𝘏𝘰𝘸 𝘢𝘳𝘦 𝘺𝘰𝘶

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Ich schlief. Die ganzen zehn Stunden Fahrzeit schlief ich. Während ich darüber nachdachte, wieso Keir einen Menschen töten wollte, der nicht existierte, wurden meine Augen immer schwerer. Und als ich letzten Endes zum Entschluss kam, dass er seine Wut und die Trauer an jemandem auslassen wollte, fielen sie schließlich zu. Vielleicht nahm Keir Rücksicht, denn ich wurde kein einziges Mal von seinen Beschimpfungen an andere Autofahrer geweckt.

Als ich aufwachte, befand ich mich wieder in der Penthouse-Wohnung. Sofort wurde mir warm, und ohne dass es mir bewusst wurde, fühlte sich dieser Ort inzwischen heimisch an - ein wenig wie zu Hause.

Nach genauerem Umsehen erkannte ich, dass dies Zade's Schlafzimmer war. Zu meiner Rechten fand ich Keir. Sein Arm lag um meiner Taille, hielt mich fest und sein verschlafenes Gesicht ruhte in dem Kissen. Von Zade fehlte jede Spur.

Achtsam schob ich seinen Arm von mir. Ich krabbelte aus dem Bett und warf mir eines der rumliegenden T-Shirts über, da sie mir das schwarze Kleid ausgezogen hatten. Dies vermutete ich zumindest.

Leise tapste ich in die Küche, wollte mir einen Kaffee machen, als ich eine männliche Figur mit Kippe zwischen den Lippen entdeckte. Zade. Ich ließ den Kaffee und stampfte zu ihm. Ich zog ihm die Zigarette aus dem Mund. "Aber du darfst rauchen?" Ich klang gereizt. Es war für ihn genauso ungesund.

Als er sich zu mir drehte, verging die Wut mit einem Mal. Sein ganzes Gesicht war geprägt von kleinen Kratzern und Schnitten. Mein Magen zog sich zusammen. Was war während meiner Abwesenheit geschehen?

Zade lächelte mich an, umarmte mich herzlich. Augenblicklich spannten sich all meine Muskeln an. Ich hasste Umarmungen, doch heute war es nicht so schlimm. In diesem Augenblick konnte ich es mehr als hinnehmen. In diesem Augenblick konnte ich es genießen. Nach einem Moment des Zögerns schlang ich die Arme ebenfalls um ihn. Vorsichtig klopfte ich auf seinen Rücken. "Ich habe dich vermisst", murmelte er. "Ich weiß", war alles, was er bekam. Kein "Ich dich auch", oder "Ich bin froh, dich wiederzusehen."

Ich beschloss, nicht nachzuhaken, was ihm zugestoßen war. Er hatte einen risikoreichen Job. Ohne ein paar blaue Flecken kam man selten davon.

Er löste sich von mir und musterte mich besorgt. "Wie geht es dir?", wollte er wissen. Plötzlich wurde mir klar, was dieser Ausdruck zu bedeuten hatte. Es war der Todestag meiner Eltern. Ein dicker Kloß erschwerte mir das Luftholen. Wie konnte ich es auch nur für eine Sekunde vergessen? Ich schluckte ihn runter, entgegnete mit unregelmäßigem Atem: "Gut."

"Komm", sagte er. "Wir essen etwas." Vorsichtig legte er den Arm um mich und schob mich Richtung Terassentür.

Nach dem Frühstück verdrückte ich mich auf mein Zimmer. Ich wollte einfach nur, dass der Tag vorüber ging. Ich wollte sämtlichen Szenarien aus meiner Vergangenheit blockieren, die mein Gedächtnis wiederrief. Ich wollte nach vorne sehen und den Mann töten, der mir all das angetan hatte.

Ein leises Klopfen riss mich aus den Erinnerungen. Keir und Zade betraten den Raum. Schnell wischte ich über meine feuchten Wangen und richtete mich auf. "Was gibt's?" Ich versuchte, möglichst normal zu klingen, doch ich schniefte und meine Stimme war ungewöhnlich rau, fast heiser. Niedergeschlagen sahen sie mich wie ein Häufchen Elend an.

"Wie geht es dir?" Still blickte ich zur Seite. Es zu verleugnen war schwachsinnig. Sie wussten, dass es mir beschissen ging. Zade begriff, wie dumm seine Frage war. "Willst du vielleicht irgendwo hin?", fragte er weiter. Er meinte den Friedhof. Das Grab meiner Eltern hatte ich kein einziges Mal besucht und solange Roy am Leben war, würde sich daran nichts ändern. So konnte ich nicht unter ihre Augen treten. "Nein." Ich rutschte zurück unter die Decke.

Sie seufzten. "Vienna, wenn du darüber reden möchtest, w-" Keir fiel ihm zynisch ins Wort: "Sie braucht keine Therapiestunde, Zade, sondern Ablenkung!" Er lag richtig. "Lass uns in einen Club gehen." Das war jedoch der falsche Ansatz. Ich wollte nicht feiern und Alkohol trinken. Ich brauchte andere Ablenkung...

 Ich brauchte andere Ablenkung

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Kapitel 35!

Freut euch auf das nächste Kapitel😋

Ayana x

RevengeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt