Küchenschränke ärgere ich mich über mich selbst. Schon wieder hat es ein Mann geschafft, mich so dermaßen aus dem Konzept zu bringen, dass ich alles andere aus den Augen verliere. Also setzte mich daran, eine Einkaufsliste zu erstellen und bin kurze Zeit später schon im Supermarkt.
Der Einkauf war mehr als gedacht. Als alles verstaut und weggeräumt ist, bin ich wieder wütend auf mich selbst, wenn ich meine Wohnung betrachte.
Also starte ich Alexa und sofort spielt sie seine Musik. Das ist zuviel des Guten, also ändere ich die Musik auf Frei.Wild und beginne zu putzen. Völlig in meinem Element vergesse ich Raum und Zeit und erschrecke, als es an der Tür klingelt. Kurz schaue ich auf die Uhr. 21:39 Uhr. Vielleicht die Nachbarn, dass ich etwas leiser sein soll.
Es klingelt bereits zum zweiten Mal, als ich meine Hände abwische und zur Tür gehe. Schwungvoll öffne ich sie und erstarre. "Hey sorry für die späte Störung" grinst Paddy mir mit seinem charmantestem Lächeln entgegen. Immer noch völlig perplex gehe ich einen Schritt zur Seite und lasse ihn eintreten.
Dieser Mann hat echt Talent, mich in den ungünstigsten Momenten zu besuchen. Belustigt schaut er sich in der Wohnung um, dann schaut er mich an. Ich möchte gar nicht wissen, wie ich aussehe. "Interessante Musikwahl und sehr sexy Outfit". Sein Ernst, macht er sich gerade über mich lustig?! "Ich konnte ja nicht ahnen, dass der Herr Superstar sich heute noch hierher verirrt". Irritiert sieht Paddy mich nun an. Okay das wollte ich eigentlich nicht laut aussprechen. "Sorry, war nicht so gemeint. Bin heute schlecht gelaunt und war gerade am putzen, damit ich mich abregen kann" sage ich noch hinterher. Im gleichen Atemmusik stelle ich die Musik ab. "Wenn es dir gerade nicht passt, dann gehe ich wieder". "Nein quatsch, jetzt bist du hier. Setz dich. Möchtest du was trinken"? Anstatt sich zu setzen oder mir zu antworten, kommt er auf mich zu und schon finde ich mich in seinen Armen wieder. Wie gut sich das anfühlt. Er strahlt so eine Wärme und Geborgenheit aus. Einige Sekunden bleiben wir so stehen, bis ich mich auf meinen Entschluss besinne und mich von ihm löse. Sofort umhüllt mich eine Kälte. Das macht es mir nicht leichter, meinen Entschluss auch umzusetzen.
Ich gehe vor uns setze mich auf die Couch. Er tut es mir gleich. Hält jedoch etwas Abstand, als würde er ahnen, was in meinen Gedanken abgeht. "Merle, was ist los? Du bist heute so kühl und distanziert.Warum hast du schlechte Laune?" Okay mit seinen Fragen trifft er genau ins schwarze und legt mir einen guten Übergang vor. Kurz überlege ich. Wahrheit oder Lüge? Warum fällt es mir so schwer, ihm meinen Entschluss mitzuteilen. "Ich also... naja." Sein fragenden Blick trifft mich wie ein Blitz. "Es hat mit mir zu tun". Es ist mehr eine Aussage als eine Frage. Wieder schweige ich und senke meinen Blick. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass er versucht, ruhig zu bleiben, innerlich wird es anders aussehen.
Ich stehe auf und stelle mich vor das Fenster, mit dem Rücken zu ihm.
