Schneller als mir lieb ist, sind wir am Krankenhaus angekommen. Mindestens genauso schnell wie Katja gefahren ist, schleift sie mich auf direktem Weg zur Intensivstation. Wahrscheinlich vermutet sie, dass ich sonst noch einen Rückzieher machen könnte. Und diese Vermutung wäre wahrscheinlich richtig.
Vor der Intensivstation stoppt Katja jedoch abrupt, sodass ich fast in sie rein gelaufen wäre. Dort steht Christian und diskutiert mit einem Arzt.
"Es tut mir wirklich leid, aber ich kann Sie nicht zu Ihrem Bekannten lassen. Sie sind kein naher Angehöriger. Herr Kelly ist immer noch nicht wieder bei Bewusstsein, sodass wir seine Zustimmung nicht einholen können".
Katja zieht mich ein paar Schritte zurück. "Pass auf, Paddy hat vorhin immer von dir gesprochen. Du gibst dich jetzt als seine Verlobte aus. Dann kannst du zu ihm". Während sie spricht, zieht sie sich einen annähernd nach Verlobungsring aussehenden Ring vom Finger und steckt ihn mir an die linke Hand. "Was? Katja, nein das geht nicht. Wenn er wach wird und sauer ist, mich zu sehen, kriegen wir alle mega Ärger". Ein strafender Blick von Katja genügt und ich füge mich meinem Schicksal. Wahrscheinlich ist es das Mindeste, was ich gerade machen kann. Bin ich doch Schuld an dem ganzen hier.
"Ah Schatz, da bist du ja. Und guck, ich habe Merle mitgebracht". spricht sie im Gehen zu Christian. Im selben Atemzug dreht sie sich zum Arzt. "Entschuldigen Sie bitte, ich habe meine Freundin und die Verlobte von Herrn Kelly abgeholt. Sie war zu Besuch bei ihren Eltern und deshalb erst so spät hier. Wir kommen gerade vom Bahnhof. Darf ich vorstellen, Merle Sommer". Überrascht von dem schauspielerischen Talent von Katja und Christian spiele ich gute Miene zum bösen Spiel. Der Arzt schaut mich skeptisch an. "Guten Tag, sie sind also Merle? Herr Kelly hat immer wieder nach Ihnen gefragt". "Ja, ich bin Merle, Merle Sommer. Wie schon gesagt die Verlobte von Paddy.. Ähm Herrn Kelly. Was ist denn überhaupt passiert. Mir wurde nur gesagt, ich muss den Besuch bei meinen Eltern abbrechen und sofort wieder nach Hause kommen, Paddy sei im Krankenhaus. Kann ich zu ihm?" Oh Gott geht mit der Hintern auf Grundeis. Ich hoffe, der Arzt schluckt das Ganze und durchschaut das Spielchen hier nicht.
"Na gut, dann kommen Sie mit. Ich erkläre Ihnen auf dem Weg alles Weitere". Und schon laufe ich dem Arzt hinterher. Ich schicke ein kurzes Stoßgebet zum Himmel, dass auch Paddy mitspielt.
Ein paar Minuten später stehen wir vor dem Krankenbett, in dem Paddy liegt. Er sieht schlecht aus. Scheint aber immernoch zu schlafen. Der Erklärung des Arztes kann ich nicht mehr folgen. Ich merke auch nicht, wie mir schon wieder Tränen die Wange runter laufen.
"Frau Sommer? Haben Sie mich verstanden?" Erschrocken schaue ich den Arzt an. "Entschuldigung, ich war gerade in Gedanken. Das hier... ist nicht leicht zu ertragen." Der Arzt nickt und wiederholt seine Aussage. Demnach sollte Paddy eigentlich schon längst wieder bei Bewusstsein sein. Auch seine Vitalwerte sind nicht ganz in Ordnung und werden weiterhin beobachtet. Wenn er innerhalb der nächsten 2 Stunden nicht aufwacht, müssen weitere Untersuchungen durchgeführt werden. Mehr als ein einfaches 'okay' bringe ich nicht raus. Dann verabschiedet sich der Arzt von mir und ich stehe alleine hier vor dem Bett. Völlig unschlüssig, was ich jetzt tun soll und mit einem Gefühl, völlig Fehl am Platz zu sein.
Ich kann mich dazu durchringen, mich an das Bett zu setzen. Dort sitze ich eine zeitlang einfach nur schweigend. Dieses Bild, welches sich mir bietet, tut so weh. Paddy hier so schwach und verletzlich zu sehen, ist echt zu viel für mich. Und dann auch noch die Schwierigkeiten, die er jetzt meinetwegen hat. Ich sollte hier liegen und nicht er.
Vorsichtig streife ich mit meinem Finger seine Hand. Dann umklammere ich seine Hand, vorsichtig und darauf bedacht, den Venenzugang samt Schläuchen nicht zu berühren. Sofort durchströmt mich die vertraute Wärme, die ich immer spüre, wenn Paddy mich berührt. Immer mehr Tränen tropfen von meinem Gesicht auf seine Hand. Ich kann sie einfach nicht stoppen. Selbst das monotone Piepen und Brummen der Geräte beruhigt mich nicht.
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Here to stay
FanfictionMerle hat eine schwierige Zeit hinter sich und fängt in Berlin ein neues Leben an, fernab von ihrer Heimat, Familie und Freunden. Bereits in den ersten Tagen stellt eine Begegnung mit einem Mann ihr neues Leben auf den Kopf. Begleitet Merle in ihrem...