Here to stay

19.

Die letzten zwei Wochen sind schneller vergangen als mir lieb war. Jetzt ist Freitag, in ein paar Minuten habe ich Wochenende und in weniger als 12 Stunden Geburtstag.

In den letzten zwei Wochen ist nicht viel passiert. Mit Paddy habe ich immer mal wieder geschrieben oder telefoniert. Einmal haben wir uns getroffen, allerdings gemeinsam mit Katja und Christian. Die beiden sind nun ein Paar und scheinen glücklich zu sein.

Letzte Woche war Paddy kurz bei mir, um sich zu verabschieden. Er hatte ein paar Promo-Termine und eine Fernsehaufzeichnung.

Obwohl ich niemandem gesagt habe, dass ich morgen Geburtstag habe, bin ich doch enttäuscht, dass sowohl Paddy als auch Katja nicht da sind. Aber was soll's. Ich wollte eh alleine sein. So bin ich es definitiv. Mir kam die Idee, vielleicht morgen zurück in meine alte Heimat zu fahren und die Gräber von meinem Opa und Leo zu besuchen. Ganz sicher bin ich mir nicht, ob ich zurück fahren soll. Ich habe einfach zu viel Angst davor, danach wieder in das tiefe Loch zu fallen, aus dem ich mich die letzten Jahre mühsam herausgekämpft habe. Ich werde das morgen spontan entscheiden.

Endlich springt die Uhr auf 13 Uhr um und damit wird das Wochenende eingeläutet. Wie immer verabschiede ich mich von meinem Chef und Kollegen, bevor ich Katja abhole und wir zusammen ein Stück gehen.

"Ich wünsche euch ein schönes Wochenende und kommt entspannt zurück". Eine kurze Umarmung folgt und unsere Wege trennen sich. Katja und Christian wollen ein Romantik-Wellnesswochenende machen und fahren demnächst los.

Als ich zu Hause ankomme, fühle ich mich plötzlich so einsam und verlassen. Als dann auch noch Paddy's Stimme gefühlvoll 'Blurry Eyes' zum Besten gibt, ist es vorbei und mir laufen unaufhörlich Tränen mein Gesicht herunter. Ich kann mich gar nicht mehr beruhigen. Ich lasse mich an der Wohnungstür runterutschen und schlinge die Arme um meine Knie und lege den Kopf darin ab. Ich lasse alles raus, was sich angestaut hat. Meine Gedanken schwirren umher. Um Paddy, um Leo, im meine Eltern. Und dann auch zu den dunkelsten Stunden. Als ich erfahren habe, dass meine Eltern verunglückt sind. Von dem Tod von meinem Opa und zurück in den Moment, als Leo starb. Sie fehlen mir alle so sehr.

Einige Zeit vergeht, als ich durch die Klingel meiner Tür aus meinen Gedanken gerissen werde. Wer auch immer das ist, wird merken, dass ich keine Lust auf Besucher habe. Wieder klingelt es. Und dann klopft es an meiner Tür.

"Frau Sommer, sind Sie da?" höre ich dann eine mir unbekannte Männerstimme. Ich reagiere immer noch nicht. "Frau Sommer, haben Sie die Nachricht nicht bekommen, dass ich Sie abholen soll?"

Langsam stehe ich auf und frage mich, wovon der Mann redet. Zögerlich checke ich meine WhatsApp Nachrichten und meine Mails. Aber keine Nachricht, dass ich abgeholt werde. Von wem und für was auch?

Ich öffne die Tür einen Spalt und vor mir steht ein Mann mittleren Alters, kräftig gebaut in dunkler Kleidung. "Ah Frau Sommer, Sie sind ja doch zu Hause. Ich bin hier, um Sie abzuholen. Sind Sie soweit?" Immernoch fragend schaue ich den Mann an. "Wer sind Sie und wozu sollen Sie mich abholen?" Jetzt schaut mich der Mann skeptisch an und kramt aus seiner Jackentasche einen Zettel und reicht ihn mir.

'Liebe Merle, it's a surprise. Du wirst am Freitag um 15 Uhr abgeholt. Pack eine Tasche fürs Wochenende. Du benötigst bequeme Sachen, etwas schickes, Partytaugliches und Badesachen.
See you soon'

Immernoch verwirrt schaue ich den Mann an, der nunmehr nervös vor mir steht. "Von wem kommt das?" Er sieht mich entschuldigend an. Okay er darf es mir scheinbar nicht sagen. Was läuft hier ab? Eine Entführung der modernen Art?

Doch ich vermute, dass Paddy dahinter steckt. Weiß er doch, dass ich Geburtstag habe? Unmöglich, wir haben darüber nicht geredet. Oder doch Katja?

Kurz überlege ich, was ich machen soll. Die ganze Situation ist schon komisch. Aber irgendetwas sagt mir, dass Paddy da irgendwie seine Finger mit im Spiel hat.