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Freitag Mittag. Ich verlasse gerade mit meiner Kollegin Katja das Bürogebäude in Richtung Wochenende.

Kaum zu glauben aber meine erste Woche in Berlin, in meinem neuen Leben ist vergangen und ich könnte nicht glücklicher sein.

Auf der Arbeit klappt alles, mein Chef und ich verstehen uns super. Ich kann selbständig soweit es möglich ist arbeiten und mit meinen Kollegen verstehe ich mich auch super. Besonders mit Katja.

Auch meine Wohnung habe ich endlich fertig eingerichtet.

"Erde an Marla?!" riss mich Katja's Stimme aus meinen Gedanken. "Entschuldige, ich war in Gedanken, was hast du gefragt?" "Ich habe dich gefragt, ob wir heute Abend schön essen gehen wollen und danach was trinken und einfach einen schönen Abend verbringen wollen?" wiederholte Katja ihre Frage. Kurz zögerte ich, doch dann sagte ich zu. Warum auch nicht.

Zu Hause angekommen, saß ich wie jeden Tag nach der Arbeit mit einem Glas Wasser auf dem Balkon und war in Gedanken versunken. Es verging kein Tag, an dem ich nicht an mein altes Leben denken musste. An das, was ich verloren und aufgegeben habe. Aber seit 2/3 Tagen schlich sich auch immer wieder Paddy Kelly in meine Gedanken. Genauer gesagt, sein Lächeln, als er mich das erste Mal gesehen hat. Wie immer, wenn mir diese Gedanken kamen, schüttelte ich meinen Kopf und konzentrierte mich auf das Hier und Jetzt.

Da Katja mich um 18 Uhr abholen wollte, blieben mir noch 4 Stunden, um mich ein wenig auszuruhen und mich fertig zu machen. Dabei fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich hatte überhaupt nichts passendes zum Anziehen und wie sollte ich mich schminken und was mache ich mit meinen Haaren?

Panisch durchsuchte ich mein Ankleidezimmer. Doch nichts gefiel mir. Verzweifelt rief ich Katja an und schilderte ihr mein Problem. Keine 30 Minuten später stand sie mit einer vollgepackten Tasche vor meiner Tür.

Wir läuteten den Abend mit einer Flasche Sekt ein, bevor wir für mich doch noch ein Outfit fanden. In den Tiefen meines Kleiderschrankes fand Katja ein schlichtes schwarzes Top, was bis knapp über den Knien ging, darüber ein feines ebenfalls schwarzes durchsichtiges Shirt mit Fledermausärmeln. Dazu einfach nur eine Strumpfhose und Sneaker. Ich fand das Outfit zu gewagt, erinnere ich mich doch zu gut an die Worte meines Exfreundes, als ich das zum ersten und letzten Mal trug.

Wieder holte Katja mich aus meinen Gedanken und wir machten uns auf ins Bad, um uns zu schminken und zu stylen. Katja war der Meinung, dass ich meine haselnussförmigen, dunkelbraunen Augen unbedingt betonen muss. Gesagt getan. So schnell konnte ich gar nicht gucken, wie sie mir mein Make Up inklusive smokey eyes gezaubert hatte. Zum Schluss noch die Haare. Bevor ich nach Berlin zog, war ich in meiner Heimat noch beim Friseur und ließ mir meine langen dunkelbraunen Haare zu einem schulterlangen Longbob schneiden und dazu noch ein helles Balayage machen. Eben diese Haare wurden nun von Katja lediglich geglättet und in Form gestylt. Mehr nicht.  Parfum aufsprühen, eine Statementkette und fertig war ich.

Während ich mich sprachlos im Spiegel betrachtet habe, hat Katja sich ebenfalls fertig gemacht. "Jetzt guck nicht so skeptisch. Du siehst so mega sexy aus aber nicht billig. Und jetzt komm." befahl Katja. Widerworte zwecklos.

Die ersten Minuten war es mir unangenehm, so draußen rumlaufen, doch Katja zog mich einfach mit und kurze Zeit später saßen wir in einem italienischen Restaurant.

Nachdem wir unser Essen bestellt haben, haben wir uns unterhalten und immer wieder kam das Thema Paddy Kelly auf. Natürlich hat Katja mitbekommen, wie er mich angelächelt hat und als ich den nächsten Tag von der Restaurantgeschichte erzählt habe, ist sie zuerst in schallendes Gelächter ausgebrochen und hat mich dann zur Schnecke gemacht, warum ich abgehauen bin. Nunja, sie wusste ja nichts von meiner Vergangenheit. Sie war der Meinung, ich solle das mit Paddy auf mich zu kommen lassen. Problem war nur, ich sah da nichts. Er war ein Mandant wie alle anderen auch. So sah ich es zumindest.

Während dem Essen quatschen wir nur ein bisschen über die Arbeit und was man in Berlin alles machen kann. Relativ schnell, nachdem wir aufgegessen haben, haben wir bezahlt und haben uns auf den Weg in eine Bar gemacht.
Relativ weit hinten fanden wir einen Tisch und bestellten den ersten Cocktail. Das würde ein feuchtfröhlicher Abend werden.

