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Es fällt mir heute mal wieder schwer, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Meine Gedanken schweifen immer wieder ab zu heute Morgen.

Wie hat Paddy es geschafft, meine Mauern innerhalb so kurzer Zeit zu durchbrechen und einzureißen?

Ich bin überrascht von mir, dass ich einem Mann wieder so schnell so tief vertrauen kann. Diese Erkenntnis beängstigt mich nach wie vor, doch gleichzeitig macht sie mich auch absolut glücklich. Seitdem Paddy in mein Leben getreten ist, fühle ich mich das erste Mal seit einer Ewigkeit wieder lebendig. Ich habe in der kurzen Zeit so viel erlebt und gesehen und mich auf total verrückte Sachen eingelassen und das alles, weil ich Paddy einfach bedingungslos vertraue.

Allerdings könnte eben dieses Vertrauen mir auch zum Verhängnis werden. Was ist, wenn Paddy irgendwann merkt, dass ich einfach zu kompliziert bin oder nicht flexibel genug, um in seinem Leben eine Rolle spielen zu können. Wäre ich bereit, mein Leben aufzugeben und mich komplett an sein Leben anzupassen? Was würde das für mich bedeuten?

Durch das Klingeln des Telefons werde ich aus meinen Gedanken gerissen. Es gelingt mir halbwegs, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren und meine Gedanken aufzuhalten. Dafür ist jetzt keine Zeit. Dennoch spüre ich, dass ich ganz dringend darüber mit Paddy sprechen muss.

Die Zeit bis zur Mittagspause vergeht nur quälend langsam, umso größer die Freude, als es endlich so weit ist. Wie immer hole ich Katja ab und wir gehen raus in den Park.

"Du Katja, also hat Christian dir irgendetwas erzählt von Paddy und mir oder so?" Verwirrt schaut Katja mich an. "Hä? Wie was erzählt? Ich weiß nicht, woraus du hinaus willst?!" Kann ich Katja wirklich so direkt über Paddy ausfragen? "Naja hat Christian oder Paddy dir gegenüber mal von mir erzählt oder seinen Gefühlen zu mir? Also in etwa so, wie wir heute morgen gesprochen haben?" Jetzt ist Katja stehen geblieben und sieht mich verwirrt an. Kein gutes Zeichen. "Merle, echt jetzt? Du vertraust Paddy scheinbar ja doch nicht so viel. Und nein, Christian hat mir nichts erzählt und das ist auch gut so. Selbst wenn, würde ich dir das nicht erzählen. Ich würde ihn ja unser Gespräch von heute morgen auch nicht erzählen!" - "Tut mir leid, war eine blöde Frage. Du hast Recht."

Eine kurze Zeit gehen wir schweigend nebeneinander her, bis Katja das Schweigen bricht.

"Was ist los Merle?" Soll ich Katja von meinen Gedanken erzählen oder erst mit Paddy darüber sprechen?

"Ich vertraue Paddy. Aber ich mache mir über alles mögliche Gedanken. Das sind ganz banale Dinge oder Worst Case Szenarien. Zum Beispiel, dass er jetzt in 2 Tagen 2 mal zu mir geflogen ist, um Zeit mit mir zu verbringen. Wird er das immer machen? Wird das für ihn irgendwann zu stressig? Wie managen wir das zukünftig? Muss ich ihm immer hinterher reisen? Oder wo wird er wohnen? Zieht er nach Berlin oder bleibt er in Bayern? Was ist, wenn ich ihm irgendwann nur noch eine Last bin, weil ich mein Leben hier nicht aufgeben will, er aber auch nicht immer zu mir kommen kamm oder will? Ich seine Erwartungen nicht erfülle..." - "Wow okay stopp. Das sind eine Menge Gedanken. Eigentlich solltest du derzeit glücklich sein. Ich meine, du bist frisch verliebt und alles läuft super. Wenn du meine Meinung hören willst, solltest du mit Paddy reden. Ihm deine Gedanken mitteilen. Aber erwarte nicht, dass ihr einen fixen Plan ausarbeitet. Einige Sachen sollten grundlegend geklärt sein, aber nagel ihn darauf nicht fest. Versuch auch mal spontan zu sein, ohne alles zerdenken oder verplanen zu müssen. Lass es auf dich zukommen und schau, was passiert. Und ich glaube nicht, dass du Paddy zu langweilig wirst oder eine Last. Auch er weiß, worauf er sich eingelassen hat. Sprecht miteinander, dann wird vieles klarer sein." Eigenschaften wie spontan oder auf mich zukommen lassen, besitze ich nicht.

