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Die Tage bis zum Wochenende haben sich wie Kaugummi gezogen.

Wie erwartet, hatte ich am Donnerstag einen fetten Kater, das hat nicht unbedingt dazu beigetragen, dass sich meine Laune bessert.

Auf der Arbeit habe ich es irgendwie geschafft, meine Gedanken zum Schweigen zu bringen. Doch sobald ich das Bürogebäude verlassen habe, haben mich meine Gedanken dafür doppelt so laut angeschrien. Dabei gab es nur ein Thema in meinem Kopf, welches scheinbar in Dauerschleife abgespielt wird: Paddy Kelly.

Selbst beim Sport konnte ich an nichts anderes denken. Dabei gehe ich eigentlich zum Sport, um eben meinen Kopf frei zu kriegen. Das hat mir früher schon immer geholfen. Eine gute Krafttrainingseinheit. Doch jetzt ist mir dieses Glück vergönnt.

Endlich ist es Freitagmittag und das Wochenende steht vor der Tür. Katja wollte wieder ausgehen wie letztes Wochenende doch das habe ich abgelehnt.

Heute werde ich mich ein wenig um meinen Haushalt kümmern, einkaufen gehen und vielleicht noch 1/2 Dinge für meine Wohnung besorgen. Und dann freue ich mich auf einen Wellness/Beautyabend nur für mich allein. Dafür gehen Katja und ich morgen shoppen.

Zu Hause angekommen zelebriere ich mein Ritual, in dem ich mit einem Glas Wasser auf dem Balkon sitze und die Stille genieße.

"Ja ich komme ja schon" rufe ich durch meine Wohnung während ich hektisch zur Tür sprinte. Davor steht eine gut gelaunte Katja und grinst mich an. Wir sind heute zum shoppen verabredet. Allerdings bin ich heute morgen nicht wirklich in die Gänge gekommen und jetzt bin ich noch nicht ganz fertig. "Setz dich noch kurz, ich bin gleich fertig, muss nur noch meine Haare machen, dann können wir starten."

Eine halbe Stunde später sind Katja und ich schon in dem ersten Laden unterwegs. Auf dem Weg in die Stadt haben wir festgestellt, dass wir einen komplett unterschiedlichen Modegeschmack haben. Während ich eher casual, unauffällig und bequem bevorzuge, ist Katja das komplette Gegenteil. Das klingt nach einer sehr spaßigen Shoppingtour.

Einige Stunden später und mit vollbeladenen Armen und Händen setzen wir uns in ein Café, um eine Pause zu machen. Wir haben gerade unsere Bestellung aufgegeben, als ich plötzlich wieder das Gefühl habe, beobachtet zu werden. Unauffällig schaue ich mich in dem Café um, kann aber keine Person entdecken, die ich kenne.

"Merle, was ist los, du bist plötzlich so komisch" holt mich Katja aus meinen Gedanken. "Ach nichts, ich hatte nur so'n komisches Gefühl aber alles gut" gebe ich mit einem missglückten Lächeln zurück. Genau in diesem Moment kommt unsere Bestellung und das Thema ist hoffentlich vorbei. Wird ja immer peinlicher. Leide ich jetzt schon an Verfolgungswahn?

Während wir unseren Kaffee trinken, besprechen wir, in welche Läden wir noch gehen wollen. Gerade als ich den letzten Schluck von meinem Kaffee trinke, sehe ich diese verdammt hübschen blauen Augen. Also doch, mein Gefühl hat sich nicht getäuscht. Ganz lässig und mit einem Freund steuert Paddy unseren Tisch an. Nur mit größter Mühe konnte ich es verhindern, mich an dem Kaffee zu verschlucken.

"Oh hey Lady's, was für ein Zufall, euch hier zu treffen" ertönt seine samtweiche Stimme neben mir. Sofort breitet sich eine Gänsehaut auf meinem Körper aus. Das darf nicht wahr sein. Während ich unfähig bin, etwas zu sagen, hat Katja das Wort ergriffen und die beiden gebeten, sich zu uns zu setzen. Dafür kassiert sie von mir einen bösen Blick. Paddy und sein Kumpel Christian nehmen die Einladung natürlich an und setzen sich zu uns. Schmunzelnd betrachten sie unsere Tütenberge.

Paddy sitzt rechts neben mir und sofort kommt mir mein Tattoo am Handgelenk in den Sinn. Ausgerechnet jetzt habe ich keine langen Ärmel oder eine Jacke dabei, mit welcher ich das Tattoo bedecken könnte. Wie immer, wenn ich mich unwohl fühle, streiche ich mit meinen Fingern über das Tattoo. Das hätte ich in dem Moment lieber sein lassen sollen. Auffälliger geht's ja nicht mehr. Ich habe keine Ahnung, über welche Themen die 3 sich unterhalten oder wie lange ich schon gedankenverloren über mein Tattoo streicht, als mich eine Hand in meiner Bewegung festhält. Erschrocken schaue ich auf direkt in Paddy's blaue Augen. Er sieht mich fragend an, doch ich senke meinen Blick. Paddy's Hand liegt noch immer auf meiner und strahlt eine unglaubliche Wärme aus. Allerdings macht er keine Anstalten, seine Hand wegzunehmen. Noch immer habe ich meinen Blick gesenkt und keinen Ton von mir gegeben.

