Allein

Kapitel 26

Lukas Sicht:

Meine Schuldgefühle fingen langsam an mich aufzufressen.Zuerst hatte ich mir bei all dem nichts gedacht.Jeder mobbte Clarissa,also hatte ich es auch getan.Beleidigungen und Gesten,die mir als so unwichtig erschienen waren.Ich hätte nicht gedacht,dass man allein durch Worte einen Menschen zerstören konnte.Doch jetzt wusste ich es besser.Als Nils sie in der Schule zusammen geschlagen hatte,habe ich für einen kurzen Moment in ihre Augen geschaut.In ihnen hatten Angst und Hilflosigkeit gestanden.Doch ich hatte es ignoriert.Als sie zu Boden gegangen war,war ich der Erste gewesen,der angefangen hatte mitzumachen.Ich hatte sie getreten.Immer und immer wieder.Wie einen Fußball.Es hatte mir nichts ausgemacht,dass ich sie verletzten würde.Irgendwie hatte es mir sogar gefallen.Es hatte Spaß gemacht.

Im Nachhinein widerte ich mich selber an.Wie konnte man nur so herzlos sein?Ich hatte auf einen unschuldige Menschen einfach so eingetreten!Einfach so,ohne nachzudenken.Ohne an die Konsequenzen zu denken.

Ich hatte ihr gegen ihre Wirbelsäule getreten,gegen ihren Kopf,gegen ihren Bauch und gegen ihre Rippen.

Mit voller Absicht hatte ich immer und immer wieder dagegen getreten,bis ich ein leises Knacken gehört hatte,gefolgt von einem lauten Schrei.Erst da hatte ich inne gehalten und realisiert was ich da gerade getan hatte.Doch groß gekümmert hatte es mich nicht.Kurz danach hatte es geklingelt und so hatten wir von ihr losgelassen und sie einfach zurückgelassen.Ich hatte dann auch nicht mehr groß über die Sache nachgedacht und mich mit meinen Kumpels zusammen aufs Wochenende gefreut.Doch das hatte sich alles am nächstem Tag geändert.

Als ich Clarissa bei Karim wiedergesehen hatte,hatte ich zum ersten Mal so etwas wie Schuld in mir aufsteigen gefühlt.Sie hatte schlimm ausgesehen.Ihr ganzes Gesicht war voller Hämatome gewesen und wie ihr Körper ausgesehen hatte,hatte ich mir gar nicht erst vorstellen wollen.Da war mir langsam bewusst geworden,was wir getan hatten.Was ich getan hatte!

Und dann hatte Nils sie wieder angegriffen,diesmal zum „Glück" nur mit Worten.Diesmal hatte ich  sie genau  beobachtet und was ich gesehen hatte,hatte mich zutiefst geschockt.

Bei jeder Beleidigung hatte sich ihr Körper ein Stückchen mehr verkrampft.Ihre Augen waren immer dunkler geworden,bis sie schließlich nur noch aus Schmerz zu bestehen schienen.Und ich könnte schwören,dass ich gesehen habe,wie etwas in ihnen zerbrochen war.Sie hatte es alles andere als leicht,auch wenn sie so stark wirkte.Das hatte ich zu diesem Zeitpunkt begriffen.

Dass,war dann auch der Moment gewesen,als ich mich in die Diskussion eingemischt hatte.Ich hatte probiert sie zu verteidigen.Es hatte nicht sonderlich gut geklappt und kurze Zeit später war sie aus dem Raum gerannt.Ihr Blick hatte meinen noch  für einen kurzen  Moment gestreift und ich hatte die glänzenden Tränen in ihren Augen wahrgenommen.Und da hatte ich endlich zu 100 % begriffen,dass wir Schuld daran waren.Wir waren Schuld daran,dass sie weinte,wir verursachten ihr all den Schmerz und die Angst,die ich in ihren Augen gesehen hatte.Wir hatten sie zu diesem zerbrochenen Menschen gemacht.

Am liebsten hätte ich mich übergeben.Was waren wir für Monster?Wir zerstörten einfach so ein Menschenleben.Jeden Tag mehr und mehr.Das Schlimmste,wir hatten noch nicht mal einen Grund.

Das alles tat mir so unendlich leid!Wie konnte ich das nur jemals wieder gut machen?

Heute war Clarissa wieder in der Schule.Ich sah sie voller Sorge an.Die blauen Flecken waren immer noch unübersehbar,doch sie machte einen gefassten und recht glücklichen Eindruck,soweit ich das beurteilen konnte.Ich betete inständig,dass Nils sie in Ruhe lassen würde,doch natürlich wurde mein Gebet nicht erhört.Und so bewies ich zum ersten Mal richtig Mut und stellte mich zwischen Nils und Karim,als sie dabei waren sich zu verprügeln.Auch jetzt gerade in Kunst hatte ich eingegriffen und Nils hatte tatsächlich aufgehört  Clarissa zu beleidigen.Vorerst.....

Doch die natürlich eskalierte die Situation kurz darauf.Diesmal war nicht Nils das Problem,sondern Melissa.

Ich hörte wie sie sich zusammen mit Nils über Clarissa lustig machten,als das Wasserglas umfiel.Ich sah wie sich Tränen in ihren Augen bildeten und sie hilflos auf ihr zerstörtes Kunstwerk starrte.Am liebsten hätte ich sie irgendwie getröstet,doch,dass hätte sie wohl noch mehr verschreckt.Als Frau Knöpfe hinzu kam und fragte was passiert sei,wollte ich gerade antworten,doch Melissa war schneller und tischte ihr eine perfekte Lüge auf.Ich wollte meinen Mund aufmachen und die Wahrheit sagen,doch ich tat es nicht.Dafür hasste  ich mich am meisten.Das ich in wichtigen Situationen nie den Mund aufbekam,sondern stumm wie ein fisch blieb.

Doch dann kam Karim dazu.Er redete auf Clarissa ein und sie verließen zusammen den Raum.Clarissa stützte sich auf ihn und machte den Eindruck,als ob sie jeden Moment umfallen würde.Ihr Gesicht war ganz bleich und vereinzelte Tränen rollten ihre Wangen hinunter.Die altbekannten Schuldgefühle machten sich wieder in mir breit.Auch wenn ich diesmal nichts dazu beigetragen hatte,wusste ich,dass es niemals so weit gekommen wäre,wenn einer einmal „Stop" gesagt hätte.Sich einer mal auf ihre Seite gestellt hätte und sie vor den anderen beschützt hätte.Jetzt kam alle Hilfe zu spät.Nils würde sie niemals mehr in Ruhe lassen,genauso wenig wie Melissa.Und wer weiß,wie weit ihr Innerstes schon zerstört war.Vielleicht war sie längst an einem Punkt angekommen,an dem ihr keiner mehr helfen konnte.Vielleicht war sie an dem Punkt angekommen,an dem sie nicht mehr leben wollte?

Ich hoffte das Karim ihr helfen konnte.Ich kann es,wie man sieht,nicht sonderlich gut.Wenn sie sich etwas antun würde,wäre es zum Teil meine Schuld und ich weiß nicht,ob ich damit leben könnte.

Ich konnte die Sachen,die ich getan habe nicht rückgängig machen.Auch wenn ich es noch so stark wollen würde.Dafür war es leider viel zu spät.

Hallo :)

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Wenn dieses Kapitel fünf Likes bekommt,kommt auch noch ein Kapitel aus Melissa Sicht online!

Bis dahin,

xoxo,

Ginaaa :D