"Ich versuche wirklich, mich nicht verrückt zu machen aber ich schaffe es nicht. Wie habt ihr das gelöst?" -" naja, wenn es seine Arbeit zulässt, kommt Christian zu mir. Er braucht das dann als Abwechslung. Wenn es nicht möglich ist, schauen wir, ob ich zu ihm fahre und ihn dann auf Tour oder so begleite. Aber das machen wir spontan. Wir telefonieren fast jeden Abend, also Videocall. Dann reden wir oder planen die nächsten Tage und Besuche. Wir sind da spontan. Und das musst du bei Paddy noch mehr sein. Oftmals kommen am Abend noch Termine für den nächsten Tag kurzfristig rein, die die Planung dann durchkreuzen. Damit musst du umgehen können. Auch dass es Zeiten geben wird, in denen Paddy in seine Arbeit versinkt, aber das wirst du ja eh schon wissen."

Eines steht fest, diese Beziehung erfordert jede Menge Kommunikation und gegenseitiges Vertrauen und Verständnis. Und es wird fast unmöglich, einen geregelten Alltag zu finden. Was für mich bedeutet, mich aus meinen starren Fesseln zu befreien und mich auf Neues einzulassen. Irgendwie ein schöner Gedanke. War es doch genau das, was ich mir vorgenommen hatte.

Zurück im Büro schaue ich noch kurz auf mein Handy und sehe eine neue Nachricht von Paddy.

An: Merle, 13:57 Uhr

"Hey little Sunshine, ich hab die Zeit mit dir gestern Abend und heute morgen sehr genossen. 😘
Wollte dich nur fragen, ob es in Ordnung ist, wenn ich morgen Abend gegen 19 Uhr bei dir bin?
❤️ u"

Ein Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus. Oh Paddy, du weißt gar nicht, wie sehr ich das genossen habe und was das für mich bedeutet.

Dann erst begreife ich seine Frage. Er hat mir eine Zeit genannt, in der er ca. bei mir ist. Er hat sich also das, was ich gesagt habe, zu Herzen genommen und versucht, mir entgegen zu kommen. Ich möchte nicht wissen, ob das für ihn Stress bedeutet, wenn er sich da jetzt festlegt. Andererseits hat er es von sich aus angeboten und setzt das um, was ich von ihm wollte. Keine Spontanität.

An: Paddy, 14:02
"Hey Babe, nicht nur du hast es genossen 🙊
Passt super, ich freue mich auf dich.
❤️❤️"

Das Gespräch mit Katja eben hat mich zumindest für den Moment ein wenig beruhigt. So kann ich mich endlich auf meine Arbeit konzentrieren.

Im Laufe des Nachmittages habe ich mir überlegt, was ich morgen Abend koche und nebenbei einen Einkaufszettel geschrieben. Gleich nach der Arbeit will ich einkaufen und dann meine Wohnung ein wenig aufräumen und putzen.

Pünktlich fahre ich meinen Rechner runter, krame meine Sachen zusammen und hole Katja ab. Vor dem Büro verabschieden wir uns.

Auf dem Weg in den Supermarkt ruft Paddy mich an, um mit mir meinen Plan für morgen Abend und Freitag morgen zu besprechen. Es ist so niedlich wie Paddy als totaler Chaot versucht, mit meinem geregelten Ablauf klarzukommen. Er deutet auch an, mir morgen Abend endlich die Geschichte wegen dem Strafverfahren zu erzählen. So wie er drumherum druckst, scheint es ihm unangenehm zu sein. Neugierig bin ich dennoch. Bislang habe mir die Ermittlungsakte nicht angesehen.



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