Here to stay

38.

Viel zu schnell ging das Wochenende in London vorbei und meine Gedanken driften immer wieder dorthin ab.

Jetzt wird es wieder eine Weile dauern, bis ich Paddy wiedersehen kann.

Kurz vor dem Boarding gestern in London hat er mir unbemerkt einen Briefumschlag in meine Tasche gesteckt, den ich erst zu Hause beim Auspacken entdeckt habe. Neugierig habe ich den sofort aufgemacht und als ich gesehen habe, was darin war, wurde ich plötzlich wütend. Paddy hat mir ernsthaft eine Kreditkarte von sich zugeschoben. Den Brief, der ebenfalls dabei war, habe ich erst später gelesen.

'Little Sunshine,
Wenn du diesen Brief liest, wird dir die beigefügte Kreditkarte wahrscheinlich schon aufgefallen sein.

Bitte sei nicht sauer auf mich, ich weiß, dass du mein Geld und den ganzen Luxus nicht haben willst.

Dennoch fühlt es sich für mich falsch an, wenn du deine Reisen, um mich zu sehen, von deinem Geld zahlen musst. Dafür habe ich dir die Karte gegeben.

Natürlich kannst du alles damit bezahlen, was du willst, sie hat ein recht hohes Limit (was du wahrscheinlich eh niemals ausschöpfen wirst).

Also lass deinen Ärger beim Frustshoppen raus und lass die Karte glühen 🙂

Love, P'

Auf der Rückseite der Karte war ein Notizzettel mit der PIN angeheftet.

Ich starre die Karte einige Mal und lese doppelt so oft den Brief. Nach jedem Lesen bin ich kurz davor, Paddy anzurufen und ihm eine Ansage zu machen. Im letzten Moment entscheide ich mich jedesmal dagegen.

Irgendwann mache ich ein Foto von der Karte und dem Brief und schicke es Paddy mit den Worten, dass ich sehr wohl sauer bin und sein Geld nicht brauche und nicht will. Er hat die Nachricht sofort gelesen aber eine Antwort blieb aus.

Ebenso am darauffolgenden Dienstag. Kein Lebenszeichen von Paddy.

Am Mittwoch habe ich genug von dem Mist und bin nunmehr mit Katja in der Stadt verabredet. Wir wollen unseren Shoppingday nachholen und eigentlich hatte ich vor, ein paar sündhaft teure Sachen mit der Kreditkarte zu kaufen. Doch dann fiel  mir meine Nachricht wieder ein, in der ich mitgeteilt hatte, sein Geld nicht zu wollen.

Während der Mittagspause überlegen Katja und ich uns, wie wir nachher starten und wo wir essen gehen wollen, da sie einen Tisch reservieren möchte. Ich habe mich zwar darüber gewundert, weil wir das noch nie gemacht haben aber nichts dazu gesagt.

Da mein Chef momentan wieder so viel zu tun hat, vergeht der Nachmittag wie im Flug und dann holt mich Katja schon ab.

Irgendwie wirkt sie ein bisschen nervös und angespannt. Auf meine Frage hin meinte sie nur, es sei alles in Ordnung.

Bislang habe ich Katja noch nichts von der Kreditkarte erzählt, obwohl ich die ganzen Tage schon ihre Meinung dazu wissen wollte.

"Du sag mal, kann ich dich mal um deine Meinung fragen?" -"Was für eine blöde Frage, natürlich kannst du! Worum geht es?" Ich zeige ihr kommentarlos meine Nachricht an Paddy mit dem Bild. Katja's Augen weiten sich, dann sieht sie mich an.

"Nicht dein Ernst?! Merle! Du kannst ihm doch nicht so eine Nachricht schicken! Weißt du, was das für ein Vertrauensbeweis von Paddy an dich ist?" Kurz bin ich sprachlos über ihre Antwort. Das war nicht die Meinung, die ich erwartet hatte. "Das ist nur Geld, materielles. Kann man wieder ersetzen und verdienen und das tut er ja momentan recht gut! Als ob ich auf sein Geld aus bin!" -"Merle, so meinte ich das nicht. Natürlich bist du nicht auf sein Geld aus, das weiß ich und vor allem weiß Paddy das und er vertraut dir in der Beziehung so sehr, dass er dir es ermöglicht, an sein Geld zu gehen, weil er zum Einen weiß, dass du es nicht verschwendest und zum Anderen möchte er einfach nicht, dass du seinetwegen die ganzen Reisekosten trägst. Und jetzt mal unter uns, wir schwimmen nicht gerade im Geld, um uns solche Wochenenden wie London ständig leisten zu können. Er meint es nur gut und will nicht, dass es dir seinetwegen finanziell schlecht gehen könnte."

