Kapitel 52

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Wie ich es prophezeit hatte, war der Tag ein einziger Alptraum. In der Schule war ich das Gesprächsthema Nummer eins. Überall wo ich hinging glotzten mich die Leute mit ihren enorm riesigen Augen, so schien es mir jedenfalls, an. Zudem machte sich keiner die Mühe auch nur ansatzweise die Gespräche über mich einzustellen, wenn ich vorbei ging und so schnappte ich den ganzen Vormittag über schon, zahlreiche Gesprächesfetzen über mich auf.Zwei Freundinnen hatten sich mitten auf dem Flur lautstark über mich unterhalten, als ich gerade vorbeiging. 

„Ey hast du gehört, dass Clarissa sich umbringen wollte?", hatte das eine Mädchen gesagt. 

„Wer ist Clarissa?", hatte ihre Freundin gefragt. 

„Diese kleine Schlampe, du kennst sie. Keiner kann sie leiden." 

„Ach so, ja das Opferkind, wieso hast du das nicht gleich gesagt? Die wollte sich umbringen?" 

„Ja, sie hat angeblich Tabletten geschluckt, doch man hat sie rechtzeitig gefunden und ihr den Magen ausgepumpt." 

„Schade, dass sie nicht abgekratzt ist", hatte das eine Mädchen daraufhin gesagt. 

„Ja, finde ich auch", hat ihre Freundin zugestimmt. 

Karim hatte daraufhin fest einen Arm um mich gelegt und mich schnell weitergezogen. Doch das eisige Gefühl, dass sich in meiner Magengegend ausgebreitete hatte, hatte er nicht verhindern können. Wie konnten Menschen nur so herzlos und kalt sein? Ich war auch nur ein Mensch mit Gefühlen. Wie konnten sie so etwas über mich sagen, während ich an ihnen vorbei lief? Was hatte ich getan, dass ich sowas verdient hatte?!Ein anderes Gespräch, welches zwei Jungs aus dem Fußball-Team unserer Schule geführt hatte, hatte sich darum gedreht, ob mich Nils alleine so krass zusammen geschlagen hatte, dass ich mehrere Tage im Krankenhaus gelegen haben musste oder, aber ob Nils mich zusammen mit seinen Kumpels zusammen geschlagen hatte. Beide Varianten hatten die Beiden zum totlachen gefunden und sie hatten schallend lachend mögliche Gesichtsausdrücke von mir imitiert.Ich hatte das Ganze ehrlich gesagt zum Heulen gefunden und war schnell auf der nächsten Toilette verschwunden, damit mich keiner sah. Karim hatte voller Sorge draußen vor der Tür auf mich gewartet. Doch auch auf der Toilette war ich nicht sicher vor den Lästereinen und Beleidigungen meiner Mitschüler. Während ich mir leise in einer Kabine die Augen aus dem Kopf geheult hatte, war eine Scharr von Mädchen reingekommen. Diese hatten sich ebenfalls über mich unterhalten und dabei kein gutes Haar an mir gelassen. Ich sei viel zu dünn und hätte einen hässlichen Kleidungsgeschmack. Zudem sähe ich dreckig und hässlich aus und noch viel mehr.Ich hatte mich solange in der Kabine versteckt, bis diese Mädchen verschwunden waren. 

Erst dann war ich rausgekommen, hatte meine Tränen getrocknet und war zu Karim gegangen. Natürlich unterhielten sich die Leute auch über ihn. Doch sie lästerten noch lange nicht so krass über ihn, wie über mich. Die meisten konnten einfach nicht verstehen, wie jemand wie er mit jemanden wie mir zusammen sein konnte. Melissa war fuchsteufelswild geworden, als ich heute morgen zusammen mit Karim die Klasse betreten hatte und Nils hatte ein ziemlich missmutiges Gesicht gemacht. Tja Pech gehabt! Um den ganzen noch das i- Tüpfelchen aufzusetzen, hatte es unser Lehrer tatsächlich erlaubt nebeneinander zu sitzen.Im Moment hatte ich mich einigermaßen wieder beruhigt und probierte dem Unterricht zu folgen. Doch meine Gedanken streiften immer wieder ab. Gleich hatten wir Mittagspause. Meine Panik wuchs von Minute zu Minute. Ich wollte nicht in die Cafeteria gehen, wo sich wahrscheinlich alle Gespräche nur um mich drehen würde. Ich konnte es nicht ertragen zu hören, wie alle über mich sprachen. Ich hatte doch keinem etwas getan!!! Also wieso hassten mich alle so?Karim drückte unter dem Tisch beruhigend meine Hand. Ich schaute kurz zu ihm herüber und lächelte ihm zu. 

„Ca va?", schrieb er auf eine Ecke seines Hefts.Ich nickte und widmete mich wieder der Tafel. Karim sollte sich nicht unnötige Sorgen machen, davon hatte er schon genug!Als es endlich zu Pause gongte packte ich rasch meine Sachen ein und wartete dann auf Karim, der ebenfalls seine Sachen einpackte. Obwohl ich keinen Bock auf die Pause hatte, war alles besser als Unterricht. Vor allem bei einem Fach wie Chemie! 

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