Nach dem Gespräch mit Katja hatte ich ein noch schlechteres Gewissen als vorher schon. Warum hat Paddy das getan? War er das überhaupt? Antworten würde ich erst morgen früh erfahren, hoffe ich zumindest.
Die Zeit bis zum Feierabend verging zu meinem Glück relativ schnell, konzentrieren konnte ich mich eh nicht mehr. Meine Gedanken drehten sich nur um Paddy.
Auch nach Feierabend konnte ich an nichts anderes denken. Der Blumenstrauß auf meinem Wohnzimmertisch stach mir ins Auge und jetzt erst auch die Karte, die darin steckt. Zögernd öffnete ich den Umschlag und zog die Karte raus. "Merle, es tut mir leid, wie ich mich verhalten habe. Bitte lass uns noch einmal reden. Bitte melde dich bei mir. Patrick" stand in ordentlicher Handschrift darin.
Hatte Katja Recht und ich reagiere über? Sollte ich mich bei ihm melden?
Gedanken über Gedanken doch keine Lösung.Ich versuchte mich mit Hausarbeit abzulenken, doch damit war ich relativ schnell durch und meine Gedanken wurden immer lauter.
Aus meinem Geldbeutel hole ich den Zettel mit Paddy's Handynummer raus und speichere die Nummer in mein Handy. Ich öffne bei WhatsApp seinen Kontakt. Zuletzt online, Sonntag 12:34 Uhr. Über 24 Stunden, das ist für Paddy ungewöhnlich, wie er mir erzählt hatte, ist er 24/7 zu erreichen. Sofort fallen mir die Notizen auf der Arbeit ein. Oh Paddy, was hast du angestellt. Ich schließe das Chatfenster und lege mein Handy wieder weg. Wenn Paddy tatsächlich in Gewahrsam sitzt, hat er auch sein Handy nicht bei sich.
Nachdem ich mir Essen gekocht habe und ein ausgiebiges Bad genommen habe, sitze ich auf dem Sofa und versuche mich auf den Film zu konzentrieren. Nach nicht einmal der Hälfte des Filmes gebe ich frustriert auf und gehe schlafen. Doch auch hier finde ich keine Ruhe. Schließlich höre ich bei Spotify meine Paddy-Playlist, wobei ich endlich einschlafe.
Am nächsten Morgen bin ich lange vor dem Weckerklingeln wach. Heute kann ich es kaum erwarten, ins Büro zu kommen. Zu groß ist meine Neugier und die Sorge um Paddy.
Viel zu früh sitze ich bereits um kurz nach 7 an meinem Schreibtisch. Und dort liegen wieder Unterlagen. Hastig überfliege ich diese. Ziemlich erleichtert bin ich, als ich lese, dass Paddy nicht mehr im Gewahrsam ist.
Als ich mit einem Kaffee aus der Küche komme, fällt mir erst der Blumenstrauß auf, der in meinem Büro steht. Wieder steckt eine Karte darin. "Merle, es tut mir alles so Leid. Ich warte auf dich... Grüße MPK" lese ich diesesmal. Ich kann nicht verhindern, dass ein Lächeln meine Lippen umspielt.
Im Laufe des Vormittages erhalte ich eine E-Mail ohne Betreff. Auch der Absender sagt mir nichts.
Zögernd öffne ich die Mail. Und schon beim ersten Satz schlägt mein Herz schneller.
'Liebe Merle,
auch auf die Gefahr hin, dass ich dich nerve, muss ich dir einfach diese Zeilen schreiben.
Ich kann es nicht oft genug sagen, wie Leid mir mein Verhalten von Samstag tut. Dabei war es für dich sicherlich nicht leicht, mir, einem Fremden, diesen Teil deiner Vergangenheit zu erzählen. Das ist etwas so privates und ich bin dir unendlich dankbar, dass du mir dieses Vertrauen entgegengebracht hast, welches ich mit Füßen getreten habe. Ich kann verstehen, wenn du jetzt nichts mehr mit mir zu tun haben möchtest.
Deine Worte schwirren mir seither ununterbrochen in meinem Kopf. Sie lassen mich nicht mehr los. Und am meisten berührt mich, dass ausgerechnet meine Musik dir geholfen hat und auch heute noch hilft und dir Zuversicht und Hoffnung schenkt. Ich fühle mich geehrt, dass du meinen Song unter deiner Haut trägst. Das ist für mich etwas besonderes.
Du bist besonders, dein Charakter, deine Stärke, das bewundere ich an dir. Dich zu treffen, war pures Glück, umso mehr verachte ich mich, dass ich all das zerstört habe, bevor ich dich richtig kennenlernen durfte.