Katja tritt mich unterm Tisch gegen mein Schienbein, sodass ich nunmehr sie fragend ansehe. "Wollen wir weiter?" "Ähm ja klar, meinetwegen." Gott sei Dank das ist meine Rettung.
Eilig stehe ich auf und krame mein Portemonnai raus, um meine Bestellung zu bezahlen. Wieder tritt Katja mich und schüttelt mit dem Kopf. Fragend sehe ich sie an, als schon der Kellner kommt und Paddy die ganze Bestellung bezahlt. Nicht das auch noch denke ich augenverdrehend. Ich bedanke mich bei Paddy und stehe auf um meine Tüten aufzuheben. Doch auch diesesmal scheint irgendwer etwas dagegen zu haben. Wie selbstverständlich nimmt Paddy meine Tüten. Ein kurzer Blick nach links und ich sehe, dass Christian die Tüten von Katja trägt. Das kann ja nur eins bedeuten.

Die Männer gehen ein paar Schritte vor uns und Katja neben mir. "Merle, was ist los, du bist echt komisch". Seufzend sehe ich Katja an und deute mit meinem Kopf nach vorne zu Paddy. "Warum läuft er mir immer zufälligerweise über den Weg? Und warum um Himmels Willen begleiten sie uns jetzt?" Katja sieht mich schmunzelnd an und muss sich ein Lachen verkneifen. "Ich würde sagen, das Schicksal will nicht, dass du ihm aus dem Weg gehst und hast du eben nicht zugehört? Auch die beiden wollten ein bisschen shoppen, also warum dann nicht zu viert. Und heute Abend gehen wir noch zusammen essen" klärt Katja mich auf. Nein, nein, nein, auf gar keinen Fall. Das ist der absolute Albtraum. Ich schüttel nur meinen Kopf, sage aber nichts mehr. Die Lust auf shoppen ist mir jetzt auch vergangen.

Die Männer steuern gerade das nächste Geschäft an. In diesem Geschäft scheint es alles zu geben. Von Herrenbeleidung bis zur Damenmode alles. Zielstrebig steuern Paddy und Christian die Herrenabteilung an, während Katja in der Damenabteilung verschwunden ist. Ich lasse mich genervt in einen der Sessel am Gang fallen und versinke - mal wieder - in Gedanken. So bekomme ich auch nicht mit, wie sich Paddy neben mich in den Sessel setzt. "Alles in Ordnung bei dir Merle?" wieder diese Samtstimme, die mir eine Gänsehaut bereitet. "Ja alles gut". Mehr als diese drei Wörter bekomme ich nicht raus. Dennoch spüre ich, dass Paddy mich mit skeptischem Blick mustert. Am liebsten würde ich jetzt im Erdboden versinken. Die Situation ist mir so peinlich. Zum Glück sagt Paddy nichts mehr.

Nach einer Gefühlten Ewigkeit und noch mehr Tüten sitzen wir 4 nunmehr in einem griechischen Restaurant. Katja neben mir, mir gegenüber Paddy. Die drei unterhalten sich rege während ich still da sitze und versuche, dem Gespräch zu folgen, damit ich mich nicht wieder blamiere. Immer wieder spüre ich Paddy's kurze Blicke auf mir. Und mal wieder fühle ich mich unwohl und streiche über mein Tattoo am Handgelenk. Das ist echt eine blöde Angewohnheit. Und wie sollte es anders sein, spüre ich Paddy's Hand auf meiner.  Sanft schiebt er meine Hand zur Seite und fährt mit seinen Fingerspitzen über mein Tattoo. Seine Berührung löst ein Feuerwerk auf meiner Haut aus. Warum lasse ich das zu? Ich sehe, wie diesesmal Paddy gedankenversunken mein Tattoo anschaut und dabei immer wieder darüber streicht. Was passiert hier gerade? Eigentlich müsste ich sofort weglaufen aber ich kann es nicht. Die Berührungen fühlen sich einfach zu gut an.

Paddy und ich waren so in unserer kleinen Blase gefangen, dass wir regelrecht hochschrecken, als unser Essen vor uns gestellt wird. Gleichzeitig ernten wir fragende und überraschte Blicke von Katja und Christian.

Paddy hat sich sehr schnell wieder gefangen und unterhält sich mit den beiden, während ich noch versuche, das eben geschehene zu verarbeiten. Viel von den Gesprächen bekomme ich nicht mit.

Nach dem mehr als guten Essen bringt uns der Kellner einen Ouzo. Schmunzelnd blicke ich erst auf das Glas vor mir, dann zu Katja. "Also immer wenn ich mit dir unterwegs bin, trinke ich Alkohol und jedesmal ist es ausgeartet" sage ich lachend zu Katja. Auch diese muss nun lachen und die Männer gucken uns verwirrt an, bevor Katja erbarmen hat und sie aufklärt. Dann stoßen wir an und trinken den Ouzo. Kaum, dass das Glad geleert ist, stehen schon neue vor uns. Und ich habe die Befürchtung, dass es heute wieder ausarten wird.

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