"Es ist so, ich habe viel nachgedacht in den letzten Tagen. Über mich, über dich, über uns. Wie du weißt, bin ich nach Berlin gekommen, um neu anzufangen und mich von meiner Vergangenheit zu lösen. Ich wollte frei sein. Freiheit spüren, die ich die letzten Jahre nicht hatte. Ich wollte nur für mich selbst da sein. Dann bin ich dir begegnet. In meinem alten Leben ein absoluter Traum. Bin ich doch ein Fan von dir. Irgendwie hat sich da irgendwas zwischen uns entwickelt. Das überfordert mich. Ich wollte und will keine neue Beziehung oder irgendeine Art zwischenmenschliche Beziehung mit einem Mann. Doch dann kamst du und hast dich einfach so mühelos in mein Leben und vor allem in mein Herz geschlichen. Dass ich Gefühle für dich habe, kann ich nicht mehr leugnen. Allerdings weiß ich nicht, ob es dir ähnlich geht. Und doch bin ich einfach noch nicht bereit für eine neue Liebe, Beziehung oder was auch immer. Und dann die Umstände. Ich passe nicht zu dir. Du bist ständig unterwegs, das ist dein Job und ich bin von Montag bis Freitag im Büro, das ist mein Job. Ich war, nein ich bin wütend und enttäuscht auf dich/ von dir. Du sagst, du meldest dich. Soweit so gut. Aber es kommt nichts. Ich verstehe die Umstände deines Berufes und dass du eben keine Arbeitszeit von 7-16 Uhr hast. Aber eine kurze Nachricht zwischendurch, wenn du es schon ankündigst wäre wohl machbar. Deine herrische Art am Montag hat mich erschreckt. Was erwartest du? Ich sitze hier und warte 24/7, bis du dich meldet? Sorry, das funktioniert nicht und dann tauchst du einfach hier auf und erwartest, dass alles Friede Freude Eierkuchen ist. Wohlbemerkt, unangekündigt. Du hattest gesagt, du bist Donnerstag hier. Kurz gesagt, ich kann damit nicht umgehen. Wie soll ich dir vertrauen, wenn du deine eigenen Aussagen nicht einhälst? Wie soll ich meinen Alltag gestalten und mein Leben leben, wenn du scheinbar erwartest, dass ich rund um die Uhr für dich erreichbar bin. Wie soll ich planen, wenn du einfach spontan hier her kommst? Was wäre gewesen, wenn ich nicht zu Hause gewesen wäre? Und das größte Problem ist, ich bin ein Fan von dir. Das weißt du. Du hast nie gesagt, wie das für dich ist. Was würden dein Management, deine Band, vor allem deine Familie sagen? Ich bin einfach nur eine kleine, unbedeutende Person mit Problemen, die ich momentan nicht überwinden kann. Das passt nicht zu dir. Es tut mir leid aber ich denke, es ist besser, wenn wir hier einen Cut machen. Noch können wir einigermaßen unbeschadet aus der Sache rausgehen". Während ich den letzten Satz sage, laufen mir Tränen die Wangen herunter. Ich war ehrlich, schonungslos ehrlich und es tut weh, mehr als ich mir vorstellen konnte.
Es herrscht Stille. Ich drehe mich um, um zu schauen, ob Paddy überhaupt noch da ist. Was ich sehe, bricht mir mein Herz. Er sitzt auf dem Sofa und starrt mich an. Auch ihm laufen Tränen über's Gesicht.
"Merle... ich... das... du... du willst aufgeben, ohne meine Sicht der Dinge zu hören? Ohne, dass du weißt, wie ich fühle oder denke? Und vor allem, ohne es überhaupt versucht zu haben. Wer sagt dir, dass das Ganze zum Scheitern verurteilt ist? Wer sagt dir, dass man nicht für alles eine Lösung finden kann? Aber damit das Ganze überhaupt funktionieren kann, muss man miteinander reden, um zu wissen, was der andere fühlt oder denkt. Du hast für dich eine Entscheidung getroffen, ohne die andere Hälfte zu wissen. Deine Entscheidung betrifft mich auch. Ich würde deine Entscheidung akzeptieren, wenn du meine Sicht bereits kennen würdest aber das tust du nicht. Und du begründest deine Entscheidung mit fadenscheinigen Ausreden. Wann sind die Umstände passend? Wer sagt, dass du nicht zu mir passt?" Je länger Paddy redet, desto wütender und verletzter klingt er. Ich kann seinen Anblick nicht ertragen und schaue auf den Boden.
Wieder ist es Paddy, der auf mich zukommt und mit seinem Finger mein Gesicht anhebt, sodass ich ihn ansehen muss. "Merle sieh mir in die Augen und sag mir, dass deine Entscheidung endgültig ist." Warum macht er es denn jetzt noch so schwer? Es war doch vorher schon schwer. Ich schließe meine Augen und drehe mein Gesicht weg.
"Es tut mir leid Paddy" flüstere ich. Zu mehr bin ich nicht in der Lage.
Sekunden später höre die Wohnungstür laut zuknallen. Dann gibt es kein Halten mehr. Ich sacke weinend zusammen. Mit Paddy ist auch mein Herz verschwunden und ich bin selber Schuld.
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Here to stay
أدب الهواةMerle hat eine schwierige Zeit hinter sich und fängt in Berlin ein neues Leben an, fernab von ihrer Heimat, Familie und Freunden. Bereits in den ersten Tagen stellt eine Begegnung mit einem Mann ihr neues Leben auf den Kopf. Begleitet Merle in ihrem...