Merle, ich tue alles, wirklich alles, was du möchtest, wenn ich doch nur die Chance bekommen würde, mich persönlich bei dir zu entschuldigen.
Bitte melde dich bei mir,
Patrick'Immer und immer wieder lese ich die E-Mail. Scheinbar tut es ihm wirklich leid, sollte ich mich bei ihm melden?
Ich erschrecke, als Katja an meiner Tür klopft. "Wollen wir in der Pause in den Park gehen?" Etwas verwirrt blicke ich zur Uhr und stelle fest, dass gleich tatsächlich schon wieder Mittagspause ist. "Ja sehr gerne, ich hole dich gleich ab".
Kurze Zeit später sitzen wir beide im Park auf einer Bank in der Sonne. Ich erzähle Katja, dass Paddy nicht mehr in Gewahrsam ist und dass er mir diesesmal Blumen ins Büro geschickt hat und von seiner E-Mail.
"Ach Maus, was brauchst du noch. Es tut ihm leid und er mag dich offensichtlich. Rede doch einfach mal mit ihm. Danach kannst du weitersehen. Dass sich eure Wege hier kreuzen, kann doch kein Zufall sein". "Weißt du, es ist ja nicht nur, dass ich ein Fan von ihm bin. Ich bin hier her gekommen, weil ich einen Neuanfang haben wollte. Ich habe verdammt harte Jahre hinter mir und ich habe mir geschworen, mich nie wieder zu verlieben. Nie wieder soll mir ein Mann so wehtun, wie es Tobi getan hat. Und schon nach 2 Tagen kommt ausgerechnet Paddy Kelly in mein Leben gestolpert und bringt mich völlig durcheinander. Ich mag ihn, also nicht nur als den Künstler Michael Patrick Kelly, sondern auch den privaten Paddy. Meine Gedanken drehen sich nur noch um ihn und die Schmetterlinge tanzen Samba in meinem Bauch. Aber ich habe Angst, mich auf ihn einzulassen. Angst, wieder verletzt zu werden." Ohne noch etwas zu sagen, nimmt Katja mich einfach in den Arm. Eine Weile sitzen wir dann schweigend nebeneinander und genießen noch die Sonne, bevor wir uns wieder auf den Weg ins Büro machen.
Der Nachmittag war Gott sei Dank vollgestopft mit Arbeit, sodass ich erstmal nicht weiter an und über Paddy nachdenken konnte.
Gleich nach der Arbeit mache ich mich auf den Weg zum Sport.
Völlig ausgepowert und frisch geduscht sitze ich am Abend auf dem Balkon. Wieder kommt mir Paddy's E-Mail in den Sinn. Bislang habe ich auch darauf nicht geantwortet.
Ohne groß darüber nachzudenken, hole ich mein Handy und öffne Paddy's Kontakt. Meine Finger gleiten wie von selbst über das Display und schreiben eine Nachricht an Paddy.
An: Paddy, 20:38 Uhr
'Hey Paddy, ich bin's Merle. Ich sitze gerade auf dem Balkon und bin in Gedanken versunken. In Gedanken an dich. Ich weiß nicht, was richtig ist und was nicht. Ein Teil in mir sagt, ich soll dir zuhören und dich besser kennenlernen. Der andere Teil in mir schreit dagegen und wehrt sich. Ich kann gerade keine Entscheidung treffen. Es tut mir leid.
Ach und bevor ich es vergesse, vielen Dank für die Blumen. Sie sind wunderschön.
Merle'An: Merle, 20:40 Uhr
'Hey Merle, schön, dass du dich meldest. Ich kann dich verstehen und möchte dich auch nicht unter Druck setzen. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, eine Chance zu bekommen, mit dir zu reden. Bis dahin warte ich auf deine Nachricht.
Liebe Grüße PatrickÜberrascht von seiner schnellen Antwort überlege ich, was ich jetzt tun soll. Meine Nachricht an ihn war so nichtssagend. Daraus wird keiner schlauer. Es kann doch nicht so schwer sein zu wissen, ob ich mit ihm reden will oder nicht. Warum bin ich nur so kompliziert? Mit meiner Art mache ich alles nur noch komplizierter als es eh schon ist.
Immer und immer wieder frage ich mich, was ich jetzt machen soll.

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Here to stay
Hayran KurguMerle hat eine schwierige Zeit hinter sich und fängt in Berlin ein neues Leben an, fernab von ihrer Heimat, Familie und Freunden. Bereits in den ersten Tagen stellt eine Begegnung mit einem Mann ihr neues Leben auf den Kopf. Begleitet Merle in ihrem...