Eigentlich hat Katja Recht aber ich kann trotzdem nicht über meinen Schatten springen und einfach nachgeben.

"Er hätte mit mir darüber reden können. Mir seine Gedanken dahinter erklären können und dann hätte ich ihm gesagt, dass ich das durchaus zu schätzen weiß, aber nicht auf sein Geld angewiesen bin." -" Ja und genau da liegt das Problem, du blockst es von vornherein ab, ohne ihn verstehen zu wollen oder einen Kompromiss zu finden. Er hat doch ganz klar gesagt, er möchte, dass die Reisen zu ihm damit bezahlt werden und wenn du willst, kannst du die Karte auch so nutzen. Er zwingt dich doch nicht. Das Wochenende in London hast du dir auch von ihm spendieren lassen. Das ist nichts anderes, nur dass du jetzt flexibler und spontaner bist. Mach doch nicht immer aus allem so ein Drama und nimm es einfach an, wenn man dir was Gutes tun will!"

Okay jetzt war ich endgültig am Tiefpunkt meiner Laune angekommen und die Lust auf Shoppen und Essen ist mir vergangen. Fieberhaft suche ich nach einer Audrede, um einfach nach Hause zu können, doch mir fällt keine ein.

Während Katja durch das erste Geschäft stöbert, stehe ich reglos in einer Ecke und schaue auf den Chat von Paddy und mir. Er hat auf meine Nachricht nicht geantwortet und auch sonst habe ich seit Sonntag nichts von ihm gehört.

Ich fange an, eine Nachricht zu schreiben, lösche sie, suche seinen Kontakt, um ihn anzurufen, entscheide mich dann doch wieder für eine Nachricht, die ich doch wieder lösche und das wiederholt sich einige Male.

"Du hast dich gar nicht umgeschaut, dabei ist das dein Lieblingsladen und du kaufst jedesmal hier was" erklingt Katja's Stimme hinter mir. Erschrocken zucke ich zusammen.

"Hat dir das Thema jetzt die Laune verdorben?" Zaghaft nicke ich. Katja verdreht nur die Augen. "Weißt du Merle, eine Beziehung ist nicht immer nur Sonnenschein und alles easy. Eine Beziehung ist Arbeit und funktioniert nur mit gegenseitigem Verständnis und Kompromissen, die man gemeinsam finden muss. Und nicht gleich wegen jedem kleinen Streit oder Meinungsverschiedenheit an dem Ganzen zu zweifeln. Und was ich dir jetzt sage, meine ich Ernst aber nicht böse. Du hast mit Paddy so einen tollen Mann an deiner Seite, der die Welt zu Füßen legt und dich auf Händen trägt. Er würde alles für dich machen. Gib ihm die Chance dazu oder beende das Ganze. Aber tue ihm nicht weh und spiel mit ihm, wie es dir gerade passt. Das hat er nicht verdient!"

Sprachlos und wütend starre ich Katja an. "Sag mal spinnst du! Wie kannst du mir sowas vorwerfen?! Ich dachte, wir wären Freunde und ich kann mit dir reden. Scheinbar nicht!" Damit ließ ich sie stehen und bin wutentbrannt aus dem Geschäft gestürmt.

Mein Weg führt mich auf direktem Weg zu mir nach Hause und als ich dort angekommen bin, konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten.

Unaufhaltsam hallen Katja's Worte in meinem Kopf, gemischt mit Bildern aus meiner Vergangenheit, die ich einfach nur vergessen wollte. Wieder zieht mich der Strudel tief in sein Loch und ich verliere jeglichen Halt und stürze unaufhaltsam.

An:Paddy
Mittwoch, 18:39 Uhr.
Es tut mir leid, ich kann das mit uns nicht...
Deine Karte schicke ich dir per Post zurück.
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