Der Todestag meiner Eltern rückte näher. Inzwischen war es nur noch eine Woche hin. Ich war alles andere als bereit. Wie jedes Jahr zuvor um diese Zeit, schossen mir die Erinnerungen zur ungünstigsten Zeit ins Gedächtnis. Alpträume raubten mir den Schlaf.
Die Energie verließ mich. Ich war nicht mehr lange in der Lage, so weiterzumachen. Ich war gescheitert. Bis zu diesem Datum wollte ich ihn tot sehen, doch er lebte, lief frei da draußen rum und ich fragte mich, ob sein Sterben überhaupt etwas verändern würde.
Er wäre tot, aber wären der Schmerz, das Leiden und die Erinnerungen damit auch Geschichte? So leicht konnte es unmöglich sein.Verzweifelt stocherte ich in meinem Essen herum. "Vienna." Keir klang belegt. Ich hob den Kopf und sah in zwei besorgte, aber auch verwirrte Gesichter. "Iss", forderte Zade mich auf. Sie hatten recht, ich sollte essen. Wenn ich schon keine Energie durch Schlafen gewinnen konnte, dann wenigstens durch ein paar Nährstoffe. Leidenschaftslos führte ich die Gabel zu meinem Mund. Nach nur wenigen weiteren Gabeln war mein Appetit jedoch bereits vergangen und ich legte das Besteck beiseite.
"Tut mir leid", nuschelte ich, erhob mich. "Ich bin müde." Nachdem ich meinen Teller in die Spühle gestellt hatte, schleppte ich mich auf mein Zimmer. "Vienna", hörte ich Zade, aber ich wusste, was auch immer er zu sagen hatte, konnte und wollte ich in dieser Verfassung nicht hören. Ich brauchte dringend Schlaf. "Morgen", entgegnete ich einzig erschöpft und schloss die Zimmertür hinter mir.
Ich legte mich hin, doch obwohl ich gefühlt auf Grund von Schlafmangel hätte sterben können, machte ich kein Auge zu. Womöglich war es mein Unterbewusstsein, das mich abhielt, weil es wusste, was mich erwarten würde.
Nach nicht einmal 30 Minuten knipste ich das Licht wieder an. Seufzend stieg ich aus dem Bett, ging ins Badezimmer. Ich lief an Keir und Zade vorbei, die sich im Wohnzimmer irgendeinen Film ansahen. Sofort richteten sich die Blicke auf mich. Sagen taten sie nichts.
Voller Verzweiflung wühlte ich in den Schränken, stellte alles auf den Kopf. Wie konnten diese zwei Männer keine Schlaftabletten besitzten? Sie mordeten, und wie es aussah, hielt sie der Gedanke daran nachts nicht länger auf Trap.
"Brauchst du etwas?" Durch den Spiegel erkannte ich Keir, der mit verschränkten Armen im Türrahmen lehnte. Kurz darauf tauchte auch sein Freund auf. "Schlaftabletten", erwiderte ich, suchte weiter. Wie so oft tauschten sie einen rätselhaften Blick aus.
"Wir haben keine." Also kümmerte es sie wirklich nicht, wenn sie Menschen zur Strecke brachten. Ächzend schloss ich die Schranktür, wandte mich ihnen zu. Einige Momente sahen wir einander schweigend an.Schließlich ergriff Keir das Wort: "Du kannst dich zu mir legen. Viellei-" Mit einer ablehnenden Hand- und Kopfbewegung gab ich ihm seine Antwort. "Damit du mich wieder begrapschen kannst? Nein, danke." Müde drängte ich mich an ihnen vorbei. "So war das nicht gemeint", meinte Keir, doch ich schenkte ihm keine Beachtung mehr. Ich hätte es ihm sowieso nicht geglaubt, die letzten Wochen waren ersichtlich. Er wollte mich - wann und wo immer es nur möglich war, ich allerdings, blieb jedes einzelne Mal konsequent.
Gähnend schlenderte ich auf mein Zimmer. Wenig später hörte ich ihre Schritte bereits hinter mir. "Wir sollten darüber reden", meinte Zade, erhielt jedoch keine Reaktion, was meine Antwort klar ausdrückte. Vor der Tür meines Schlafzimmers, kamen wir zum Stehen. Ich wandte mich ihm zu. "Das ist nicht, w-" Ich schlug ihm die Tür vor der Nase zu, jedoch wurde sie sofort wieder aufgerissen.
"Vienna, hör auf mit dem Scheiß!" Ein aufbrausender Keir stampfte auf mich zu, packte mich am Handgelenk. "Erzähl uns endlich die Wahrheit. Wir geben unser Bestes und du schließt uns trotzdem immer wieder aus! Wie sollen wir dir helfen, wenn du uns nichts weiter als Lügen auftischst?"
"Ich kann einfach nicht mehr, Keir!" Hitzig entriss ich mich ihm. "Ihr haltet mir diese Informationen weiterhin vor. Ich will endlich den Mann töten, der meine Familie umgebracht hat. Die ganze Zeit sehe ich sein verfluchtes Gesicht, wie er mich und meine Mutter vor den Augen meines Vaters vergewaltig, ihr die Kehle aufschneidet und schließlich ein Feuer legt. Und während mein Vater verzweifelt versucht meine Mutter irgendwie am Leben zu halten, renne ich weg... Ich rannte einfach weg." Eine einzelne Träne kullerte meine Wange hinunter, schnell wischte ich sie weg.
"Ich war die einzig Überlebende, weil ich feige war. An diesem Tag hätte ich sterben sollen, aber das tat ich nicht und jetzt muss ich mich für sie rächen! Dieser Bastard muss sterben!"Die Wahrheit rollte glatt von meiner Zunge. Einsicht traf mich und ich schluckte schwer. Das hätten sie nicht hören sollen. Sprachlos starrten die beiden mich an. "Scheiße", zischte ich, entfernte mich und versteckte mich unter meiner Bettdecke.
Kapitel 19!
Aktuell kann ich überhaupt nicht einschätzen, wie lange diese Geschichte noch wird... Einerseits könnte es jetzt richtig losgehen. Andererseits könnte es sich jetzt allerdings auch langsam dem Ende zuneigen...
Wir werden sehen.Ayana :*
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Revenge
RomanceVienna war auf der Jagd nach dem Mörder ihrer Eltern, um ihn für sein Verbrechen bezahlen zu lassen. Nach sieben Jahren verlorener Mühe hegte sie wieder Hoffnung; sie verbündete sich mit zwei skrupellosen Auftragsmördern. Keir und Zade waren sowohl...