Nachdem ich 3. Cocktail kannte ich Katja's ganze Lebensgeschichte. Nun war es wohl an der Zeit, meine Preiszugeben. Obwohl Katja mich nicht dazu drängte, wusste ich, dass sie doch neugierig war.

So begann ich zu erzählen, dass meine Eltern, als ich gerade mal 14 Jahre alt war, bei einem Unfall ums Leben gekommen sind, ich fortan bei meinen Großeltern väterlicherseits aufgewachsen bin. Mein Opa, der mir alles bedeutete, nur 2 Jahre später starb und ich mit meiner Oma nunmehr alleine war. Zur Familie meiner Mutter hatte ich wenig Kontakt. Mit meiner Oma war es schwierig. Zu der Zeit gaben mir meine Freunde Halt. Insbesondere meine beste Freundin, die ich schon seit der ersten Sekunde meines Lebens kannte und wir quasi zusammen aufgewachsen sind, gab mir Halt. Und später dann auch Tobi, mein Exfreund, mit dem ich zusammen war, seit ich 16 war.
Ich beendete meinen Monolog damit, dass sich einige Dinge geändert haben und ich mich nach über 10 Jahren von Tobi getrennt habe, weil es einfach nicht mehr passen würde. Dass Tobi mich quasi mit seinen Worten und Taten kaputt gemacht hat, verschwieg ich an dieser Stelle. Das würde nur den Abend ruinieren. Gott sei Dank gab sich Katja damit zufrieden und hat nicht weiter nachgefragt.

Die Bar hatte sich mittlerweile stark gefüllt und kaum jemand war nüchtern. Dementsprechend ausgelassen war auch die Stimmung. Katja war irgendwann der Meinung, wir sollten uns unter die feiernden Menschen mischen und Spaß haben. So zog sie mich mit. Begeistert war ich davon allerdings nicht. Es dauerte auch nicht lange, als uns 2 Männer ansprachen und zur Theke führten, wo wir den ein oder anderen Shot tranken. Einer der Männer, Marius hat scheinbar gefallen an mir gefunden und wollte mich auf die Tanzfläche führen, doch ich lehnte vehement ab. Ich weiß nicht warum, aber ich fühlte mich so beobachtet. Irgendwann gab Marius auf aber ließ es sich nicht nehmen, seinen Arm um meine Taille zu legen.

Immernoch mit Marius Arm um meiner Taille hielt ich Ausschau nach Katja und blickte mich in der Bar um. Dabei trafen mich nur allzu bekannte blaue Augen. Sein Blick schien mich zu durchbohren. Und auch meine Begleitung schien er wahrgenommen zu haben. Daher also das Gefühl, beobachtet zu werden.

Ich fand Katja auf der Tanzfläche und zog sie mit zu den Toiletten. Leider musste ich dabei an ihm vorbei.

Bei den Toiletten angekommen, vergewisserte ich mich, dass wir alleine waren und erzählte Katja, dass Paddy auch hier war und mich beobachtet. Nicht sicher, ob Katja meine Aussage verstanden hat, grinste diese mich nur an und sagte dann, dass das mein Zeichen wäre und ich mir Paddy Kelly schnappen solle.

Katja und ich verließen die Toiletten wieder Richtung Theke. Leider wieder vorbei an Paddy und seinen Freunden. Wieder konnte ich seinen Blick auf mir spüren. Katja stieß mir in die Seite, doch ich schüttelte nur mit dem Kopf. Ich wollte schnell an der Gruppe vorbei, doch Katja hatte was anderes vor. Sie ging geradewegs auf Paddy zu quatschte ihn an. Obwohl ich nur einen Schritt hinter ihr war, konnte ich nicht verstehen, was sie ihm gesagt hat. Am liebsten wäre ich im Erdboden versunken, als Katja sich zu mir umgedreht hat und Paddy einen Schritt auf mich zu kam. Lächelnd stand er vor mir und hielt mir seine Hand hin "Hallo Merle, schön dich zu sehen, wollt ihr euch zu uns gesellen und was trinken?" fragte Paddy mich, doch ich konnte nicht antworten. Das war doch jetzt nicht wahr. In einer unscheinbaren Bar begegne ich ausgerechnet wieder Paddy Kelly. Da ich immernoch nicht in der Lage war, zu sprechen, hat Katja geantwortet und Paddy mitgeteilt, was wir trinken wollen. Dieser war gerade an der Theke, um die Bestellung aufzugeben, als Katja mir zu verstehen gegeben hat, dass ich mich entspannen soll und meinen Spaß haben sollte.

Sie war lustig, wusste sie doch nicht, was Tobi mir die letzten Jahre angetan hatte und dass Paddy Kelly mein Idol seit frühester Kindheit ist. Oh man, das wird ja noch ein aufregender Abend. Doch bevor ich weiter in meine Gedanken abtauchen kann, reicht Paddy mir einen Cocktail und schon stehe ich inmitten der Gruppe, die sich vorstellen. Hastig trinke ich an meinem Cocktail und hoffe, dass das hier nicht allzu peinlich endet...

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